Hallo liebe Basketball-Fans,
nach drei knappen Niederlagen gegen richtig gute Teams ist das DBB-Team bei der EM ausgeschieden. Die Enttäuschung über das knappe Ausscheiden muss sich bei den Spielern erst einmal setzen, bevor sie in der Lage sein werden, etwas Positives daraus mitzunehmen.
Wir müssen einfach sehen, dass wir gegen Serbien, die meiner Meinung nach zumindest bis ins Endspiel kommen werden, gegen die Italieniner, von denen ich glaube, dass sie das Halbfinale erreichen werden und gegen Spanien, die möglicherweise auch ins Halbfinale kommen, nach Verlängerung oder in letzter Sekunde verloren haben. Das zeigt die Qualität und zeigt auch, dass wir in jeder anderen Gruppe weitergekommen wären - und zwar nicht als Vierter, sondern auf einem der ersten beiden Plätze.
Schröder: Vieles eine Frage des Alters
In den letzten Tagen wurde viel über Dennis Schröder gesprochen. Es gab Kritik über seine Spielweise, die als zu eigensinnig angesehen wurde und auch der Vorwurf, dass er Dirk Nowitzki nicht genug involviert hätte, kam immer mal wieder auf. Wir sollten bei Dennis nicht vergessen, dass er gerade 22 Jahre alt geworden ist. Vieles ist eine Frage des Alters und des Entwicklungsprozesses.
Er hat im Schnitt 21 Punkte gemacht und besser gespielt, als ich es erwartet habe. Er hat sich defensiv engagiert und er hat sicher nicht nur alleine gespielt, sondern zum Teil gut penetriert und auch den Ball gepasst.
Ob er Dirk nicht genug involviert hat, ist eine Frage, die man nur beantworten kann, wenn man weiß, was eigentlich der genaue Plan war. Was man aber sagen kann, ist, dass seine Ballverluste definitiv zu hoch waren. Er ist noch nicht in der Lage selektiv zu entscheiden, wann er den Fuß aufs Gaspedal drücken und wann er ihn runternehmen muss. Da müssen seine Entscheidungen besser werden, aber das ist eben ganz normal für einen Point Guard in seinem Alter. Natürlich macht mich das auch nicht glücklich, aber ihn deshalb jetzt herauszuheben, obwohl er so viel Verantwortung getragen hat? Die Kritik muss in einem vernünftigen Rahmen bleiben.
Gleiches gilt für sein Verhalten abseits des Feldes. Er hat sicher die Tendenz, dass er sehr von dem überzeugt ist, was er tut. Das ist immer ein schmaler Grat, aber auch ein Teil seiner Stärke. Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass die ganze Kritik, die da auf ihn einprasselt, von außen kommt. Wenn das jetzt mannschaftsinterne Kritik wäre, dann wäre es okay. Die Teamkollegen haben schließlich die Chance und das Recht da ein Stück weit zu urteilen, aber Außenstehende, die den Mannschaftsprozess nicht kennen, sollten eher vorsichtig sein, wenngleich ich ganz klar sagen muss, dass es diese Tendenz bei ihm gibt.
Wäre gleichen Weg wie Fleming gegangen
Die Kritik am Coach nach dem Italien-Spiel war nicht gut und sicher auch unglücklich. Ich denke aber, dass er das auch eingesehen hat. Ich bin natürlich auch gefragt worden, was ich in der Situation gemacht hätte. Ich weiß nicht, ob es ein Unterschied zwischen NBA und Europa ist, vielleicht ist es das ein Stück weit, aber ich kann für mich sagen, dass ich bei einer Drei-Punkte-Führung gegen Italien mit einem Marco Belinelli auf dem Feld, mich wohl auch dazu entschieden hätte, foulen zu lassen. Es geht natürlich immer um den Zeitpunkt des Fouls und wer gefoult wird, aber von der grundsätzlichen Entscheidung wäre ich den gleichen Weg wie Chris Fleming gegangen.
