Gegen den Widerstand

Von 90PLUS
Danny Ings steht neu im Kader des FC Liverpool
© getty

Danny Ings wurde als Neuzugang in Liverpool nicht allzu freudig empfangen. Die Reds-Fans stehen dem Youngster skeptisch gegenüber. Dabei hat der 22-Jährige seine Erstligatauglichkeit schon bewiesen - und steht mit beiden Beinen auf dem Boden.

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Das Saisonende 2014/2015 war für Fans des FC Liverpool zum Vergessen. Nachdem man in der vorherigen Saison nach Jahren der Europa League endlich wieder den Sprung in Englands Elite geschafft hatte, konnte man das Niveau (oder eher gesagt Luis Suarez) in abgelaufenen Saison nicht halten und sich nicht einmal erneut für die europäische Königsklasse qualifizieren, was zu Beginn der Saison noch als Minimalziel galt.

Darüber hinaus verlässt das Vereinsheiligtum Steven Gerrard die Reds in Richtung MLS. Der Abschied von der Anfield Road wurde ihm durch eine 1:3 Heimpleite gegen Crystal Palace am 37. Spieltag bereits mächtig versaut, am letzten Spieltag vollbrachte man allerdings noch das Kunststück dies noch weiter zu übertreffen, als Stoke City die Reds mit 6:1 vermöbelte, was gleichzeitig die höchste Liga-Pleite war, seitdem vier Pilzköpfe aus Liverpool auszogen, um die Musikwelt zu erobern.

"We said signings, not sign Ings"

Trainer Brendan Rodgers wackelte bedenklich, die mögliche Wunschlösung Jürgen Klopp legte jedoch lieber ein Sabbatjahr ein. Dazu verärgerte Jungstar Raheem Sterling durch seine Weigerung, seinen Vertrag zu verlängern, die Vereinsführung und die Fans. Als einziger Neuzugang stand der ablösefreie Wechsel von James Milner aus Manchester fest, welcher an der Anfield Road horrende 150.000 Pfund pro Woche verdienen wird. Als dann der zweite Wechsel eingetütet wurde, twitterte die Fanseite AnfieldHub: "We said signings, not sign Ings."

Brendan Rodgers im Page-2-Porträt

Jungstürmer Danny Ings von Absteiger Burnley FC war für viele Liverpool-Fans nicht die erhoffte (große) Lösung im Sturm, weshalb die Verkündung mit viel Ressentiment aus Fankreisen begleitet war. Die Reds hoffen aktuell noch, nur sieben bis acht Millionen für das begehrte, "ablösefreie" Sturmtalent aus der englischen U21-Nationalmannschaft überweisen zu müssen, doch Burnley hofft auf das Doppelte. Ein unabhängiges Tribunal wird entscheiden, wie viel Liverpool tatsächlich als Ausbildungsentschädigung berappen muss, denn Ings ist unter 23 Jahre alt.

Durchbruch in der sechsten Liga

Der Angreifer erblickte am 23. Juli 1992 in Winchester das Licht der Welt. Nachdem er als Schuljunge beim FC Southampton ausgemustert wurde, schloss er sich 2008 dem AFC Bournemouth an, da er dort erfolgreich an Lehrgängen teilgenommen hatte. Sein Profidebüt für Bournemouth feierte Ings am 6. Oktober 2009 gegen Northampton Town im Football League Trophy, dem Pokalwettbewerb der dritten und vierten englischen Liga. Die meiste Zeit der Saison verbrachte Ings dennoch im Youth Team des Klubs.

Im September 2010 wurde das Talent für einen Monat an das sechstklassige Dorchester Town ausgeliehen. Hier konnte Ings durch vier Treffer in neun Einsätzen zum ersten Mal auf sich aufmerksam machen, weshalb die Leihe mehrmals verlängert wurde. Aufgrund einer Verletztenmisere beendete Bournemouth die Leihe im November 2010 und verlängerte mit dem Eigengewächs bis 2012. Ings etablierte sich in der restlichen Saison mit sieben Ligatreffern im ersten Team. Bournemouth scheiterte jedoch in den Playoffs (trotz eines Ings-Treffers) an Huddersfield Town und musste weiter in der dritten Liga bleiben.

