Nachdem sich "Box-Opa" Bernard Hopkins zum ältesten Weltmeister der Geschichte gekürt hatte, plagte ihn auch das schlechte Gewissen nicht mehr. Seiner todkranken Mutter Shirley hatte der Amerikaner einst an deren Sterbebett versprochen, spätestens im Alter von 41 Jahren nicht mehr in den Ring zu steigen.
"Sie wird mir jetzt sicherlich verzeihen. Auch wenn ich mein Versprechen gebrochen habe, habe ich das Gefühl, dass sie mich da oben im Himmel immer noch liebt", sagte Hopkins.
Foreman: "Bernard ist ein Phänomen"
Nur weil er den letzten Wunsch seiner Mutter nicht erfüllt hat, konnte Hopkins im kanadischen Montreal Boxgeschichte schreiben. Durch den einstimmigen Punktsieg gegen Lokalmatador Jean Pascal wurde der Halbschwergewichtler mit 46 Jahren, 4 Monaten und 6 Tagen zum ältesten Weltmeister, den es je gegeben hat. Und "Henker" Hopkins will noch lange nicht in Rente gehen: "Ich möchte mindestens bis 50 weiterboxen."
Der bisherige Rekordmann George Foreman hat daran keine Zweifel. "Lang lebe der König", schrieb die Box-Legende voller Ehrfurcht in einer SMS an Hopkins' Manager Richard Schaefer.
Foreman war "erst" 45, als er am 5. November 1994 seinen Landsmann Michael Moorer durch K.o. bezwang. "Bernard ist ein Phänomen, mehr als ich es war", sagte der frühere Schwergewichts-Champion.
Herausragende Fitness als große Stärke
In der Tat hat Hopkins rein gar nichts mit dem "Altherren-Boxen" früherer Tage von Foreman und anderen alternden Box-Profis, die einfach nicht aufhören konnten, zu tun. So unglaublich es klingt, aber gerade die herausragende Fitness ist eine der größten Stärken von "B-Hop".
Im Revanche-Fight gegen den entthronten WBC-Champion Pascal, der im vergangenen Dezember in Atlantic City nach einem umstrittenen Urteil noch mit einem Remis davongekommen war, waren die 18 Jahre Altersunterschied zwischen den Sportlern nicht zu erkennen.
Die amerikanische Box-Bibel "The Ring Magazine" schrieb von "einer der größten Leistungen der Box-Geschichte" und schwärmte: "Hopkins schenkte uns eine Nacht, die wir nicht vergessen werden."
Kein Alkohol, keine Partys
Warum aber konnte es Hopkins auch physisch mit einem Gegner aufnehmen, der vom Alter her sein Sohn sein könnte? Der Linksausleger, der im Mittelgewicht als erster Boxer die WM-Gürtel der vier großen Verbände IBF, WBC, WBA und WBO vereint hatte, verlässt sich nicht nur auf seine guten Gene.
Er trainiert jeden Tag wie ein Besessener, achtet sehr auf eine gesunde Ernährung und verzichtet fast völlig auf Alkohol und Partys.
Den starken Willen, den man für so einen spartanischen Lebenstil braucht, hat er sich im Gefängnis angeeignet. Wegen eines bewaffneten Raubüberfalls saß Hopkins als Jugendlicher fünf Jahre hinter Gittern.
"Süße Rache" nach 17 Jahren
"Der Knast war für mich die Schule meines Lebens. Dort lernte ich Demut, dort lernte ich, was es heißt, sich zu disziplinieren", erklärte Hopkins.
Disziplin und Hartnäckigkeit zeichnen den 1,85 m großen Athleten aus. Nachdem er 1993 seinen ersten WM-Kampf gegen Roy Jones junior verloren hatte, wartete er 17 Jahre auf die Revanche gegen seinen Landsmann. Hopkins gewann nach Punkten und sprach hinterher von einer "süßen Rache".
Jetzt trägt er sogar den WM-Gürtel des Weltverbandes WBC und darf sich dank des gestiegenen Marktwertes auf einen warmen Geldregen freuen. Drei weitere Fights sind dem Routinier vertraglich sicher, der nächste Gegner ist wahrscheinlich Ex-Weltmeister Chad Dawson.