SPOX: Herr Potgieter, für die deutsche Nationalmannschaft beginnt am 7. Februar mit der Rugby Europe Championship die EM. Zum Auftakt geht es gegen Georgien. Wie lief die Vorbereitung?
Kobus Potgieter: Wir haben in den letzten Monaten sehr gut gearbeitet, die Spieler sind deutlich besser auf das Spiel eingestellt als letztes Jahr. Sie sind fitter, agiler und damit bestmöglich vorbereitet. Trotzdem wird es natürlich ein extrem schwieriges Duell, denn Georgien ist immerhin das beste Team der letzten Jahre.
SPOX: Die Spieler in Deutschland verdienen ihr Geld aktuell nicht mit Rugby, sondern sind nebenbei berufstätig. Welche Auswirkungen hat dieser Umstand auf die Vorbereitung für ein großes Turnier?
Potgieter: Das sieht bei jedem Spieler anders aus, aber in der Tat macht das hierzulande eigentlich niemand hauptberuflich. Einige meiner Jungs arbeiten als Fitnesstrainer, andere sind als Kaufmänner tätig und ein weiterer arbeitet beispielsweise bei Capri Sonne. Außerdem gibt es natürlich auch ein paar Studenten im Kader. Wir sind deshalb schon froh darüber, dass viele einen toleranten Arbeitgeber haben, der ihnen Zeit für die Nationalmannschaft einräumt. Trotzdem müssen wir viele Abstriche machen.
SPOX: Wie tiefgreifend sind diese?
Potgieter: Wir haben zwar jeden Montagabend in Heidelberg eine gemeinsame Trainingseinheit, aber da können natürlich nur die Spieler kommen, die aus der Nähe stammen. Damit auch die Akteure aus den anderen Städten dabei sein können, treffen wir uns in der bundesligafreien Zeit sporadisch am Wochenende. Wenn es gut läuft, haben wir im Jahr drei, vier gemeinsame Wochen. Das ist kritisch und im internationalen Vergleich deutlich zu wenig. Aber momentan geht es einfach nicht anders. Gegen Georgien stehen uns beispielsweise zwei, drei Spieler berufsbedingt nicht zur Verfügung. Außerdem bekommen auch ein paar Spieler aus Frankreich von ihrem Verein keine Freigabe.
SPOX: Gibt es keine eindeutige Regelung in Sachen Nationalmannschaft?
Potgieter: Es ist vom Rugby-Verband zwar geregelt, dass sämtliche Spieler bei offiziellen Länderspielen frei bekommen, aber einige Vereine aus Frankreich sagen den Spielern dennoch: 'Wenn du zur Nationalmannschaft gehst, bekommst du keinen neuen Vertrag.' Uns sind im Gegenzug die Hände gebunden, weil wir die Spieler nicht bezahlen können. Die Nominierung ist immer ein Kampf zwischen Verband und Verein. Wir versuchen natürlich, dahingehend mit den Vereinen zusammenzuarbeiten, aber das ist sehr schwierig, denn sie sehen Deutschland nur als kleine Rugby-Nation an. Und sogar die Top-Teams haben ihre Probleme mit den Vereinen.
SPOX: Umso wichtiger ist es, einen großen Pool an Spielern zu haben. Wie behalten Sie den Überblick?
Potgieter: Wir versuchen, so viele Spiele wie möglich anzuschauen. Außerdem haben wir beispielsweise in Berlin und Heidelberg Bundesliga-Stützpunkte, wo unsere Trainer die Spieler coachen. Diese arbeiten vornehmlich mit den jungen Akteuren und können sie so auf das nächste Level bringen. Fest steht aber auch, dass unser Scouting-System deutlich besser werden muss.
SPOX: Damit der Übergang zum Herrenbereich besser gelingt?
Potgieter: Genau, da haben wir einen Bruch. Wir haben zwar eine gute Nachwuchsarbeit und viele talentierte Spieler, die mit den besten Nachwuchsteams Europas mithalten können und das Potenzial für eine erfolgreiche Karriere haben. Aber viele gute Spieler kommen nur in kleineren Teams unter, weil sie durch unser Scouting-System gefallen sind. Im Gegensatz zu anderen Ländern haben wir da noch keine ausgeprägten Ausbildungszentren, wo diese untergebracht werden können - das macht den Unterschied zu den Topnationen.
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SPOX: Nehmen wir die All Blacks als Beispiel. Was läuft in Neuseeland anders?
Potgieter: In den großen Rugby-Nationen ist das Interesse größer und deshalb haben sie viel mehr Spieler. Dadurch haben sie mehr Erfolg, bekommen neue Sponsoren und können professionelle Akademien aufbauen. So entstehen professionelle Strukturen, die im Moment bei uns an allen Ecken und Enden fehlen. Aber wir haben die Hoffnung, dass wir dank unserer Partner und Subventionen diesen Teufelskreis durchbrechen können.