SPOX: Alba Berlin postete zuletzt bei Facebook ein Video von Ihnen, wie Sie sich einem Fußball-Torwart gleich serienweise einen Ball zuschießen lassen und ihn festhalten. Welchen Zweck hatte diese Übung?
McLean: Die Übung habe ich letztes Jahr in Bonn gelernt. Es sieht vielleicht nicht so anspruchsvoll aus, doch es ist kompliziert, jeden Ball zu fangen. Der Ball kommt vom Fuß so schnell und häufig so ungenau, dass man nie weiß, wohin er fliegt. Ihn sauber zu fangen, erfordert Koordination. Und weil ich das Gefühl hatte, dass ich in einer Phase war, in der ich den Ball nicht sauber fange, wollte ich die Basics wieder trainieren. Was viele unterschätzen: Den Ball sauber zu fangen, ist ungemein wichtig. Vor allem für die Mitspieler, die sich viel eher einen schweren Pass an den Korb zutrauen, wenn sie wissen, dass man fast jeden Ball verarbeiten kann.
SPOX: Nach einem geglückten Zuspiel sind Sie kaum zu stoppen und Sie vollenden in der Regel mit einem spektakulären Dunk. Es heißt, Sie hätten die Sprungkraft in Rotterdam erlernt. Ist damit das Rotterdam in den Niederlanden gemeint?
McLean: Genau dieses Rotterdam. Meine Mutter war beim Militär und wurde in den Niederlanden stationiert. Ich bin also dahingezogen, als ich 12, 13 Jahre war und lebte dort drei Jahre. Ich ging zur internationalen Schule und spielte in der Freizeit mit den anderen Kids aus aller Welt Basketball. Eine coole Erfahrung.
SPOX: Und wie kam das mit der ungeheuerlichen Sprungkraft?
McLean: Es gab einen Bekannten von meinem älteren Bruder. Sein Name war Giovano, er musste damals 20 oder so gewesen sein. Er war klein, vielleicht 1,70, höchstens 1,75 Meter groß. Allerdings besaß er einen Absprung, den ich vorher noch nie gesehen habe. Ich konnte damals noch nicht dunken und er zeigte mir Windmills, Between-the-Legs, alle Variationen von Dunks. So wurde er zu meinem Dunk-Mentor.
SPOX: Wie genau?
McLean: Er hatte eine ganz ungewöhnliche Trainingsmethodik. Wir sind in den Park und haben einige Tage hintereinander immer das gleiche gemacht: Zehnmal hintereinander bin ich so schnell wie möglich gerannt, als ob ich zum Dunk hochspringen will, aber kurz bevor ich mich abgestoßen hätte, stoppte ich ab. Immer wieder sprinten, auf den Sprung vorbereiten, abstoppen. Nach zehn Mal durfte ich tatsächlich einmal wirklich abspringen. Das zogen wir einige Tage durch - und nach einer Woche versuchte ich mich wirklich an einem Dunk - und es war eine Offenbarung. Ich bin noch nie so hoch gesprungen. Dieses Aufladen der Muskeln mit Energie und diese nicht rauszulassen, hat dazu geführt, dass ich lernte, die Kraft zu bündeln. Und als das Ventil geöffnet wurde, hatte ich eine komplett neue Athletik. Ich habe keine Ahnung, ob es für diese Methode irgendeinen Namen gibt, es war auf jeden Fall mind-blowing.
SPOX: Klingt - gelinde formuliert - ungewöhnlich.
McLean: Natürlich kann man immer wieder den Dunk probieren, bis es einem gelingt. So haben es wohl die meisten gemacht. Im Rückblick fand ich unsere Methode jedoch effizienter. So lernt man, nach einer Serie an Bewegungen die gesamte Konzentration auf den einen Absprung zu legen. So entwickelt sich die sogenannte Muscle Memory. Die Muskeln lernen regelrecht, für einen Dunk hochzuspringen.
SPOX: Was sagte Ihr niederländischer Dunk-Mentor zu Ihrem ersten Dunk?
McLean: Ich war so stolz, er hingegen sagte nur: "Das war okay." Mittlerweile, wenn er auf Facebook ein paar aktuelle Videos von mir sieht, schreibt er mir und sagt, dass ich manchmal Dunks zeige, die besser als okay sind. (lacht)
SPOX: Trotz unbestrittener athletischer Fähigkeiten wechselten Sie 2011 nach dem College nach Belgien zu den Leuven Bears, einem namenlosen Klub in einer international zweitklassigen Liga. Warum?
McLean: Viele College-Spieler gehen sofort in eine der großen Ligen zu einem großen Team und versauern auf der Bank. Daher war Belgien die perfekte Liga für mich, um nach dem College als Rookie die Profi-Karriere zu beginnen und den europäischen Basketball von Grund auf zu verstehen. Die Bears hatten viele Veteranen im Team, die mir erst gezeigt haben, wie man als Profi lebt. Sie nahmen mich unter die Fittiche und sagten: "Wir sehen, dass du Talent und den Körper besitzt, aber gehe alles etwas langsamer an und lerne von den anderen." Ohne die Lektion in Leuven wäre ich nicht hier, wo ich jetzt bin. Dafür bin ich sehr dankbar.
SPOX: Ihr Mitspieler Reggie Redding offenbarte in einem Interview mit dem "Tagesspiegel", wie einsam das Leben eines amerikanischen Basketball-Nomaden in Europa sein kann. Wie erging es Ihnen?
McLean: Es hat geholfen, dass ich vorher schon in Rotterdam gelebt habe und daher das Ausland kannte. Zumal Belgien und Deutschland zwei großartige Länder zum Leben sind. Dazwischen in Italien war es schwieriger, weil dort fast niemand Englisch spricht. Generell verstehe ich, was Reggie meint. Ich bin Single und ich kann mir vorstellen, dass es sogar noch komplizierter ist, wenn man eine Familie hat. Klar, man hat seine Liebsten um sich. Gleichzeitig kann es sehr hart sein, jedes Jahr zu einem neuen Klub zu wechseln und den Kindern sagen zu müssen, dass sie in eine neue Schule gehen und sich neue Freunde suchen müssen. Als Single trägt man nur für sich die Verantwortung, von daher ist das okay. Dennoch ist das Leben als Basketball-Profi schwieriger, als es sich viele vorstellen.
SPOX: Was fällt Ihnen am schwersten?
McLean: Die Flüge. Sie nehmen mir sehr viel von meinem Lebensstandard. Die Sitze sind so eng, dass ich generell Busfahren bevorzuge, auch wenn wir statt einer Stunde in der Luft acht Stunden benötigen. Ich hasse es, so eingesperrt zu sein.
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