Dass Rondo dennoch teils harscher Kritik ausgesetzt ist, liegt insbesondere an seinem wackeligen Wurf. Zwar trifft er, wenn der Rhythmus erst einmal gefunden ist, aus der Mitteldistanz inzwischen regelmäßig. Mit für einen Guard indiskutablen nicht einmal 70 Prozent von der Freiwurf- und nur gut 25 Prozent von jenseits der Dreierlinie fehlt dem Einser jedoch schlicht ein verlässlicher Abschluss.
Damit lässt sich auch erklären, weshalb beispielsweise im ESPN-Ranking der 500 besten Spieler allein vier Point Guards höher gelistet sind als der beste Assist-Geber der vergangenen Regular Season und Playoffs (11,7/11,9). Zu oft überschattet Rondos schwacher Wurf sein Können als Vorbereiter, Anführer und Verteidiger, zu oft tritt seine herausragende Spielintelligenz in den Hintergrund.
Doch auch sein Auftreten macht Rondo häufig angreifbar. Aussagen wie "Ich bin der beste Point Guard der Liga" wirken arrogant, rauben ihm viele Sympathien. Dass Interviews in der Vergangenheit nicht gerade zu Rondos favorisierten Zeitvertreiben zählten, dass sein selbstbewusstes Auftreten stets an der Schwelle zur Arroganz wandelt, tut sein Übriges.
Rondo, eine Diva?
Rajon Pierre Rondo gilt als schwierig, als Bad Apple, der die Teamchemie stört, der bei Kritik Flaschen durch die Kabine wirft, Teamkollegen angeht und auch auf dem Court sein Temperament nicht immer im Griff hat. So leistete er sich gleich im ersten Spiel der letzten Playoffs gegen die Atlanta Hawks einen Schubser gegen den Schiedsrichter, weil ihm ein Call nicht gefallen hatte. Die Folge: Ejection und eine Ein-Spiel-Sperre.
Ist Rondo also eine Diva? Hat die Mannschaft der Celtics tatsächlich genug von ihrem Playmaker? Nein! Sagt jedenfalls Keyon Dooling, der vor seinem überraschenden Karriereende im Locker Room neben Rondo gesessen hatte. "Wohl kaum ein Leader bekommt weniger Anerkennung als er", sagte Dooling nach seinem Rücktritt. "Wisst ihr eigentlich, wie oft wir bei Rondo zu Hause waren? Wir waren ständig dort, das hat uns erst zusammengeschweißt und die Teamchemie verbessert."
Für das Standing seines Freundes in der Öffentlichkeit hat er deshalb überhaupt kein Verständnis. "Mich ärgert, wie die Medien ihn behandeln. Seine Stärke und Ehrlichkeit machen ihnen Angst. Es ist aber in Ordnung, stark zu sein. Er hat es sich verdient. Er ist der zweitbeste Spieler der Liga, der Inbegriff des selbstlosen Spielers. Er reboundet, beeinflusst das Spiel auf so viele Arten. Ich denke, er ist ein unglaublicher Leader. Ich glaube einfach, er wird von den Medien nicht fair behandelt und ich wünschte, sie würden ihn kennen, wie ich es tue."
Den Wandel vollzogen
Natürlich sind Rondo und Dooling befreundet, doch während der Offseason verdichteten sich die Anzeichen, dass der Point Guard persönlich tatsächlich den nächsten Schritt vollzogen hat: Er wirkt inzwischen wesentlich offener, lockerer im Umgang mit der Öffentlichkeit. Ein Kurzpraktikum bei der "GQ" ließ er dokumentieren. Und während eines Interviews kündigte er grinsend an, den Locker Room künftig nicht mehr ganz so schnell verlassen zu wollen.
Noch wichtiger aber: Rondo nimmt seine neue Rolle im Team an. Um die Neuzugänge schnellstmöglich zu integrieren, organisierte er einige gemeinsame Trainingstage. Doch nicht etwa in Boston. Er brachte das gesamte Team dorthin, wo die beiden Verbliebenen der Big Three, die beiden anderen Stars des Teams, Kevin Garnett und Paul Pierce, gewöhnlich ihre Sommer verbringen. Nach Los Angeles.
"Ich wollte J.T. (Jason Terry) gemeinsam mit Kevin (Garnett) spielen sehen. Ich wollte, dass Courtney (Lee) sieht, wie Paul (Pierce) gerne spielt. Jeff Green und Paul sollten sich gegenseitig angehen", erzählt Rondo "Yahoo! Sports". Auch das Ziel L.A. suchte er bewusst aus: "Es ging darum, die Jungs weg von unserem Trainingszentrum zu bekommen, ihnen eine neue Perspektive zu geben. Sie sollten Spaß haben. Wenn du mit mir zusammen bist, will ich, dass du sagst: 'Mann, ich hatte eine echt gute Zeit mit Rondo.' Und ich denke, die hatten die Jungs auch."
Neue Optionen
Es sind nicht die Worte eines arroganten Einzelgängers. Coach Rivers jedenfalls ist glücklich: "Er hat mich zuerst angerufen und gefragt, was ich von der Idee halte. Ich war begeistert, vor allem, weil er das alles organisiert hat. Rondo war in diesem Sommer großartig."
Rondos Entwicklung vom Schüler und Zulieferer der Big Three hin zum Leader der Boston Celtics schreitet also weiter voran. Mit den Neuzugängen Courtney Lee, Rookie Jared Sullinger, Jeff Green, der nach seiner Herz-OP aus dem vergangenen Jahr wieder voll bei Kräften zu sein scheint, aber auch mit Ex-Mav Jason Terry hat der Playmaker nun zudem ein noch größeres Offensivpotenzial an seiner Seite. Mehr Anspielmöglichkeiten? Also auch noch mehr Rondo-Assists? So oder so, im Zweifelsfall wird er sich auch mit ausgerenktem Ellenbogen wieder in den Dienst der Mannschaft stellen.
Der NBA-Spielplan der Saison 2012/13