Wiedervereinigung mit Howe

Ings hatte mit seinem starken Premierenjahr natürlich Begehrlichkeiten geweckt und es war ausgeschlossen, dass das Talent noch ein weiteres Jahr in der Football League One spielen würde. Obwohl mit Celtic und Newcastle zwei Vereine aus den höchsten britischen Leistungsklassen Interesse zeigten, ging Ings im Sommer 2011 für etwa 1 Million Pfund zum FC Burnley, da er sich bei dem Zweitligisten mehr Einsätze im Profibereich erhoffte.

Ausschlaggebend war jedoch die Tatsache, dass Burnleys Trainerposten zu diesem Zeitpunkt von einem gewissen Eddie Howe besetzt wurde. Jener Howe hatte Ings bei Bournemouth zu seinem Profidebüt verholfen und war selbst erst im Januar 2011 vom AFC zu Burnley gewechselt.

Knieverletzungen stoppen Entwicklung

Am 15. August 2011 wurde der Wechsel offiziell bekannt gegeben und Ings unterschrieb für vier Jahre bei Burnley. Doch der Start lief wenig vielversprechend. Ings verletzte sich am Knie und debütierte deswegen erst im Februar 2012 am Turf Moor. Durch weitere Eingewöhnungsschwierigkeiten und dem höheren Niveau der Liga kam Ings meist als Option von der Bank auf 15 Einsätze, bei denen er drei Tore erzielen konnte.

Mit Jay Rodriguez blockierte ein weiteres Sturmtalent den Platz im Angriff. Am Saisonende schloss dieser sich allerdings dem FC Southampton an. Der Weg war frei für Ings, die Saison 2012/2013 sollte seinen großen Durchbruch bedeuten. Doch der Jungstürmer verletzte sich erneut in der Vorbereitung am Knie (dieses Mal an dem anderen) und war abermals zum Zuschauen verdammt.

Spieler des Jahres

Zwar dauerte die Verletzungspause dieses Mal nur zwei Monate, dennoch konnte sich Ings nicht signifikant steigern und kam bis zum Saisonende wieder nur auf drei Saisontore. Der endgültige Durchbruch fand in der Saison 2013/2014 statt. Die neu ernannte Nummer 10 knallte von Saisonbeginn an los und stand nach der Hinrunde bereits bei 13 Toren.

Der Lohn für diese Leistungsexplosion folgte im Oktober 2013 mit der ersten Nominierung für die englische U21-Nationalmannschaft. Burnleys Topstürmer konnte seine Form über die gesamte Runde halten und stand am Saisonende bei 22 Ligatreffern. Darüber hinaus schafften die Clarets unter Sean Dyche den Aufstieg in die Premier League. Mit der gewonnen Wahl zum Spieler des Jahres in der Championship rundete Ings seine Traumsaison ab.

Allein auf weiter Flur

Die folgende Spielzeit sollte für den Verein aber eine schwere werden: Der FC Burnley spielte im Gegensatz zu seinen Mitaufsteigern Leicester City und Queens Park Rangers in einer finanziell kleineren Liga. Während die Konkurrenz mit zweistelligen Millionen-Transfers ihren Kader verbesserte, kostete der teuerste Neuzugang der Weinroten weniger als vier Millionen Euro Ablöse. Daher ruhten die Hoffnungen der Fans am Turf Moor umso mehr auf ihrem englischen Angreifer.

Ings erfüllte mit elf Saisontreffern zwar die Erwartungen in seinem ersten PL-Jahr, allerdings folgte für Burnley am Ende der bittere Gang zurück in die Championship. Der Klub stand an über dreißig Spieltagen auf einem Abstiegsplatz und feierte lediglich sieben Siege. Das größte Manko des Aufsteigers war dabei die schlechte Offensive, welche nur 28 Mal erfolgreich war. Ings schulterte in seiner letzten Saison für Burnley den Angriff weitestgehend alleine und war mit seinen elf Toren und vier Vorlagen an über der Hälfte aller Treffer direkt beteiligt.

Liverpool bekommt den Zuschlag

Der Stürmer selbst hatte bereits im Oktober 2014 bekannt gegeben, dass er seinen bis 2015 laufenden Vertrag nicht verlängern werde. Nachdem Burnley im Winter sämtliche Gebote für seinen Toptorjäger ablehnte, stand dessen "ablösefreier" Abgang am Saisonende fest. Da Ings jedoch unter 23 Jahre alt ist, kann der Absteiger durch die bereits erwähnte Ausbildungsentschädigung aber mit einem Vielfachen der ursprünglichen Ablöse rechnen.

