Wollte man sich das nahezu perfekte Basketballteam zusammenstellen, so bräuchte man zunächst einmal einen Center mit ordentlicher Präsenz in der Zone. Dazu einen reboundstarken, kräftig scorenden Vierer, der sicher seine Würfe aus der Mitteldistanz trifft und bisweilen den einen oder anderen Dreier einstreut. Stünden dann noch ein intelligenter Floor General, ein Allrounder sowie ein starker Shooter in der Starting Five, käme dazu noch potente Unterstützung von der Bank, man bewegte sich tatsächlich nahe der Perfektion.
Soweit die Theorie. Zu behaupten, die Minnesota Timberwolves hätten ebendiese durch ihre Neuverpflichtungen im Sommer in die Praxis umgesetzt, wäre wohl etwas zu hoch gegriffen. Gute Arbeit hatte man in Minneapolis dennoch geleistet. Davon waren auch die Wolves überzeugt.
Playoffs als Versprechen
So überzeugt, dass man den Fans vor der Saison den Playoff-Einzug versprach. Sollte das Ziel verfehlt werden, würde die Mannschaft den Dauerkartenbesitzern zehn Prozent des Kaufpreises erstatten. Nach Jahren der Erfolglosigkeit war die Sehnsucht nach einer bis in den Mai andauernden Saison groß.
Schließlich gaben sich die Timberwolves letztmals 2004 in der Post-Season die Ehre und machten speziell nach dem Trade von Kevin Garnett zu den Boston Celtics 2007 eher durch fragwürdige Personalentscheidungen, als durch starke Leistungen auf dem Parkett von sich reden. Hohe Draftpicks wurden verschleudert, ein Al Jefferson beispielsweise für wenig Gegenwert nach Utah abgegeben.
Nun, so schien es, hatte Minnesotas Frontoffice allerdings die richtigen Entscheidungen getroffen. Mit dem scorenden und reboundstarken Vierer Kevin Love, Playmaker Ricky Rubio, Center Nikola Pekovic und Bank-Energizer J.J. Barea stand das Gerüst ohnehin bereits auf soliden Füßen. Im Sommer fädelten die Wolves dazu einige vielversprechende Deals ein.
Durchdachte Personalplanung
Aus Russland verpflichteten sie Andrej Kirilenko, der bereits bei den Utah Jazz seine NBA-Tauglichkeit mehr als nur bewiesen hatte, sowie Alexej Shved, einen der besten Akteure der Euroleague. Mit Chase Budinger kam zudem ein ausgesprochener Dreierspezialist in die Twin Cities. Einzig hinter der Verpflichtung von Brandon Roy stand trotz der unbestrittenen Klasse des Swingman ein gewisses Fragezeichen.
Schließlich hatte Roy nach diversen Knieverletzungen erst ein halbes Jahr zuvor sein Karriereende bekanntgegeben. Die alternative Orthokin-Therapie weckte allerdings Hoffnungen, die maroden Gelenke könnten doch noch einmal den Belastungen des NBA-Alltags standhalten.
Inzwischen dürfte sich aber gerade Roy vorkommen, wie Bill Murray in "Täglich grüßt das Murmeltier". Bereits in Portland hatte der Shooting Guard jede Menge Talent um sich versammelt. Gemeinsam mit LaMarcus Aldridge und Greg Oden sollte er die Trail Blazers in eine rosige Zukunft führen, doch Verletzungen ließ das so vielversprechende Projekt scheitern.
Roy und die Verletzungssorgen
Der Neustart der Timberwolves sollte also auch einen Neustart für Roy darstellen. Doch es kam anders. Dass Ricky Rubio nach seinem Kreuzbandriss aus dem März erst im Dezember zurückkehren würde, war bereits vor der Saison klar. Dass Minnesota allerdings auch in der neuen Saison derartiges Verletzungspech ereilen würde, konnte niemand ahnen.
Nacheinander verletzten sich Roy, Budinger, Malcolm Lee und Josh Howard am Knie. Am schwersten wog jedoch der Ausfall von Kevin Love. Der Franchise-Player brach sich noch vor Saisonstart die Hand. Dabei wollte er eigentlich nur Liegestütze machen.
Doch anders als während der vergangenen Spielzeit, als Minnesota nach Ricky Rubios Kreuzbandriss nur noch fünf der nächsten 30 Spiele gewann, wissen die Wolves diesmal den Verlust aufzufangen - auch dank der Neuzugänge. Alexej Shved akklimatisiert sich schneller, als erhofft, Andrej Kirilenko liefert regelmäßig ein starkes Allround-Paket.
Pekovic mit starker Saison
Vor allem aber Center Nikola Pekovic spielt eine unglaublich starke Saison (15,8 Punkte, 8,3 Rebounds) und ist damit einer der Garanten des starken Saisonstarts der Timberwolves. Zudem ersetzt Neuzugang Dante Cunningham Kevin Love mehr als ordentlich.
