Manchmal ist weniger mehr

Von 90PLUS
Nach drei Jahren in Paris ist Yohan Cabaye nun nach London weitergezogen
© getty

Wenn man Yohan Cabayes Weg vor zwei Jahren vorausgesagt hätte, wäre wahrscheinlich niemand auf das Szenario gekommen, welches letzten Endes eingetreten ist. Im Sommer 2013 war der Mittelfeldspieler noch einer der begehrtesten Akteure der Premier League. So wurden die finanziellen Marktführer Frankreichs auf ihn aufmerksam, doch ein Wechsel zu PSG veränderte alles.

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Newcastle interessierte sich wenig für die vielen Faxe, die wegen Cabaye in der Geschäftsstelle der Magpies ankamen. Der Franzose hatte bereits Gespräche mit dem FC Liverpool und den Tottenham Hotspurs geführt, etwas später war er sich mit Arsenal über einen Wechsel einig. Die Ansage seines damaligen Klubs nahm Cabaye zähneknirschend zur Kenntnis und ging in seine dritte (und letzte) Saison in Schwarz-Weiß.

Nun wechselt er zwei Jahre später zu Crystal Palace, welcher zum Zeitpunkt des Wechsel-Dilemmas gerade nach neunjähriger Abstinenz in die Premier League zurückgekehrt war. Der Verein aus den unteren Regionen der Liga berappt für seinen Wunschspieler 14 Millionen Euro. Doch wie kommt es, dass Cabaye jetzt zwar in London landet, allerdings beim wohl kleinsten Premier League Klub der englischen Hauptstadt?

Papas Fittiche führt zu den Doggen

Bei einem Blick auf seinen sportlichen Werdegang bis in den Januar 2014 wäre jeder Spielerberater, der etwas von seriöser Karriereplanung versteht, wohl entzückt gewesen. Seine ersten fußballerischen Schritte machte Yohan Cabaye in seiner Geburtstadt Tourcoing, bei dem traditionsreichen FC Tourcoing, dessen Jugendprogramm in Frankreich einen ausgezeichneten Ruf genießt.

Sein erster Trainer war sein Vater, der ebenfalls auf dem Weg zum Profi war, bis ein doppelter Beinbruch seinen Traum zerstörte. Als Jugendtrainer des FC Tourcoing holte er den erst vierjährigen Yohan in die Jugendakademie, obwohl das Mindestalter höher lag. Trotz seines jungen Alters konnte er sich beim FC etablieren und durchlief einige Jugendmannschaften, was irgendwann natürlich auch andere Vereine aus der Region auf das Talent aufmerksam werden ließ. Der OSC Lille bekam im Jahr 1998 schließlich den Zuschlag.

Musterlaufbahn an der Jugendakademie

Cabaye fand sich auf Anhieb im Internat des LOSC zurecht. Aus regionaler Bekanntheit wurde durch Nominierungen für die U16-, U18- und U19-Nationalmannschaft langsam aber sicher landesweite Bekanntheit. Mit 18 Jahren unterschrieb der Junge aus Tourcoing seinen ersten Profivertrag, zu seinem Debüt kam Cabaye am 7. November 2004. Bis zum Saisonende kamen noch elf weitere Einsätze dazu. Die Doggen aus Lille konnten nach der Saison 2004/2005 sensationell die Vizemeisterschaft hinter dem damaligen Serienmeister Olympique Lyon feiern und Cabaye sich auf Duelle in der europäischen Königsklasse freuen.

In der folgenden Saison kam Cabaye insgesamt auf 27 Einsätze für den LOSC. In der Champions League war zwar bereits in der Gruppenphase Schluss, allerdings sorgten die Franzosen trotzdem für eine Sensation, als sie Manchester United auf den letzten Rang in der Gruppe verdrängten und sich noch für die K.O-Phase des UEFA Cup qualifizieren konnten. Darüber hinaus konnte das Talent sein Debüt für die französische U21-Nationalmannschaft feiern.

Ausstieg bei 75 Millionen Euro

Wegen anhaltender Knöchelprobleme war die folgende Saison von Cabaye bereits im März beendet und der LOSC landete nur auf dem zehnten Platz. Er kam jedoch in der kommenden Spielzeit gestärkt zurück und stellte durch seine sieben Saisontore zum ersten Mal seine Torgefahr unter Beweis. Durch diese Leistungssteigerung verlängerte der OSC seinen Vertrag bis 2013, garniert mit einer Ausstiegsklausel in Höhe von 75 Millionen Euro.

Nichtsdestotrotz verpasste der Klub erneut die internationalen Plätze und installierte mit Rudy Garcia im Sommer 2008 einen neuen Übungsleiter. Dieser nahm eine Änderung des Systems vor: Florent Balmot oder Rio Mavuba sollten Cabaye im Verbund defensiv entlasten, sodass dieser die junge Flügelzange, bestehend aus Eden Hazard und Gervinho, mit Zuspielen bedienen konnte. In den ersten beiden Jahren unter Garcia gelang den Doggen trotzdem nicht die Rückkehr in Champions League. Der Spielmacher steigerte hingegen sein Niveau und erzielte in der Saison 2009/2010 herausragende 13 Saisontore.