Das Rennen um seine Unterschrift lief am Ende auf ein Rennen zwischen dem aktuellen und ehemaligen Rekordmeister hinaus. Ings, der seit seiner Kindheit ein Fan des FC Liverpool ist, entschied sich dafür, seine Zelte an der Anfield Road aufzuschlagen und gegen die Offerte von Manchester United. Doch wegen welchen Qualitäten warb die englische Beletage um den 1,78m großen Stürmer, der nach der Saison mit England bei der U21-Europameisterschaft in der Vorrunde ausschied?

Vielseitiger Abstauber

Die größte Stärke von Danny Ings liegt in seinem Abschluss. Der 22-Jährige ist in der Lage vielseitig zu vollstrecken (drei Tore mit rechts, vier Tore mit links, vier Tore mit dem Kopf). Durch seine Antrittschnelligkeit und seine Dribbelstärke bringt er sich häufig in eine Schussposition, in welcher Ings in der Regel ansatzlos abschließt. Darin liegt aber auch ein Manko von ihm: Wegen seiner schnellen Abschlüsse gehen nur 43% seiner Versuche überhaupt erst auf das Tor. In diesem Bereich liegt bei Ings das größte Verbesserungspotential.

Im Strafraum selbst präsentierte sich der Angreifer bereits um einiges abgeklärter. Seinen Torriecher stellte er bei mehreren Abstaubern, nachdem Torhüter den Ball nur abprallen lassen konnten, unter Beweis. Dennoch wäre es falsch, Ings nur auf einen reinen Strafraumspieler zu reduzieren. Für einen Stürmer gewinnt der Engländer achtbare vier Prozent seiner Zweikämpfe. Der Wert könnte jedoch bedeutend besser sein, wenn Ings (auch bedingt durch seine Körpergröße) nicht nur 22 Prozent seiner Kopfballduelle gewinnen würde.

Bescheidenheit als Qualität

Außerdem ist das Passspiel des Youngsters verbesserungsbedürftig: Lediglich 71 Prozent der Pässe fanden einen Mitspieler. Liverpool bekommt somit einen interessanten, jungen Stürmer, der viele gute Anlagen bereits hat und dennoch Verbesserungspotential besitzt. Ings selbst ist Feuer und Flamme, an der Anfield Road loszulegen: "Worte können nicht beschreiben, wie glücklich ich über meinen Wechsel hierher bin", so der Juniorennationalspieler.

Dass er die Geschichte seines neuen, großen Arbeitgebers und seinen eigenen Status ganz gut einschätzen kann, beweist die Wahl seiner Rückennummer. Obwohl die Nummern 7, 8, 9 und 11 vakant waren, wählte Ings die Nummer 28, da er sich das Tragen einer solchen Nummer erst "verdienen" wolle. Einsätze in der sechsten Liga tragen eben auch zu einer gewissen Bescheidenheit bei.

Stürmer-Haifischbecken LFC

Ings landet nun bei dem englischen Spitzenverein, der in den letzten Jahren die meisten Stürmer verschlissen hat. Man denke nur an Andy Carroll, Iago Aspas oder David N'Gog. Nach heutigem Stand stehen Liverpool neben Ings für die Mittelstürmer-Position Daniel Sturridge, Mario Balotelli, Fabio Borini, Rickie Lambert und Divock Origi zur Verfügung. Auch Startransfer Roberto Firmino ist in der Lage, diese Position zu bekleiden. Zudem ist auch Christian Benteke witerhin ein Name, der des Öfteren an der Anfield Road zu hören ist. Auch wenn bei den oben genannten Spielern noch einige Streichkandidaten dabei sind, wird es schwer für Ings, auf seine Einsätze zu kommen.

Die Skepsis der Liverpool-Anhänger gegenüber Ings dürfte übrigens eher aus den gemachten Erfahrungen mit einigen Spielern von Premier-League-Klubs aus anderen Tabellenregionen (Stewart Downing oder Charlie Adam) resultieren, welche am Kop maßlos enttäuschten. Es liegt nun an dem Kämpfer Danny Ings, der sich von einem Sechsligisten bis zum fünfmaligen König Europas hochgearbeitet hat, diese Empirie nicht fortzusetzen. Wer weiß? Möglicherweise twittert AnfieldHub im kommenden Sommer: "We don't need signings, we have Ings."

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