Auch das Verteidigen hat Coach Rick Adelman seinem Team inzwischen offenbar beigebracht. Stellte Minnesota in der Lockout-Saison noch die sechstschlechteste Defense der Liga, so verteidigen in dieser Saison nur noch sieben Teams besser als die Wolves.
Minnesota wähnt sich auf dem richtigen Weg, zumal Love nach nur neun Spielen, deutlich früher, als ursprünglich geplant, sein Comeback gibt. Allerdings hat der Superstar trotz eigentlich ansprechender Zahlen (18,4 Punkte, 14 Rebounds - Karrierebestwert) merklich Probleme mit seinem Wurf, schießt mit nur gut 35 Prozent so schwach wie noch nie zuvor in seiner Karriere aus dem Feld.
Ob es am am vielleicht überstürzten Comeback lag, lässt sich sicherlich nicht gänzlich klären. Love selbst gibt jedenfalls zu, dass seine Hand "nie richtig gut war".
Der Love-Schock
Trotz allem bleiben die Wolves ständig in Reichweite der Playoffs. Als im Dezember dann auch noch Ricky Rubio endlich zurückkehrt, scheint sich endlich alles zum Guten zu wenden. Doch den Point Guard plagen schnell Rückenprobleme, die ihn nach wenigen Spielen bereits wieder zum Zuschauen verdammen. Noch schlimmer aber: Beim Spiel gegen die Denver Nuggets bricht sich Kevin Love erneut die Hand. Diesmal droht eine Operation.
Und auch das Team zeigt Wirkung. Am Samstag gegen Portland lagen die Wolves zwischenzeitlich mit 22 Punkten zurück. Für Rick Adelman genug, um deutliche Töne anzuschlagen: "In den ersten drei Vierteln haben wir die Köpfe hängen lassen", so der Coach. "Wir haben nicht dagegengehalten, wie wir es eigentlich tun sollten. Mir ist egal, wer verletzt ist, wer fehlt, egal was - das waren nicht wir selbst."
Auch Love war vielleicht nicht ganz er selbst, als er sich in einem Interview mit "Yahoo Sports" über die Personalentscheidungen und sein Standing bei Minnesotas Frontoffice ausließ. Obwohl er danach betonte, sich auch positiv über die Franchise geäußert zu haben, wird heftig über einen möglichen Abgang des Power Forwards diskutiert.
Nun wünscht sich mancher Fan ob der negativen Aussagen einen Weggang Loves, hält ihn für ersetzbar. Schwachsinn, findet Rick Adelman. "Man ersetzt einen wie ihn nicht einfach so", sagt er. "Das funktioniert vielleicht ein Viertel oder eine Halbzeit lang, wenn man das allerdings über mehrere Wochen schaffen muss, ist das schon eine ganz andere Sache. Sie können ja gern versuchen, das Team ohne ihn zu coachen."
Chance für Williams
Zumal die Wolves nach den schweren Knieverletzungen von Roy und Budinger aus der Distanz derzeit gänzlich ungefährlich sind. Mickrige 29,5 Prozent der Würfe von jenseits des Perimeters finden ihren Weg durch den Ring. Weniger als bei jedem anderen Team der Liga.
Nur gut also, dass ausgerechnet der vielgescholtene Derrick Williams gegen Portland sein Potential andeutete. Mit 18 Punkten im letzten Viertel führte der Nummer-zwei-Pick von 2011 die Aufholjagd der Wolves an - und wird demnächst wohl eine neue Bewährungschance erhalten.
"Er sollte besser bereit sein", schickte Adelman eine Ansage in Richtung seines Power Forwards. Bereit sein muss Williams wohl bereits am Dienstag gegen die Hawks auch wieder für die Anspiele von Ricky Rubio. Und auch Nikola Pekovics Hüftverletzung ist offenbar nicht allzu schwerwiegend. Der Center soll gegen die Hawks ebenfalls wieder dabei sein.
Scoring-Option gesucht
Wie wichtig ein Mitwirken der beiden derzeit für die Wolves ist, belegen zwei Fakten: Pekovic ist nach Love der beste Rebounder und Scorer des Teams. Andrej Kirilenkos 13,3 Punkte in allen Ehren. Doch auch wenn er in Abwesenheit der beiden Toppunktesammler mehr Würfe bekommen würde, eine verlässliche erste Scoring-Option wäre er wohl nicht.
Rubios derzeitiger Wert lässt sich allein schon bei einem Blick auf die Kadertiefe erahnen. Ohne den Spanier stünden mit Luke Ridnour, J.J.Barea und Alexej Shved lediglich noch drei Guards im Roster. Dazu ist Rubio durch Loves Verletzung früher als eigentlich geplant als Leader gefragt.
Eine Rückkehr der beiden ist also von immenser Bedeutung. Ob und wann die Wolves auf ihr gesamtes Spielerpotential zurückgreifen können, lässt sich schwer voraussagen. Sollte es irgendwann aber soweit sei, käme das Konstrukt der Vorstellung vom perfekten Basketballteam tatsächlich gefährlich nahe - und damit auch der so ersehnten Playoff-Teilnahme.
Der NBA-Spielplan im Überblick