Degenkolbs Triumph auf der legendären Via Roma war der insgesamt siebte Erfolg eines deutschen Fahrers im ersten der fünf sogenannten Radsport-Monumente des Jahres. Vor dem Wahl-Frankfurter hatten sich Rudi Altig (1968), Erik Zabel (2001, 2000, 1998, 1997) und Gerald Ciolek (2013) beim längsten klassischen Eintagesrennen in die Siegerliste eingetragen.
Degenkolb hatte seinen bisher größten Triumph im Vorjahr bei Gent-Wevelgem errungen, bei der Tour de France ist er noch ohne Tagessieg. Im Endspurt hatte Degenkolb das größte Stehvermögen und letztlich fast eine Radlänge Vorsprung, nachdem er nervenstark auf den richtigen Moment zum Antritt gewartet hatte. Im Ziel schlug er vor Freude die Hände vor das Gesicht.
In der entscheidenden Rennphase hatte Degenkolb Übersicht bewiesen. Ungefähr 40 km vor dem Ziel über den Capo Berta war das Tempo spürbar erhöht worden, und auf dem vom Regen rutschigen Asphalt mehrten sich die Stürze - in einen war der Rostocker Paul Voss (Bora-Argon 18) verwickelt.
"Ich brauche ein hartes Rennen"
Degenkolb fuhr stets in vorderer Position, während an der Cipressa bei ungefähr 20 verbleibenden Kilometern der Sieger von 2009, Mark Cavendish (Großbritannien/Etixx-Quick Step), bereits Probleme bekam. Pech hatte Ciolek, der in Abfahrt vom Poggio hinuter nach Sanremo stürzte.
Degenkolb hatte sich im Vorfeld selbstbewusst gegeben, auch die Aussicht auf eine mögliche Regenschlacht schreckte ihn nicht. Vor dem Start in Mailand wirkte er relaxt, fast so, als freue er sich über die kniffligen Bedingungen entlang der italienischen Riviera, die sich gegen Ende allerdings deutlich besserten.
"Ich brauche ein hartes Rennen, dann kann ich vor dem Sprint einige abhängen", hatte der Sanremo-Fünfte von 2012 bei der Einschreibung am Morgen gesagt. Im Vorjahr hatte nur ein Reifendefekt am Fuß des Poggio ein Top-Ergebnis des 26-Jährigen verhindert.
Starke Konkurrenz
Neben Degenkolb gab es eine Reihe von Sieganwärtern - mit dem Slowaken Peter Sagan, dem Schweizer Fabian Cancellara und Kristoff vorneweg. Der Norweger hatte den gebürtigen Geraer genauestens im Blick, der international noch immer ein wenig unterschätzt wurde. "Degenkolb ist nicht oft erwähnt worden, aber er ist gut in einem Rennen wie diesem", hatte Kristoff angemerkt.
Von Wetterkapriolen wie vor zwei Jahren bei Cioleks Triumph blieb das Peloton verschont. Zwar waren bis auf die Endphase die Verhältnisse einer "Primavera", einer "Fahrt in den Frühling", nicht wirklich angemessen, doch immerhin lagen die Temperaturen nicht nahe dem Gefrierpunkt und darunter wie 2013, als Eis und Schnee für eine Verkürzung sowie zwischenzeitlich sogar für eine Rennunterbrechung gesorgt hatten.
Gegen 10 Uhr am Vormittag hatten sich auf der Piazza Sempione im Herzen der lombardischen Metropole Mailand insgesamt elf deutsche Fahrer auf die knapp siebenstündige Tortur in Richtung der Blumenstadt Sanremo begeben.
In der Spitzengruppe vertreten war durch den Tschechen Jan Barta der deutsche Zweitklassist Bora-Argon 18, vormals Team NetApp, der im Sommer zum zweiten Mal die Tour de France bestreiten darf. Doch wie so oft war für die Ausreißer nur eine Nebenrolle vorgesehen.