SPOX: Schröder wurde nun zu OKC getradet, wo er wohl nicht mehr starten wird, dafür aber ungleich höhere Erfolgsaussichten hat. Denken Sie, das war ein guter Move für ihn?
Rödl: Das ist am Anfang immer schwer zu beurteilen. Es haben sich sicherlich alle Beteiligten etwas dabei gedacht und sich erhofft, die eigene Situation zu verbessern, auch er hat ja offen geäußert, dass er eine andere Situation wollte als im letzten Jahr. Jetzt ist er wieder bei einem Team, das sehr viele Spiele gewinnen kann. Ich denke auch, dass er und Russell Westbrook durchaus gleichzeitig spielen können, aber das wird sich zeigen, ich habe auch noch nicht mit den dortigen Verantwortlichen gesprochen. Mit Sicherheit hat dieses Team aber viel mehr Talent als die Hawks im letzten Jahr, das sind ja Welten. Und natürlich willst du als Basketballer vor allem Spiele gewinnen. Daher hat die Situation das Potenzial, ihm viel Spaß zu machen.
SPOX: Eine weitere Säule des jungen DBB-Teams ist Daniel Theis. Hat es Sie überrascht, wie gut er sich in seinem ersten Jahr in Boston zurechtgefunden hat?
Rödl: Ja und nein. Ich halte von Daniel extrem viel und er ging ja nicht als Rookie rüber, also nicht als ganz junger Spieler, der sich als Profi erst zurechtfinden musste. Er hatte in Europa in den letzten Jahren schon unheimlich starke Leistungen gezeigt und war auch in der Nationalmannschaft einer der besten Spieler. Trotzdem war es nicht selbstverständlich, dass er bei einem so guten Team wie Boston gleich die Möglichkeit bekommt, diese Fähigkeiten auch zu zeigen. Und ich glaube, dass im zweiten Jahr sogar noch einiges mehr von ihm kommen wird. Daniel hat diese Qualität.
SPOX: Bei den Lakers spielen kommende Saison mit Isaac Bonga und Moritz Wagner gleich zwei neue Deutsche, die auf völlig unterschiedlichen Wegen in die NBA gekommen sind. Wie sehen Sie die Situation der beiden?
Rödl: Es ist sicher Teil des Plans, dass Isaac viel in der G-League spielen wird, aber wie das genau aussehen wird, weiß ich nicht. Bei den Lakers ist ja so viel los, da ist Isaac jetzt wohl nicht die Person, um die sie sich am meisten kümmern werden. Die Lakers sind natürlich trotzdem eine tolle Organisation und man kann beiden daher nur gratulieren. Moritz war nach seiner Verletzung in der Summer League etwas angeschlagen, aber ihm traue ich absolut zu, dass er auch bei den Lakers Spielzeit bekommt, weil er nach seiner Zeit an einem Top-College in Michigan schon ziemlich gut entwickelt ist. Den größten Druck muss er sich trotzdem nicht machen, auch er ist ja noch sehr jung und hat noch viel Zeit in seiner Karriere. Neben LeBron James lernen beide jetzt auf jeden Fall das Rampenlicht der NBA sehr schnell und extrem kennen.
SPOX: Isaiah Hartenstein wiederum hat die G-League schon hinter sich und wurde jetzt "befördert". Glauben Sie, dass er den Rockets direkt helfen kann?
Rödl: Nach allem, was er selbst sagt und was von den Rockets kommuniziert wird, sieht es definitiv danach aus, dass sie sich einiges von ihm erhoffen. Allerdings ist es in Houston ähnlich wie in L.A., vielleicht sogar noch extremer: Das ist ein sehr gutes Team, ein Meisterschaftsanwärter. Wie viel ein junger Spieler da auf den Platz darf, muss man abwarten. Allerdings hat Isaiah das Talent und sie werden ihm bestimmt einige Möglichkeiten geben. Und dann ist es in einem Team mit solchen Passern wie Chris Paul und James Harden natürlich angenehm - eigentlich musst du nur die Hand hochhalten, der Ball wird schon kommen. (lacht) Auch bei ihm gibt es aber keinen Druck, erstmal ist es wichtig, den nächsten Level kennenzulernen. Moritz wird von den Dreien im ersten Jahr wohl die meisten Minuten sehen, aber alle sind noch blutjung und daher sollten wir auch nicht zu ungeduldig sein, sondern ihnen einfach die Daumen drücken.
