Die leichte Trainingseinheit am Dienstagvormittag auf dem Eisoval von Heerenveen spulte Claudia Pechstein mit Routine ab. Tausende Runden ist die fünfmalige Olympiasiegerin in ihrer langen Karriere in der legendären Thialf-Eishalle bereits gelaufen, 37 Medaillen strich sie hier bei verschiedenen Wettkämpfen ein.
Am Donnerstag fällt für die Berlinerin beim 3000-m-Rennen der Einzelstrecken-WM erneut der Startschuss im niederländischen Eisschnelllauf-Mekka - und so gelassen wie vor dem Höhepunkt der Saison 2014/15 wirkte sie lange nicht mehr.
Das Blatt hat sich zu ihren Gunsten gewendet. "Neben meinem Weltcup-Erfolg von Seoul habe ich in dieser Saison meine schönsten Siege bereits geholt", sagte Pechstein.
Pechstein auch abseits des Eises erfolgreich
Gemeint waren die großen Erfolge, die die bald 43-Jährige im Januar im Kampf um ihre Rehabilitierung erreicht hatte. Erst ließ das Oberlandesgericht (OLG) München ihre Schadenersatzklage gegen die ISU auf 4,4 Millionen Euro zu, dann folgte eine für Pechstein positive Einschätzung der DOSB-Expertenkommission.
"Das waren zwei wichtige, sporthistorische Erfolge, die mir sehr viel bedeuten", sagte Pechstein, für die der juristische Marathon längst noch nicht beendet ist: "Das war meine Belohnung für einen mittlerweile sechs Jahre dauernden Kampf. Mehr konnte ich in dieser Saison nicht erreichen."
Pechstein war 2009 wegen erhöhter Blutwerte von der ISU für zwei Jahre gesperrt worden, ohne dass es einen Dopingbefund gegeben hatte. Pechstein argumentierte stets mit einer genetisch bedingten Blutanomalie und erhielt dabei Unterstützung von Experten.
Komplizierte Vorbereitung
Auch dass die Deutsche Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG) den von Pechstein besonders heftig kritisierten Sportdirektor Günter Schumacher im Dezember absetzte und den zweimaligen Bahnrad-Olympiasieger Robert Bartko (Berlin) ins Amt holte, kann als ein Erfolg für sie gewertet werden.
Die Folgen der Hängepartie im Verband spürt Pechstein nach eigenen Angaben aber noch heute. "In diesem Jahr war die Vorbereitung auf die WM so kompliziert wie selten zuvor.
Da wir im Sommer noch keinen neuen Sportdirektor und keine klare Linie hatten, mussten wir Sportler improvisieren und vieles selbst organisieren, inklusive Trainingslager", sagte sie. Auch angesichts der Triumphe abseits der Eisbahn sei es ihr schwer gefallen, "sich so vor der WM zu fokussieren, wie man es gewohnt ist".
Wofür es für Pechstein am Ende reicht, ist daher schwer einzuschätzen. Über 5000 m ist eine Medaille am wahrscheinlichsten, Gold wie beim Weltcup in Seoul sogar im Bereich des Möglichen. "Es ist zwar ein ganz großer Traum von mir, nochmals aufs Treppchen zu kommen, aber man muss realistisch bleiben", sagte Pechstein: "Eine Medaille als Ziel auszugeben wäre vermessen."