Außerdem sprach Pesic mit SPOX über eine mögliche Rückkehr von Paul Zipser, den Kader für die kommende Saison und das große Potenzial der deutschen Nationalmannschaft.
SPOX: Herr Pesic, die erste Frage liegt gerade auf der Hand: Wie weit sind die Gespräche mit Paul Zipser?
Marko Pesic: Da gibt es keinen neuen Stand, außer dass wir reden. Aber das tun wir immer, auch in den letzten beiden Jahren. Paul will jetzt erstmal komplett gesund werden und dann sieht er weiter. Er hat den NBA-Traum immer noch im Hinterkopf und da die letzte Saison nicht gut verlief, hofft er auf einen weiteren Versuch in einer anderen Situation, so ähnlich wie übrigens auch Jared Cunningham, bevor Sie fragen. Beide wollen immer noch in die NBA, deswegen haben wir den Kader ohne sie zusammengestellt.
SPOX: Platz für beide wäre aber noch im Kader.
Pesic: Das werden die kommenden Wochen zeigen. Trainer und Sportdirektor wollen sich in der Vorbereitung anschauen, wie die Mannschaft zusammenpasst, und mir dann irgendwann entweder sagen, ob sie noch Bedarf sehen oder nicht. Momentan sind sie ziemlich entspannt und zufrieden mit der Qualität des Kaders, deswegen kann ich noch nicht absehen, wie es in ein, zwei Wochen aussieht.
Bayern-Geschäftsführer Marko Pesic über Paul Zipser
SPOX: Hat es Sie überrascht, dass die vergangene Saison für Zipser so viel schlechter verlief als die erste?
Pesic: Rückblickend betrachtet nicht, weil er über mehrere Monate mit einer Fußverletzung gespielt hat, die ihn sehr eingeschränkt hat. Sicher war die Erwartungshaltung auch eine andere, aber ich glaube, dass die Verletzung eine Schlüsselrolle gespielt hat. Dazu waren allerdings auch die Umstände anders als in seinem Rookie-Jahr, weil die Bulls getankt haben. Diese Situation kannte er so nicht und sie war sicher nicht ideal für ihn, das hat er ja auch im Nachhinein selbst betont.
SPOX: Trotzdem ist der NBA-Reiz weiter so groß, dass er unbedingt dortbleiben will. Ist es Ihrer Meinung nach problematisch, wie der NBA-Wunsch alles andere in den Schatten stellt?
Pesic: Wir erleben mit dem europäischen Basketball gerade grundsätzlich eine Problematik, die es so noch nie gegeben hat. Alle reden von der NBA, aber man stelle sich mal vor, dass in China die erlaubte Ausländer-Anzahl von zwei auf vier angehoben wird. Das hätte massiven Einfluss auf die EuroLeague. Außerdem ist die Entscheidung der FIBA katastrophal, dass jetzt mitten in der Vorbereitung Länderspiele stattfinden und Vereine für zwei Wochen ihre Spieler abstellen sollen. Wir können viel über die NBA reden, aber es gibt meiner Meinung nach viel größere Probleme. Das allerwichtigste Thema ist ein gemeinsamer europäischer Kalender. Das ist die Voraussetzung für jeden Schritt, jede Entwicklung, die wir machen können und wollen.
SPOX: Sehen Sie das denn irgendwann passieren? Es wirkt nicht unbedingt so, als würden die verfeindeten Seiten da miteinander kooperieren.
Pesic: Ich glaube, dass momentan gar nicht miteinander geredet wird. Und das ist nach wie vor ein riesiges Problem, das über allem steht. Wir sind jetzt hier im Garda Trentino in der Vorbereitung und versuchen Spieler für 80 oder 90 Spiele in der nächsten Saison vorzubereiten - und nach zehn Tagen verordnet die FIBA, dass wir Spieler abstellen und diese mehrere Spiele auf Wettkampf-Niveau absolvieren müssen! Welcher Anti-Sportler ist auf diese Idee gekommen? Und dann heißt es: "Wir müssen auf die Spieler achten." Keiner tut das. Und das Argument, dass es bei Europameisterschaften ja genau so ist, zieht einfach nicht: Da kommen die Spieler früher zur Nationalmannschaft und werden über einige Wochen auf das Turnier vorbereitet. Das ist völlig anders. Wie willst du den europäischen Basketball voranbringen, wenn du mitten in der Vorbereitung die Spieler abkommandierst? Ich bin ja nach wie vor ein großer Fan von den Länderspielfenstern und glaube, dass sie der Nationalmannschaft guttun können. Aber dabei müsste man auch den Vereinen irgendwie entgegenkommen.
Marko Pesic über Spieler-Abstellungen: "Nur die NBA leidet nicht"
SPOX: Die Fenster während der Saison kollidieren beispielsweise mit den EuroLeague-Terminen.
Pesic: Richtig. Und da mache ich es mir einfach: Ich treffe immer die Entscheidung, die für den FC Bayern die beste ist. Wir werden sehen, ob es Möglichkeiten gibt, den einen oder anderen Spieler freizustellen. Robin Amaize kann ich vielleicht für drei Spiele im November freistellen. Aber dann kommt der finnische Verband und wirft mir Wettbewerbsverzerrung vor, weil wir Petteri Koponen nicht abgeben. Die Serben fragen, warum Vladimir Lucic nicht darf. Deswegen: Auch wenn ich wollte, könnte ich es nicht. Dann müsste ich die halbe Mannschaft abstellen. Und das kann ich aus Vereinsperspektive nicht machen.
SPOX: Was ich nicht ganz verstehe: Sie sprechen das offen an, viele andere Funktionäre auch, die Spieler sowieso. Niemand ist happy mit dem aktuellen System. Warum tut sich dann nichts?
Pesic: Gute Frage. Ich weiß nicht, wann die Problematik auf einer Ebene ankommt, auf der die Funktionäre etwas ändern können. Derzeit geht es eher in die Richtung, dass die Vereine eben machen, was für sie am besten ist, ohne Rücksicht auf die Verbände, die FIBA oder die EuroLeague.
SPOX: Dann leidet eigentlich jeder unter diesem System.
Pesic: Nur die NBA nicht. Dort interessiert es überhaupt nicht, was in Europa passiert. Wer profitiert, sind kleinere Verbände, deren beste Spieler nicht alle bei EuroLeague-Teams angestellt sind. Größere Verbände haben nur sehr wenig davon. Und wer am meisten leidet, sind die Spieler. Ich bin der Meinung, dass die besten Spieler immer in der Nationalmannschaft sein sollten, und die FIBA hat die Aufgabe, das zu ermöglichen. Dazu müsste aber erstmal ein Deal mit der NBA geschlossen werden, denn die besten Europäer spielen dort. Stattdessen wird nur hier in Europa versucht, alles zu regulieren und Forderungen zu stellen. Wenn aber bei den Serben Jokic, Marjanovic, Teodosic und Bogdanovic nicht spielen, ist das nicht die beste Mannschaft. Warum sollten wir dazu gezwungen sein, jemanden abzustellen, aber die NBA nicht? Das Reise-Argument greift auch nicht. Es gibt genug Spieler in Europa, die für die Quali nach Südamerika fliegen müssen und dann direkt wieder zurück.