SPOX: Dadurch, dass jetzt so viele NBA-Spieler dabei sind, stehen Ihnen teilweise für die Länderspiele längst nicht alle Spieler zur Verfügung. Inwieweit macht das Ihren Job schwerer, inwieweit ist es aber vielleicht auch eine Chance?
Rödl: Jeder hätte natürlich immer gerne zu jeder Zeit seine besten Spieler zur Verfügung. Gleichzeitig vergrößert das aktuelle System automatisch unseren Talentpool und wir haben, wenn wir uns qualifizieren, beim nächsten Turnier umso mehr Spieler zur Verfügung, die uns und unser System kennen. Das kann ein riesiger Vorteil sein, zumal man ja immer Ausfälle hat. Bisher hat das bei uns gut funktioniert, weil alle, die eine Chance bekommen haben, diese mit großer Leidenschaft und Begeisterung zu ergreifen versuchten. Es gibt aber auch Länder, die nicht so eine stabile Basis haben wie wir im Moment, und diese leiden sicherlich unter dem neuen Kalender.
SPOX: Wo sehen Sie Deutschland als Basketball-Standort aktuell und in einigen Jahren, verglichen mit den traditionellen Top-Teams Europas wie Spanien, Frankreich oder dem ehemaligen Jugoslawien?
Rödl: Die BBL hat sich extrem entwickelt. Einerseits haben die eigenen Strukturänderungen viel bewegt, andererseits spielt auch die wirtschaftliche Lage im Vergleich zu vielen anderen Nationen eine Rolle. Bei uns steht alles finanziell auf soliden Beinen und bisweilen profitiert man davon, dass es anderswo nicht so ist. Das soll die eigenen guten Leistungen aber nicht schmälern. Die Top-Teams bei uns haben sich den internationalen Top-Teams qualitativ angenähert und wenn man diesen Weg so weitergeht, kann man sich in der Spitzengruppe sicherlich auch festsetzen. Wichtig ist, dass dabei nicht vergessen wird, die Jugend weiter und vielleicht sogar noch stärker zu fördern, damit es auch an dieser Stelle kontinuierlich weiter nach oben geht. Da sollte man jetzt nicht auf einmal anfangen, 6+6 in Frage zu stellen. Es ist sehr wichtig, dass die jungen deutschen Spieler in den Vereinen weiter Chancen bekommen. Wenn man diese Regel anfasst, dann hoffentlich nur, um sie zu erweitern und nicht um sie einzuschränken.
SPOX: Denken Sie, dass es in den kommenden Jahren so weitergehen wird mit der deutschen Welle in der NBA?
Rödl: Ich gehe eigentlich davon aus, dass es eher mehr werden wird. Das Team, das wir letztes Jahr bei der Europameisterschaft hatten, war eins der jüngsten im ganzen Turnier. Wir haben in diesem Sommer mit der U20 Bronze geholt, obwohl einige Spieler verletzt fehlten, die erste Medaille seit vielen Jahren. Da sind in allen Jugendbereichen Spieler dabei, die von vielen Scouts Aufmerksamkeit bekommen.
SPOX: Sie waren Teil der letzten und bisher einzigen goldenen Generation des deutschen Basketballs. Kann diese Generation vielleicht die nächste sein?
Rödl: Ich glaube, wir haben das Potenzial dafür. Ob wir aber dort hinkommen, kann ich noch nicht sagen. Das war 1993 schon eine ganz besondere Sache, bei der auch sehr viel zusammenkam. Aber es kann so viel passieren - warum nicht auch das? Auch die Generation um Dirk war ja durchaus nah dran. Das waren zwei sehr große Sprünge, die wir schon hatten - und jetzt sollte der nächste auch demnächst stattfinden.