Karsch erklärt auch, warum sie die lange Entscheidungsfindung des IOC für gut befindet. Allerdings betont die Bayerin, dass sie durch ihre Zusammenarbeit mit der Bundeswehr entspannter mit der Coronakrise umgehen kann als manche ihrer Kollegen.
Dieses Interview wurde erstmals am 31. März 2020 veröffentlicht.
Frau Karsch, was ging Ihnen als erstes durch den Kopf, als das IOC die Verschiebung der Olympischen Spiele in der vergangenen Woche beschloss?
Monika Karsch: Wir Athleten haben alle auf diese Entscheidung gewartet. Und sie war erwartbar, weil alternativlos. Es ist die beste Lösung. Trotzdem war es ein komisches Gefühl, als die Verschiebung dann feststand.
Einige Athleten und Athletinnen hätten sich eine frühere Entscheidung des IOC gewünscht. Wie haben Sie die vergangenen Wochen erlebt?
Karsch: Bis zum Wochenende habe ich noch ganz normal trainiert. Wir wussten ja auch nicht, ob das IOC die Spiele nur um zwei Monate verschiebt. Mental war es extrem schwer, weil du weißt, dass du nichts weißt. Mit vollem Elan zu trainieren, war schon schwierig.
Monika Karsch: "Ich fand die Handhabe des IOC sogar ganz gut"
Der deutsche Athletensprecher Max Hartung (Säbelfechten, Anm. d. Red.) erzählte gar von Schlafstörungen. Wie sind Sie mit der Hängepartie umgegangen?
Karsch: Bei uns war die internationale Olympiaqualifikation so gut wie durch. Ich hatte meinen Quotenplatz im letzten April schon geholt. Es stand zwar noch die interne Quali aus, aber das ist eine ganz andere Hausnummer. Diesen Quali-Druck einiger Kollegen zu spüren und nicht richtig trainieren zu können, stelle ich mir furchtbar vor. Das ist eine ganz schlimme Situation. Trotzdem sehe ich die vermeintlich späte Verschiebung nicht so kritisch wie andere Athleten. Ich fand die Handhabe sogar ganz gut.
Inwiefern war sie gut?
Karsch: Wenn das IOC vor acht Wochen etwas entschieden hätte, wären die Spiele womöglich in den Herbst verschoben worden, was nach heutigem Stand schon wieder unrealistisch erscheint. Es war richtig, so lange zu warten und mit mehr Wissen zu entscheiden.
Wie haben Sie die Kommunikation des IOC mit den Athletinnen und Athleten wahrgenommen?
Karsch: Zunächst war ich überhaupt nicht zufrieden, weil wir gar keine Infos erhielten. IOC-Präsident Thomas Bach wandte sich schließlich mit einer E-Mail an uns und es gab eine Telefonkonferenz des DOSB. Das war sehr informativ, man hatte nach diesem Gespräch viel Verständnis dafür, warum das so eine Hängepartie ist. Das war gut, aber überfällig. Andererseits ist die Kommunikation schwierig. Organisatorisch wird das eine riesige Herausforderung. Das nächste Jahr ist bereits voll mit Wettkämpfen, in allen Disziplinen. Dazu kommen infrastrukturelle Probleme. Die Wohnungen des Olympischen Dorfs sind ab Oktober verkauft. Da hängt unglaublich viel dran, deswegen hat die Entscheidung auch so lange gedauert. Die gute Nachricht ist, dass die Spiele nicht ausfallen, sondern verschoben werden.
Monika Karsch über die finanziellen Folgen der Verschiebung
Dennoch hat die Verschiebung teilweise drastische Folgen. Viele Olympia-Disziplinen, wie auch das Schießen, rücken nur alle vier Jahre in den Fokus. Welche finanziellen Probleme zieht die Verschiebung nach sich?
Karsch: Andere Athleten oder Teams, die hauptsächlich von Sponsoren abhängig sind, müssen natürlich jetzt ganz anders wirtschaften. Da fallen ja nicht nur Sponsorengelder, sondern auch Prämien weg. Davon bin ich glücklicherweise nicht so sehr betroffen.
Sie haben auch Sponsoren.
