Gellende Pfiffe hallen durch die MGM Grand Garden Arena, vereinzelt sind gar noch immer die wiederkehrenden "Manny! Manny!"-Rufe zu hören. Während Manny Pacquiao, dessen Lachen einem emotionslosen Blick gewichen ist, umringt von seinem Team in der eigenen Ecke steht, ist es jedoch Floyd Mayweather, der bereits seit einiger Zeit auf den Seilen steht.
Das Schauspiel im Ring will zwar nicht so recht zur Geräuschkulisse passen, dennoch steht es sinnbildlich für die vorangegangenen zwölf Runden.
Für Mayweather, der sich mehr oder weniger in seinem Wohnzimmer befindet, sind die negativen Reaktionen ein ungewohntes Gefühl. Immer wieder lässt er seinen Blick schweifen, scheint geradezu mit einzelnen Zuschauern zu diskutieren.
Es scheint eine halbe Ewigkeit zu vergehen, ehe Jimmy Lennon Jr. im Scheinwerferlicht das offizielle Urteil der Punktrichter verliest. Danach ist er zurück, der selbstwusste, polarisierende Mayweather, der das Publikum nicht nur an diesem Abend in Las Vegas spaltet.
Alles oder nichts
Knapp eine Stunde zuvor war das Auftreten des vermeintlichen Favoriten aus den USA noch ein gänzlich anderes. Nachdem Pacquiao zusammen mit seinem Trainer Freddie Roach kurz vor dem Einzug in die Arena noch ein Selfie schoss und anschließend mit einem breiten Grinsen unter lauten Sprechchören den Innenraum betrat, wirkte sein Gegenüber auffällig verhalten.
Entgegen seiner Gewohnheiten verzichtete Mayweather auf die für ihn sonst übliche Entourage, auch Showeinlagen suchte man beim 38-Jährigen diesmal vergebens. Stattdessen bahnte er sich mit ernster Miene den Weg zum Ring. Vielen Fans dürfte wohl erst zu diesem Zeitpunkt der enorme Druck, der auf Mayweather lastete, aufgefallen sein. "Noch nie wollte ich einen Kampf so sehr gewinnen wie dieses Mal", sagte er selbst im Vorfeld. Es war mehr als nur eine hohle Phrase.
Er stand unter einem Druck, der weder mit den Erwartungen an ein Spektakel, das dem Titel "Kampf des Jahrhunderts" gerecht werden würde, noch mit dem Wohlwollen der Zuschauer zu tun hatte. Für Mayweather standen deutlich größere Dimensionen auf dem Spiel: Es ging um seine Karriere, seine Legitimation, sein Vermächtnis.
Getrieben vom Schatten?
"Ich glaube, Mayweather wurde in den Kampf getrieben. Er wollte den Fight gar nicht. Ich spüre, er fühlt sich nicht wohl damit", hatte Roach auf einer Pressekonferenz ein paar Tage zuvor verlauten lassen. Zunächst als psychologische Kriegsführung abgetan, schienen die Worte auf einmal eine ganz neue Gewichtung zu bekommen. Mayweather wirkte in der Tat verunsichert, gleichzeitig aber auch extrem konzentriert.
Wie viele Fans, Experten und Legenden, die sich mit ihren Einschätzungen zum Ausgang des Aufeinandertreffens nicht einig waren, schien sich diesmal auch Mayweather seiner Sache alles andere als sicher. Umso beeindruckender ist deshalb die Leistung zu bewerten, die er in den folgenden zwölf Runden folgen ließ. Mitfiebern ist beim US-Amerikaner generell nahezu unmöglich, Kalkulation in seinem Auftreten, das oft kalt und emotionslos wirkt, ein wichtiger Aspekt.
Zwar mag der Stil des weiterhin ungeschlagenen Weltmeisters, der seine Bilanz auf 48 Siege bei keiner einzigen Niederlage ausbauen konnte, für einen Laien nicht der ansehnlichste oder unterhaltsamste sein, dennoch verlangt er nach Anerkennungen. Gegen einen mit zunehmender Dauer ratlos wirkenden Pacquiao zeigte Mayweather eine für ihn typische Darbietung, die auf einer atemberaubenden Defensivleistung basierte. Effektivität und Präzision waren dabei erneut seine obersten Maxime.
Mayweather vs. Pacquiao: Die SPOX-Analyse zum Duell
Bremste eine Verletzung den Pacman?
Inwiefern eine Schulterverletzung, die Pacquiao und dessen Team im Anschluss an den Kampf auf der Pressekonferenz einräumten, Einfluss auf das Ergebnis hatte, lässt sich nicht nachvollziehen. Dennoch könnte sie natürlich einer der Gründe für die etwas verhaltene Vorstellung des Filipinos gewesen sein.
Laut Bob Arum habe sich sein Schützling bereits im März eine Blessur an der rechten Schulter zugezogen, welche der von Kobe Bryant ähneln soll. Ein Grund, warum Pacquiao auch den gleichen Arzt wie der Superstar der Los Angeles Lakers konsultiert habe, so Arum weiter. Zudem sei ihm eine entzündungshemmende Spritze vor dem Kampf von den Offiziellen verwehrt worden.
"Am heutigen Abend wurden Entscheidungen getroffen, die den Ausgang des Kampfes beeinflusst haben", fasste Arum deshalb zusammen. "So ist das Spiel", fügte Pacquiao hinzu: "Ich will keine Ausrede suchen oder mich herausreden, aber es ist hart auf diesem Niveau mit einer Hand zu kämpfen." Dennoch sei eine Absage nicht in Frage gekommen.
"Eine Woche vor dem Kampf ging es der Schulter besser und besser", so Pacquiao, der jedoch ab der dritten Runde wieder Probleme verspürt habe, weiter: "Wegen meiner Schulter konnten wir nicht so kämpfen, wie wir das ursprünglich wollten." Als alleinige Ursache für die Art und Weise, wie Pacquiao letztlich ausgeboxt wurde, kann sie nicht dienen.
Keine Ausreden
Entsprechend wenig Verständnis zeigte Mayweather: "Wenn er gewonnen hätte, dann hätte ich ihm gratuliert und gesagt: 'Er verdient meinen Respekt, er war der bessere Mann'", so der US-Amerikaner. Dann legte er in gewohnter Manier nach: "Meine beiden Arme waren verletzt, meine Hände ebenfalls. Aber dennoch habe ich einen Weg gefunden, um zu gewinnen."
Abgesehen von einer möglichen Verletzung hätte Pacquiao allerdings auch ohne Probleme nicht so offensiv kämpfen können, wie es in seiner Vergangenheit der Fall war. Vor allem nach der Knockout-Niederlage gegen Juan Manuel Marquez sollte allen Beteiligten klar gewesen sein, dass er aufgrund der defensiven Fähigkeiten Mayweathers und dessen präzisen Konterschlägen keine bedingungslose Offensive an den Tag legen konnte.
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