Mitte des dritten Viertels: Boston führt gegen Miami mit zehn Punkten Vorsprung. Alles scheint nach Plan zu laufen. Bis Dwyane Wade im Duell mit Rajon Rondo zu Boden geht und den Celtics-Point-Guard mit sich zieht. Rondo landet unglücklich. Die ersten Reihen im TD Garden wenden sich geschockt ab. Bei der Landung überstreckt Rondo seinen Arm nämlich derart unnatürlich, dass er sich den Ellenbogen ausrenkt.
Die Ausgangssituation war klar, damals, in der zweiten Runde der NBA-Playoffs 2011. Miami hatte seine beiden Heimspiele gegen die Celtics gewonnen und reiste mit einer 2:0-Führung im Rücken nach Boston. Spiel drei musste aus Kelten-Sicht also gewonnen werden, wollte man nicht alle Chancen auf ein Weiterkommen frühzeitig begraben.
Kaum etwas könnten die Celtics nun also weniger gebrauchen als eine schwere Verletzung ihres Spielmachers. Doch bereits im letzten Viertel steht der Playmaker wieder auf dem Court, schmeißt sich nach Pässen, opfert seinen Körper und gibt Boston damit den letzten Schub, um das Unausweichliche noch einmal zu vertagen. Kurz: Rajon Rondo beweist trotz des späteren K.o. Leaderqualitäten.
Neue Hierarchie in Boston
Qualitäten, die Doc Rivers nun dazu bewogen, die Hierarchie beim Rekordmeister neu zu regeln. "Das ist jetzt Rondos Team", verkündete der Head Coach nach der abgelaufenen Saison, veranlasste Ray Allens Abgang und damit schlussendlich auch das Ende der Big Three in Boston.
"Die Leute können noch so sehr über die Probleme mit Rondo sprechen - und sie waren da, kein Zweifel - aber es lag mehr an mir als an Rondo", verriet Rivers während der Olympischen Spiele bei "NBC". "Ich habe Rondo den Ball gegeben. Ich habe entschieden, dass Rondo noch mehr der Leader des Teams sein muss. Das hat aber nicht unbedingt allen gefallen, auch Ray hatte damit seine Probleme. Denn nun hatte Rondo den Ball - die ganze Zeit."
Angesichts seiner Wurfschwäche müsse Rondo stets die Kontrolle über den Spalding haben: "Er ist der beste Passer der Liga. Er hat das beste Gefühl in der Liga. Aber: er ist kein guter Shooter. Also braucht er den Ball in seinen Händen, um effektiv zu sein", so der Coach.
Zweifel in den Anfangsjahren
Mit 26 Jahren ist Rondo nun Chef bei einem der traditionsreichsten Klubs im US-Sport. Als er beim Draft 2006 von den Phoenix Suns gezogen und direkt nach Boston verschifft wurde, rechnete niemand damit, im Point Guard der University of Kentucky einen zukünftigen Elite-Aufbau verpflichtet zu haben, geschweige denn den zukünftigen Leader der Celtics.
Allein die Aufgabe, die ein Jahr später auf den Playmaker zukommen sollte, galt als zu groß: Nach der Ankunft von Kevin Garnett und Ray Allen hatte Boston plötzlich drei All-Stars im Team. Diese drei Egos gleichermaßen zufriedenzustellen, das traute dem jungen Playmaker niemand zu.
Und dennoch: Bereits im ersten Jahr der Ära der Big Three zogen die Celtics Championship-Banner Nummer 17 unter die Hallendecke. Mit dabei: Starting-Point-Guard Rajon Rondo. Den Ruhm teilten sich Garnett, Pierce und Allen, doch verstand es der Point Guard schon damals, ein Spiel uneigennützig zu lenken und so jeden Einzelnen in die Offense miteinzubinden.
Der Pass als erste Option
Anders als beispielsweise bei einem Derrick Rose oder Russell Westbrook ist der Pass für den 26-Jährigen stets die erste Angriffsoption. Eine Denkweise, deren Wurzeln in Rondos Schulzeit zu suchen sind. Damals hatte nicht etwa das orangefarbene Leder oberste Priorität, das Ei hatte es dem jungen Rajon angetan.
"Ich habe damals nicht sonderlich viele NBA-Spiele angeschaut", erzählte der Guard einst. "Ich habe mir immer die Green Bay Packers angeschaut und davon geträumt, eines Tages in der NFL zu spielen. In der High School war ich Quarterback und ich glaube, das hat mir sehr dabei geholfen, ein Leader auf dem Basketball-Court zu werden. Schließlich ähneln sich beide Positionen ungemein."
Tatsächlich dirigiert Rondo seine Offense im Stile eines Football-Quarterbacks. Oft bewegt er sich so lange über den Court, zieht in die Zone, sucht den optimalen Passwinkel, bis der offene Mann gefunden ist. Dabei profitiert die Nummer 9 der Celtics natürlich auch von der großen Auswahl an potenten Schützen, die ihm in Boston zur Seite stehen. Doch versteht er es wie kein Zweiter, diese auch zu finden und im richtigen Moment den richtigen Pass zu spielen.