Deutschland ist gegen Spanien der Favorit
Alex Vogel: Ja. Deutschland hat über das Turnier den besseren Basketball gespielt, Deutschland ist in der Spitze besser besetzt und hat für mich auch die bessere Achter-Rotation. Die Deutschen sind gut aufgestellt, um das Pick'n'Roll mit Lorenzo Brown und Willy Hernángomez zu verteidigen, haben die Physis, um unterm Korb dagegenzuhalten und in Nick Weiler-Babb oder Franz Wagner passende Verteidiger für Brown, der eher über seine Physis kommt als über den Speed. Trotzdem habe ich ein mulmiges Bauchgefühl. Die Spanier sind unheimlich erfahren, abgezockt, taktisch sehr versiert, gerade defensiv. Ich bin mir sehr sicher, dass wir auch mal die Zone sehen werden, und bin gespannt, wie Deutschland darauf reagiert. Es ist ja auch eine Herausforderung, mit dieser Favoritenrolle umzugehen. Wenn Deutschland sein Level von diesem Turnier bestätigen kann, wird man ins Finale einziehen. Es würde mich aber auch nicht wundern, wenn es die Spanier machen.
Ole Frerks: Das geht mir ähnlich wie dir, Alex. Spanien hat mich phasenweise nicht überzeugt, vor allem gegen Litauen, aber auch gegen Finnland. Und trotzdem hat dieses Team ein absurdes kollektives Gespür für große Momente und auch die Erfahrung, obwohl die meisten Legenden ja nicht mehr dabei sind. Ein Rudy Fernández hat mehr große Spiele gewonnen als alle Spieler im deutschen Team zusammen, auch die Crunchtime gegen Finnland trug komplett seine Handschrift. Sergio Scariolo ist dazu ein exzellenter, kreativer Coach, der aus einem weitaus weniger talentierten Team als in früheren Jahren das Maximum rausholt ... zur Frage: Deutschland geht als Favorit ins Spiel, haarscharf. Aber vorher gezeigte Leistungen sind im K.o.-Modus einfach irrelevant.
Florian Regelmann: Niemals. Deutschland gegen Spanien als Favorit zu bezeichnen, das erfüllt für mich schon den Tatbestand der groben Respektlosigkeit. Spanien steht jetzt zum 11. (!) Mal in Folge bei einer EM im Halbfinale. Ja, die Spanier sind im Umbruch, ja, das sah jetzt auch nicht immer überzeugend aus, aber es ist immer noch Spanien. Mit dem besten Trainer im Turnier und einer unglaublich fiesen Mannschaft, die eben genau das ist: eine Mannschaft. Das heißt nicht, dass ich nicht wie jeder andere auch vom DBB-Team begeistert bin. Ich traue ihnen alles zu, weil die Faktoren Heim-EM, Flow und Stimmung so unfassbar groß sind. Das Griechenland-Spiel hat sich angefühlt wie die deutschen Erfolge zuletzt bei den European Championships in München - da passieren Dinge, die nicht zu erklären sind, die nur im Rausch möglich sind. Aber jetzt kommt nach dem für viele besten Spiel ihres Lebens das schwierigste Spiel ihres Lebens. Das wird brutal kompliziert.
Felix Götz: Gott bewahre, ich hoffe nicht, dass die DBB-Auswahl der Favorit ist. Denn wenn diese verrückte EM irgendetwas gezeigt hat, dann ja wohl, dass der Favorit schon so gut wie ausgeschieden ist. Aber ernsthaft: Für mich ist das eigentlich ein 50:50-Spiel mit minimaler Tendenz in Richtung Deutschland. Aber eben nur auf dem Papier. Und wie hat es Polens A.J. Slaughter nach dem Sieg gegen Slowenien so schön formuliert: "Das Spiel wird nicht auf dem Papier gespielt!" Ich erwarte einen Thriller, das Herz wird Saltos schlagen. Die Spanier sind eine unangenehme Truppe und in der Lage, dem Spiel ihr eher etwas auf Kontrolle ausgelegtes Tempo aufzuzwingen. Trotz des Umbruchs verfügt die Mannschaft immer noch über viel Physis, Erfahrung und Abgezocktheit. Sie sind breit aufgestellt, damit schwer auszurechnen und haben mit Coach Scariolo einen alten Fuchs an der Seitenlinie stehen.