Dies blieb auch dem neuen Frankreich-Coach Laurent Blanc nicht verborgen, der den Spieler mit seiner ersten Nominierung für die Nationalmannschaft belohnte. Nach der "Schande von Knysna" bei der Weltmeisterschaft 2010 benötigte die Equipe tricolore nämlich dringend frisches Blut. Der große Wurf für den LOSC sollte in der Spielzeit 2010/2011 kommen. Die Doggen sicherten sich das Double in Frankreich! Dies war die erste Meisterschaft für den Verein seit 1954.

Gestalter bei den Magpies

Nach diesem Erfolg suchte der exzellente Freistoß- und Elfmeterschütze in der Premier League eine neue Herausforderung. Newcastle United hatte dank dem Verkauf von Andy Carroll genügend Kleingeld und sicherte sich die Dienste des Mittelfeldspielers. Bei den Magpies wurde Cabaye auf Anhieb zu einem Leistungsträger und half dem Klub, neben Neuzugängen wie Demba Ba oder Papis Cisse, eine hervorragende Runde zu spielen, die auf dem fünften Rang beendet wurde.

Aufgrund dessen stand Newcastles Nummer vier vollkommen verdient im Kader der Franzosen für die EM 2012. Mike Ashley, der wegen seiner Personalpolitik äußerst unbeliebte Besitzer von NUFC, wollte nach der Qualifikation für die Europa League noch weiter hoch hinaus und traf euphorisiert fatale Entscheidungen. Er verlängerte den Vertrag mit Trainer Alan Pardew um sage und schreibe acht (!) Jahre und verstärkte den Klub vor der Saison 2012/2013 mit sechs (!) Franzosen.

Das Mannschaftsgefüge war durch die vielen Neuzugänge völlig durcheinander und das Team stürzte auf den 16. Platz ab. Wütend über einen verweigerten Wechsel, spielte der Franzose in der Vorrunde der folgenden Saison seinen bisher besten Fußball in England. In 19 Spielen traf der Standardspezialist sieben Mal und legte weitere drei Treffer auf.

Sieg im Old Trafford und der Wechsel

Darunter war auch der entscheidende Treffer zum 1:0 Auswärtssieg bei Manchester United. Der erste Erfolg im Old Trafford seit 1972. Die erneute Leistungssteigerung schien einen Abgang im Winter unumgänglich zu machen. Abermals kämpften die finanzstarken Topklubs um die Dienste des Regisseurs, was durch die Champions League-Abstinenz von Newcastle und der damit verbundenen Spielberechtigung für diesen Wettbewerb noch verstärkt wurde.

Das Interesse von Arsenal war jedoch abgeflacht, nachdem die Gunners zu diesem Zeitpunkt Tabellenführer waren. Ein schwächelndes Manchester United war zu diesem Zeitpunkt zudem weniger reizvoll. Daher ging der Zuschlag für 25 Millionen Ablöse an Paris St.-Germain, die sich seit Cabayes Abgang aus Lille dank Investoren zum französischen Branchenprimus aufgeschwungen hatten.

Europa lockt

Ibrahimovic, Champions League und ein fetter Vertrag. Cabaye schien in Paris all das vorzufinden, was ihm Newcastle nicht vollkommen erfüllen konnte. Alles irrelevant, wenn das wohl größte Problem für einen ambitionierten Spieler eintritt: Nichtberücksichtigung. Nach seiner Ankunft im Winter kam Cabaye auf insgesamt 22 Einsätze in allen Wettbewerben, wobei er schon damals hauptsächlich von der Bank kam. Immerhin feierte er mit PSG seine zweite Meisterschaft am Ende der Saison 2013/2014.

Bei der Weltmeisterschaft 2014 war der Mittelfeldspieler trotzdem gesetzt und startete in vier von fünf Spielen, ehe man im Viertelfinale gegen den späteren Weltmeister Deutschland ausschied. Dieses kleine Zwischenhoch verbesserte seine sportliche Situation in Paris jedoch nicht. In der abgelaufenen Runde wurden seine prozentualen Einsatzzeiten sogar noch geringer. Bei seinen 28 Einsätzen in der Liga stand der EM- und WM Teilnehmer lediglich 13 Mal in der Startformation. Darüber hinaus ließ ihn Trainer Laurent Blanc dabei nur ein einziges Mal durchspielen.

Neuanfang unter altem Coach

Kaum etwas ist schnelllebiger als der Fußball. Nachdem sich auf den Mittelfeldpositionen bei United, Arsenal und Co. einiges getan hatte, stand war das personifizierte Licht am Endes des Tunnels ein alter Bekannter. Alan Pardew ist mittlerweile Trainer von Crystal Palace und wollte seinen einstigen Regisseur zurück. Durch die TV-Verträge der Premier League besitzt auch ein Team wie Crystal Palace die Finanzkraft eines deutschen Champions League-Teilnehmers. So konnten sich die Eagles, zur Überraschung der englischen Medien- und Fanlandschaft, erlauben den Franzosen zu verpflichten.

Dass Cabaye die Zeichen erkannt und lieber eine schwierigere Aufgabe annimmt, als weiter die PSG-Bank zu besetzen, spricht für seinen Charakter und seine sportlichen Ambitionen. Schlussendlich könnte nach Crystal Palace immer noch ein Top-Klub warten. Vielleicht ist weniger ja doch mehr?

Yohan Cabaye im Steckbrief

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