Denn von Altersmüdigkeit ist bei Pechstein keine Spur, im Gegenteil: Die Erfolge der vergangenen Wochen haben ihr weiter Auftrieb gegeben. "Dieses Jahr ist viel Positives passiert, besonders außerhalb der Eisbahn", sagte Pechstein. Die Berlinerin hatte im jahrelangen Kampf um Rehabilitation im Januar große Erfolge erzielt.
Das Oberlandesgericht (OLG) München ließ ihre Schadenersatzklage gegen die ISU auf 4,4 Millionen Euro zu, dann folgte eine für Pechstein positive Einschätzung der DOSB-Expertenkommission bezüglich ihrer zweijährigen Sperre wegen erhöhter Blutwerte.
Offenbar auch davon beflügelt, lief Pechstein eine sehr starke WM. Sie nutzte ihre größte Medaillenchance und kam über 5000 m in 6:56,53 Minuten zum dritten Platz - als eine von nur drei Athletinnen blieb sie dabei unter der Sieben-Minuten-Marke. Schon über 3000 m (4:05,95 Minuten) hatte Pechstein einen starken Eindruck hinterlassen, am Ende fehlten nur vier Zehntelsekunden zu Bronze.
Gleiche Bilanz wie vor zwei Jahren
Auf der Langstrecke ist Pechstein noch immer die mit Abstand beste deutsche Athletin. Ihre Rivalin Stephanie Beckert (Erfurt), immerhin Vancouver-Olympiazweite über 5000 m und rund 16 Jahre jünger, war über die längste Damenstrecke 20 Sekunden langsamer als Pechstein. Dass es in der Teamverfolgung am Samstag (Platz sieben) auch eine herbe Enttäuschung gab und es im Massenstart am Ende nur der 18. Rang wurde, trübte Pechsteins positiven WM-Eindruck nicht.
Die Deutsche Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG) kam in Heerenveen auf die gleiche Bilanz wie bei der letzten Einzelstrecken-WM vor zwei Jahren. Im russischen Sotschi waren die deutschen Kufenflitzer auch zu zweimal Bronze gelaufen. Beide Medaillen gewann: Claudia Pechstein. Das Ergebnis von Heerenveen ist dennoch deutlich höher zu bewerten, denn die deutschen Athleten sind in der Breite inzwischen deutlich besser aufgestellt.
Patrick Beckert verdiente sich Bronze über 10.000 m redlich und zeigte dabei große Leidensfähigkeit, 2018 peilt der Erfurter das Olympia-Podest an. Auf den Sprintstrecken sind die DESG-Läufer auch nach dem Karriereende von Jenny Wolf keine Mitläufer - auch wenn die ganz großen Erfolge in Heerenveen ausblieben.
Ihle und Schwarz enttäuschen
Judith Hesse (Erfurt) verpasste als Sechste (500 m) und Achte (1000 m) zwar eine Medaille, kämpft wie bei ihrem Weltcupsieg am vergangenen Wochenende aber regelmäßig um das Podium mit. Bei den Männern enttäuschten Nico Ihle (Chemnitz) und Samuel Schwarz (Berlin) am Sonntag über 500 m mit den Plätzen 13 und 21, dennoch ist mit dem Duo angesichts der bisher starken Saisonleistungen im Weltcup in Zukunft weiter zu rechnen.
"Unter dem Strich war die WM eine Klasse besser als die Olympischen Spiele. Wir sind schon zufrieden, auch wenn wir ein paar Enttäuschungen hatten", sagte Chef-Bundestrainer Markus Eicher. Das Olympia-Debakel von Sotschi, als es erstmals keine Medaille für die deutschen Eisschnellläufer gab, scheinen diese verdaut zu haben. Die WM in Heerenveen war ein Schritt in die richtige Richtung.