Aber kommen wir nun zum aktuellen Geschehen. Mich hat es total überrascht, welche Packung die Kroaten gegen Tschechien bekommen haben. Ich habe die Tschechen in der Vorbereitung gegen Deutschland in Wetzlar gesehen. Das ist ein gutes Team, dem ich auch zugetraut habe, weiter zu kommen. Ich hatte aber damit gerechnet, dass Kroatien gewinnt und hatte schon gar nicht erwartet, dass sie so weggehauen werden.
In Wetzlar war Tschechiens Jan Vesely eine Katastrophe, gegen Kroatien lieferte er aber eine Monstervorstellung ab. Von ihm und von Tomas Satoransky hängt ganz viel ab. Für Kroatien ist das auf jeden Fall eine große Enttäuschung. Irgendwie werden sie vor jedem Turnier in den erweiterten Favoritenkreis gehievt, aber dann weiß ich nicht, woran sie scheitern. Ich denke manchmal, dass sie es mental nicht schaffen.
Würde den Spieler niemals entscheiden lassen
In der vergangenen Kolumne hatte ich davor gewarnt Italien, frühzeitig abzuschreiben. Sie haben mich bestätigt und spielen jetzt gegen Litauen, die mich überhaupt noch nicht überzeugt haben. Die Italiener haben sich gesteigert und wenn alle Mann an Bord sind, sind sie für mich auch Favorit. Danilo Gallinari spielt eine bärenstarke EM und gehört für mich zumindest in den erweiterten Kreis der MVP-Kandidaten bei diesem Turnier. Das hat er leider auch gegen unsere Mannschaft bewiesen.
Ein richtiger Knaller erwartet uns im Spiel zwischen Spanien und Griechenland. Ich favorisiere die Griechen, weil die Spanier ein wenig angeschlagen sind. Griechenland steht zudem defensiv kompakter als die Spanier. Natürlich können sie mit ihrem Potenzial zu jeder Zeit einen raushauen und die Griechen mit 15 nach Hause schicken, aber im bisherigen Turnierverlauf hat Hellas einen stabileren Eindruck hinterlassen.
Viel wird wieder von Pau Gasol abhängen. Wenn wir Gallinari in den MVP-Kreis hieven, müssen wir den Spanier wahrscheinlich noch davor nennen. Gegen Polen kämpfte er mit Wadenproblemen und sollte eigentlich auf Geheiß der Ärzte nicht länger als fünf Minuten am Stück spielen. Er ignorierte dies aber und bat den Coach, ihn auf dem Feld zu lassen.
Das muss jeder Trainer selbst entscheiden, aber ich würde den Spieler niemals entscheiden lassen, ob er auf dem Feld bleibt, wenn der Arzt sagt, es können gesundheitliche Schäden entstehen. Ich würde niemals das Risiko eingehen, einem Spieler gesundheitliche Schäden zuzufügen, auch wenn er selbst das möchte. Dabei ist es egal, ob das meine persönliche Beziehung zu ihm in diesem Moment massiv belasten würde. Für mich ist das kein zweischneidiges Schwert, ich würde klipp und klar nach Anweisung handeln. Meine erste Verantwortung gilt der Gesundheit des Spielers. Mal schauen, was Gasol gegen Griechenland macht. Er hat sich schließlich fitgemeldet.
Bis zum nächsten Mal,
Ihr Stefan Koch
Stefan Koch ist langjähriger Basketballtrainer und trainierte unter anderem die Artland Dragons in der BBL. In den Jahren 2000 und 2005 wurde er jeweils zum Trainer des Jahres gewählt und gewann mit den Opel Skyliners Frankfurt den deutschen Pokal. Darüber hinaus arbeitet er für verschiedene Medien als Experte und Kommentator. Für SPOX kommentierte er die NBA.
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