Karsch: Ich habe schon Sponsoren, aber leben könnte ich davon noch lange nicht. Meine Sponsoren helfen mir primär mit Wissen und Manpower. Das sind meine Munitionsfirma, mein Fitnessstudio, das RFZ, mein Physiotherapeut. Das sind meine wichtigsten Sponsoren. Finanzielle Unterstützung bekomme ich nur von wenigen Sponsoren. Damit steht oder fällt aber nichts. Was sonst kein großer Vorteil für mich ist, ist in der aktuellen Phase auch kein großer Nachteil.
Ihnen kommt zugute, dass Sie bei der Bundeswehr angestellt sind. Wie funktioniert diese Zusammenarbeit im Detail?
Karsch: Das stimmt. Ich bin Soldatin. Nach zwei Monaten Grundausbildung wurde ich in die Sportfördergruppe aufgenommen. Die offizielle Version ist, dass man 30 Prozent militärischen Dienst macht und 70 Prozent für seine Sportart freigestellt ist.
Und die inoffizielle Version?
Karsch: Viel vom militärischen Dienst ist durch die Bundeswehr-Lehrgänge schon abgedeckt. Ansonsten kann man sich wirklich auf den Sport konzentrieren. Der Trainingsplan, den der Bundestrainer erstellt, ist gleichzeitig mein Dienstplan. Ich habe super Bedingungen und werde bezahlt wie jeder andere Soldat. Ein kleiner Haken daran ist, dass man nur Einjahresverträge für die Sportfördergruppe bekommt. Je nach Leistungsentwicklung oder Verletzungspech wird dann um ein Jahr verlängert oder nicht. Es wird nicht nach Fleiß, sondern Erfolg abgerechnet.
Monika Karsch: Erfolge bei Europameisterschaften
Wettbewerb | Gold | Silber | Bronze |
EM Sportpistole Einzel | 2 | - | 1 |
EM Sportpistole Team | 2 | 1 | - |
EM Standard Mixed | 1 | - | - |
EM Luftpistole Einzel | 1 | 2 | - |
EM Luftpistole Team | - | 1 | - |
Monika Karsch über Vergleiche "mit dem Fußballgott"
Viele assoziieren mit der Bundeswehr in erster Linie eine Armee und Krieg. Wollten Sie schon immer zur Bundeswehr?
Karsch: Ich war zuvor Krankenschwester. Den Job mochte ich sehr, nur schafft man es nicht in den Spitzensport, wenn man im Schichtbetrieb 40 Stunden arbeiten muss. Würde man zehn Stunden arbeiten, ginge es vielleicht, nur kann man davon nicht leben. Deutschland fördert den Sport eben über die Bundeswehr. 45 Prozent der Medaillen in Rio wurden von Sportsoldaten gewonnen. Man kann von Spitzensportlern nicht erwarten, alles aus eigener Tasche zu bezahlen. Dann würde es keinen Spitzensport geben. Für meine Silbermedaille in Rio habe ich 15.000 Euro bekommen. Eine Olympische Medaille ist aber ein Lebenswerk. Das ist viel Geld, ja, aber lange kann man davon auch nicht leben.
Schnell schießen einem die Gehälter von Profifußballern in den Kopf.
Karsch: Wenn man sich ständig mit dem Fußballgott vergleicht, ist es schon traurig, aber damit muss man sich abfinden. Man muss diese Vergleiche auch gar nicht immer innerhalb des Sports ziehen. Wenn ich in einen beliebigen Beruf so viel Zeit und Liebe stecken, dem alles unterordnen würde, würde ich auch deutlich mehr Geld verdienen. Aber ich bin es nicht gewöhnt, auf großem Fuß zu leben. Das Finanzielle hat nie eine vordergründige Rolle gespielt, sondern der Spaß und das Können.
Schießen wird immer wieder belächelt und teilweise sogar als Sportart in Frage gestellt. Welche Reaktionen erleben Sie am häufigsten?
Karsch: Ich habe meine linke Hand immer in der Hosentasche. Das fällt den meisten immer als erstes auf. (lacht) Das sieht lässig aus. Aber die Hand in der Hosentasche dient einfach nur der Fixierung, sodass ich unnötige Bewegungen vermeide. Ich brauche mich als Athletin vor keiner anderen Sportart verstecken, aber ich kann eben nicht so tolle Bilder präsentieren.
Wie meinen Sie das?
Karsch: Da ist kein Blut, kein Schweiß, ich bin bei Interviews nach den Wettkämpfen nicht außer Atem. Den riesigen Aufwand dahinter sieht man nicht. Ich stehe ja "nur" da und muss die Waffe, die "nur" ein Kilo wiegt, hochheben.