SPOX: Aktuell ist Ronnie O'Sullivan der total dominante Spieler. Wie lange wird das noch so sein?
Davis: Naja, es ist unglaublich hart, wirklich zu dominieren. Das Höchste der Gefühle ist es eigentlich schon, das Sieger-WC ein paarmal im Jahr benutzen zu dürfen. Wirklich zu dominieren ist unheimlich schwer. Deshalb hat Ronnie entschieden, dass es für ihn in Zukunft am meisten Sinn macht, sich seine Turniere genau auszuwählen und diese dann frisch und ausgeruht zu spielen und sie dann auch zu genießen. Das allein macht es schon sehr schwer, zu dominieren. Ding Junhui etwa hat in der vergangenen Saison gleich fünf Turniere gewonnen.
SPOX: Einverstanden. Dann so: Wie lange kann er noch ganz oben mitspielen?
Davis: Wenn man fragt, ob er in fünf Jahren noch Weltmeister werden kann - da wäre er ja schon in seinen Vierzigern - denke ich, die Antwort ist "Ja". Er hat die besten Chancen, der älteste Weltmeister zu werden. Heute gibt es wenige Spieler, die die großen Turniere gewinnen können, wenn sie die 40 geknackt haben, von der WM ganz zu schweigen. Ich glaube, dass Ronnie der erste Spieler sein wird, der auch mit 40 in der absoluten Weltspitze mithalten wird und nicht abfällt. Er hat also gute Chancen.
SPOX: Ronnie ist überall beliebt, in Deutschland wie in England. Braucht Snooker mehr schillernde Gestalten wie ihn - und damit vielleicht auch mehr Kontroversen und Showmen?
Davis: Man kann sich seine Charaktere nicht basteln. Aber die Tatsache, dass Ronnie O'Sullivan für so viele eine einzigartige Persönlichkeit ist, zeigt doch folgendes: Wenn alle Spieler wären wie Ronnie, wäre gleichzeitig niemand mehr etwas Besonderes. In meinen Augen wird Snooker nie mehr als zwei oder drei schillernde Persönlichkeiten haben, das ist der natürliche Lauf der Dinge. Wenn man es zum Beispiel mit Golf vergleicht: Dort gibt es auch ein paar schillernde Gestalten - und die Übrigen sind einfach großartige Golfer. Man sollte also nicht den Fehler machen, die Spieler irgendwie dazu zu bringen, sich als Persönlichkeit zu verbessern. Wie schon gesagt: Die deutschen Fans nehmen die Spieler so, wie sie sind und wissen sie zu schätzen, während man in Großbritannien sagt: Ach, der hat keine Persönlichkeit. Das sagt man hier nicht, hier heißt es: Er ist ein großartiger Spieler!
SPOX: In den 80ern hatte Snooker sensationelle Einschaltquoten in England. Da gab es das WM-Finale 1985 zwischen Ihnen und Dennis Taylor.
Davis: Ja, das haben 18,5 Millionen am Bildschirm verfolgt, glaube ich. Solche Zahlen wären heutzutage in Großbritannien unmöglich. Insgesamt haben wir heute aber trotzdem mehr Zuschauer als 1980, zum Beispiel wegen des Snookerbooms in China. Oder auch Eurosport: Die Quoten sollen im Vergleich zum Vorjahr um 50 Prozent gestiegen sein, in manchen Ländern sogar noch mehr. Das ist ein enormer Sprung, so etwas passiert normalerweise nicht. Snooker ist also eindeutig sehr beliebt. Die Tatsache, dass die Quoten in Großbritannien nicht mehr so hoch sind, ist also kein großes Problem, sondern nachvollziehbar.
SPOX: Dennoch: Sehen Sie eine Möglichkeit, die Quoten wieder zu steigern? Darts zum Beispiel hat einen riesigen Boom hingelegt - kann man sich da vielleicht etwas abschauen?
Davis: Nein, denn ich glaube nicht, dass mit dem Produkt Snooker etwas nicht stimmt. Es geht ihm einfach so wie allen anderen Fernsehsendungen, denn alle büßen Zuschauer ein. Alles ordnet sich neu: Mehr Kanäle - 1985 waren es drei -, es gibt das Internet, die Menschen sind mehr unterwegs, sind Sonntags mit ihrer Familie shoppen und schauen deshalb das Finale nicht an. Es gibt einfach mehr Möglichkeiten, seine Zeit zu verbringen, man ist nur noch eine Option unter vielen und wirbt um die Gunst der Menschen. Das Produkt ist gut, da sollte man nichts ändern. Und das beweisen die weltweiten Zahlen auch: Wenn Ding Junhui spielt, dann schauen in China 60 Millionen zu - und zwar mitten in der Nacht.
SPOX: Wäre dann die logische Folge, mehr und mehr Turniere im Ausland und vor allem in China zu spielen?
Davis: Schon jetzt sind 50 Prozent unserer Ranglistenturniere in China. Dann gibt es die PTC-Events, die kleinen Wochenend-Turniere. Zwei davon sind in Deutschland, dann Holland, Belgien, dieses Jahr auch in Lettland. Man geht dorthin, wo man gewollt wird und die Leute willens sind, ein Ranglistenturnier auszurichten. China ist natürlich ein riesiges Land, aber ich glaube nicht, dass wir jemals mehr als 50 Prozent unserer Events dort ausrichten werden. Das kann ich mir nicht vorstellen.
SPOX: Sie glauben also nicht, dass die World Championship eines Tages vom Crucible in Sheffield nach China auswandert? Das war ja schon einmal im Gespräch.
Davis: Es gab zu keiner Zeit ernsthafte Verhandlungen darüber. Es gab Spekulationen, über die berichtet und dann natürlich diskutiert worden ist. Aber es war zu keinem Zeitpunkt wirklich kurz davor, beim besten Willen nicht. Das wäre so, als würde man Wimbledon verlegen. Wenn man den Austragungsort verändert, dann wirft man so viel Geschichte und Tradition über Bord, da bräuchte es schon einen zwingenden Grund.
SPOX: Und der wäre?
Davis: Wenn uns die BBC den Stecker ziehen würde. Oder aber China eine irrsinnige Summe bietet. Aber die müsste schon jenseits von Gut und Böse sein, um sich von unserer Geschichte und Tradition zu lösen.
SPOX: Wie lange werden Sie noch spielen?
Davis: Ich bin ja heutzutage ohnehin eher eine Art Halbprofi. Das werde ich noch so lange machen, wie ich den Wettbewerb genieße und noch einigermaßen spielen kann. Die Hauptsache ist, dass es mir noch Spaß macht. Ich könnte meine Karriere morgen beenden, oder noch lange weitermachen - das wäre kein großer Unterschied. Es ist also mittlerweile eher eine Art Hobby.
SPOX: Letzte Frage: Seit 1988 sind sie "Member of the British Empire", quasi eine Vorstufe zum Ritterschlag. Ist das mit irgendwelchen Privilegien verbunden?
Davis (lacht): Nein, leider nicht. Und mit Sir müssen Sie mich auch nicht anreden.
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