"Wir standen vor dem Ruin"
"Wenn sich Elgin nicht für uns entschieden hätte - das wäre das Aus für die Franchise gewesen", sagte der langjährige Teambesitzer Bob Short einst im Rückblick. Der große George Mikan hatte seine Karriere beendet, der Kader war nicht mehr konkurrenzfähig, überaltert. "Wir standen vor dem Ruin", bestätigte Short. Doch der Top-Pick reißt das Ruder herum, bildet zusammen mit Jerry West, der 1960 dazukommt, ein kongeniales Duo. Und der Basketball in Los Angeles lebt weiter.
So sehr das Tandem auch brilliert, immer wieder ist in den Finals gegen Boston Endstation. Selbst, als Chamberlain in einem Trade 1968 die Lakers verstärkt, ist Baylor kein Titel vergönnt. Umso tragischer ist das stete Scheitern im Hinblick auf seine Work-Ethic.
Denn Baylor muss unglaubliche Strapazen auf sich nehmen, um NBA-Basketball spielen zu können: Zu Beginn seiner Karriere ist er Reservist der US Army, stationiert im US-Bundesstaat Washington, muss alleine zu jedem Spiel der Lakers fliegen, dabei stets akribisch darauf achten, ja keinen Anschlussflug zu verpassen. Hätte nicht der Großteil der Saisonspiele damals an Samstagen und Sonntagen stattgefunden, es wäre nichts aus der Karriere geworden - die Armee gab nur an Wochenenden frei.
Trotzdem vollbrachte Baylor 1961/62 das Kunststück, 38,3 Punkte, 18,6 Rebounds und fünf Assists pro Spiel aufzulegen - in 48 Saisonspielen. Aus heutiger Sicht, in einer Zeit liebevoll umsorgter, gehegter und gepflegter NBA-Millionäre unvorstellbar.
"Er fügte dem Basketball das 'wow' hinzu"
Ironie des Schicksals, dass das Team prompt im ersten Jahr seines verletzungsbedingten Rücktritts - die Knie machten nach jahrelanger Belastung nicht mehr mit - eine Serie von 33 Siegen in Folge hinlegt und am Ende endlich die Meisterschaft gewinnt. 4:1 heißt es in der Finalserie 1972 gegen die New York Knicks. Der Meisterschaftsring für Baylor - ein schwacher Trost.
Die fehlende Championship soll trotzdem die öffentliche Meinung bestimmen - Experten dagegen wissen um Baylors Einfluss aufs Spiel. "Er konnte einfach alles und war einer der besten Shooter, die der Basketball je gesehen hat", analysiert sein langjähriger Partner West.
23.149 Punkte und Karrierestats von 27,4 Punkten, 13,5 Rebounds und 4,6 Assists pro Spiel, dazu elf All-Star Games, eine All-Star-Game-MVP-Trophäe - Zahlen sprechen Bände und werden Baylor doch nicht gerecht. Er half mit, das Spiel zu verändern, war der vielleicht erste Highlight-Player einer Liga, deren Spiele damals noch fast ausschließlich aus unbeholfenen Jumpshots schlechter Schützen ohne Sprungkraft, Athletik oder Treffsicherheit bestanden. "'Above the Rim' spielte damals nur Bill Russell - bis Elgin kam", erklärt der renommierte US-Sportjournalist Bill Simmons. "Er fügte dem Basketball der NBA das 'wow' hinzu."
Elgin Baylor: 22 Jahre bei den Clippers
Jahre später (und nach einem erfolglosen knapp vierjärigen Versuch als Coach der New Orleans Jazz, der 1978/79 mit einer Gesamtbilanz von 86:135 endete) kehrt Baylor zurück nach L.A.. Bei den damals notorisch schwachen Clippers soll er ab 1986 als General Manager Kurs Richtung Erfolg setzen - und scheitert letztlich grandios und in einer Vehemenz, die so wohl unübertroffen in der Liga-Historie ist.
Überragte Baylor als Spieler, so bleiben von seiner Schreibtisch-Laufbahn vor allem dramatische Fehlentscheidungen im Gedächtnis, auch hier bestimmen die Downs über die Ups: Draft-Desaster wie Michael Olowokandi, Darius Miles, Bo Kimble oder Lorenzen Wright machten Baylor zum Gespött von Fans und Fachpresse.
Dass er dafür bei Trades immer wieder ein gutes Händchen bewies und dem Team über die Jahre Dominique Wilkins, Sam Cassell, Ron Harper oder Elton Brand bescherte, wird dabei ebenso ignoriert wie Draft-Steals namens Danny Manning, Lamar Odom, Chris Kaman oder Quentin Richardson.
Nur zwei Fakten bestimmen noch heute die Berichterstattung rund um Baylors Zeit beim "anderen Team aus L.A.": Die katastrophale Siegesbilanz von 607:1153 und eine einzige gewonnene Playoff-Serie in 22 Jahren. Als er 2008 zurücktritt, wird nur gefragt: "Warum erst jetzt?"
Elgin Baylor: "Der Beste, den es je gab"
Chris Paul, Blake Griffin, DeAndre Jordan - auch bei den Clippers war Baylor zur falschen Zeit am falschen Ort. Wie würde über seine Amtszeit gesprochen, hätte der einst für seine Sparsamkeit berüchtigte Teambesitzer Donald Sterling schon früher die Geheimnummer zu seinem üppigen Bankkonto wiedergefunden?
"Elgins Einfluss auf den Basketball ist unglaublich. Pfund für Pfund ist er für mich der Beste, den es je gab", sagte sein früherer Lakers-Teamkollege und -Coach Bill Sharman einmal. Wer von sich sagen kann, den Basketball in einer der wichtigsten Städte dieses Sports fast 50 Jahre lang maßgeblich mitbestimmt zu haben, kann nicht alles falsch gemacht haben.
Mit ein wenig Glück wird das auch der Öffentlichkeit irgendwann auffallen.