Defense, Defense, Defense
Denn nichts anderes war, ist und wird Scottie Pippen auch bleiben. Er rieb sich für das Team auf, gab am hinteren Ende des Courts stets alles und perfektionierte dazu die Kunst des Offensiv-Foul-Annehmens. Dazu besaß Pip die Fähigkeit, den Gegner vor sich zu halten, gleichzeitig aber unglaublichen Druck auszuüben und entnervte damit reihenweise Superstars und Scorer.
Wohl bekanntestes Opfer: Magic Johnson. L.A.'s Point Guard hatte Michael Jordan während Spiel eins und zu Beginn von Spiel zwei der 1991er Finals vor handfeste Probleme gestellt. Gegen den größeren, kräftigeren Magic musste sich MJ hinten derart aufreiben, dass schlussendlich die Kraft für die Offense fehlte.
Also entschied Coach Phil Jackson, Johnson ein wenig mehr Kraft und Größe entgegenzustellen. Pippen übernahm. Und Pippen hatte Erfolg. Er bekam Magic in den Griff, drehte so das Momentum des Spiels und schlussendlich der gesamten Serie, die die Bulls nach der Auftaktniederlage noch klar mit 4:1 gewannen. "Er ist ein Ein-Mann-Abrissunternehmen", sagte Jackson einst über seinen Forward.
Und tatsächlich verteidigte Pippen, noch ehe LeBron James überhaupt daran gedacht hatte, die Eins bis zur Fünf zu verteidigen, alles, was sich ihm auf dem Parkett entgegenstellte. Egal, ob Guard, Forward oder Big Man. Kraft, Athletik und seine unglaubliche Spannweite von 2,18 Metern machten es möglich.
Meister des Steals
Selbiges Trio begünstigte zudem Pippens einzigartiges Gespür für den Steal. 395 gelangen ihm während seiner gesamten Karriere in den Playoffs. Nur LeBron James klaute in der Postseason häufiger den Ball. Zudem gehört er zum erlauchten Kreis derer, denen in einer Saison 200 Steals und 100 Blocks gelangen. Acht Mal stand er deshalb im All-Defensive First, zwei Mal im Second Team.
Nun spräche im Falle des Scottie Pippen jedoch niemand über einen der besten Allrounder der NBA-Geschichte, hätten sich seine Fähigkeit allein auf das hintere Ende des Courts beschränkt. Einerseits wusste er seine Athletik auch offensiv bestens einzusetzen. Nachzufragen bei Patrick Ewing, dem Pippen anno 1994 einen Dunk derart vehement ins Gesicht drückte, dass Reggie Miller besagtes Play später mit Muhammad Alis Knockout gegen Joe Frazier verglich.
Andererseits war Pippen zwar kein herausragender Scorer (16,1 Punkte Karriereschnitt), benötigte Jordan eine Pause, war Nummer 33 allerdings stets zur Stelle. So zum Beispiel, als er mit seinem Gamewinner-Dreier über Dikembe Mutombo (!) Spiel eins der 1997er Conference Semi-Finals gegen die Atlanta Hawks entschied.
Rücktritt als Chance
Dennoch bleibt es dabei: Erst kam Jordan, dann - irgendwann - Pippen. Vielleicht war Pip deshalb nicht einmal traurig, als MJ 1993 sein Baseball-Intermezzo startete und die Bulls in die Hände seines kongenialen Kollegen legte. Endlich konnte er aus dem Schatten heraustreten. Endlich konnte er beweisen, dass er mehr war als nur Batmans Robin.
Es ließ sich auch gut an. Kein Bulle scorte mehr als Pippen (22 Punkte), keiner verteilte mehr Assists (5,6), keiner blockte mehr Würfe (0,8). Die Reguläre Saison schloss der amtierende Champ mit 55 Siegen ab. Ohne Michael Jordan wohlgemerkt.
Der Blackout
Doch dann kamen die Playoffs - und mit ihnen Spiel 3 der Conference Semi-Finals gegen die New York Knicks. Die Bulls hatten soeben erfolgreich einen 20-Punkte-Vorsprung verspielt, aber immer noch 1,8 Sekunden Zeit, doch noch den ersten Sieg der Serie zu landen. Und was macht Phil Jackson? Er designet das letzte Play für Toni Kukoc. Ausgerechnet jenen Kukoc, in dem Pippen eine Bedrohung für den eigenen Status sah. Dabei war er doch nun der Star, der Go-to-Guy, der Franchise Player.
Zu viel. Pippen weigerte sich, aufs Parkett zurückzukehren. Ein Riesenaffront. "Ich denke, Scottie verspürte Druck, Michael zu ersetzen, was natürlich niemand kann", erinnert sich sein damaliger Teamkollege Steve Kerr. "Man muss aber auch bedenken, dass er ein MVP-Jahr hatte. Das ist schade, weil es Scotties Reputation ruiniert hat. Leute, die ihn nicht kennen und an dieses Play denken, sagen vielleicht 'Der Junge ist selbstsüchtig'. Dabei war er einer der beliebtesten Mitspieler."
Pippen fehlte Pippen
Tatsächlich bestärken dieses eine Spiel und Chicagos späteres Aus Kritiker bis heute. Pip sei kein echter Winner, heißt es hin und wieder. Trotz 6 Titeln. Trotz 72 Siegen in einer Saison. Trotz Olympia-Gold, drei All-NBA-First-Team-Nominierungen und der Wahl zu einem der besten 50 Spieler aller Zeiten. Die enttäuschenden Auftritte für die Rockets und Blazers tun ihr Übriges.
Dabei wird häufig vergessen, dass Pippen schlicht Pippen fehlte. Jordan hatte Pippen, LeBron hat Dwyane Wade und Chris Bosh, Kobe hatte Shaq oder Pau Gasol. Pips bester Mitspieler war Toni Kukoc. Auch Michael Jordans Triumphe wären ohne Pippen zumindest einmal schwerer möglich gewesen.
Doch fragwürdiges Bocken in entscheidenden Sekunden hin, angeblich schwache Clutch-Performances her, am Spieler Pippen zweifeln nur die wenigsten. Coach Chuck Daly krönte ihn sogar zum zweitbesten Akteur des Dream Teams. Natürlich abermals hinter Jordan, aber daran hatte sich Scottie Pippen mittlerweile ja gewöhnt.