Die Partie gegen das vereinte Team Korea hatte politisch eine gewisse Bedeutung. Es war wegen der Atmosphäre in der Mercedes-Benz Arena besonders und weil es nun einmal das Eröffnungsspiel der Heim-WM war.
Sportlich war das Aufeinandertreffen zwischen der Handball-Großmacht Deutschland und dem krassen Underdog aus Asien allerdings relativ wertlos. Es war ein Spiel, für das es zwei Punkte gab. Irgendwelche Erkenntnisse konnte man daraus aber nicht ziehen.
Mit einer Ausnahme: Dem in den vergangenen Wochen und Monaten mal wieder zu einer Art Sorgenkind gewordenen Steffen Fäth dürfte der stimmungsvolle Abend in der Hauptstadt äußerst gutgetan haben.
Der 28-Jährige zeigte in der ersten Halbzeit eine starke Vorstellung. Das Auge für die Mannschaftskollegen war geschärft und führte zu schönen Pässen, Spielfreude und Mut, aus der Ferne einfach mal draufzuhalten, waren erkennbar. So versenkte Fäth vier seiner fünf Würfe im koreanischen Gehäuse.
"Das war enorm wichtig für Steffen", sagte Christian Prokop bei der anschließenden Pressekonferenz: "Er ist ein Spieler, der über Fähigkeiten verfügt, die nur wenige Handballer auf diesem Planeten haben."
Fäth mit Problemen beim DHB und den Löwen
Dabei schien der Bundestrainer diese Fähigkeiten seit seinem Amtsantritt und noch bis vor wenigen Wochen nur bedingt wertzuschätzen. Fäth galt schon vor der EM 2018 als Streichkandidat. Als Prokop ihn dann doch mit nach Kroatien nahm, ließ er den gebürtigen Frankfurter mehr oder weniger links liegen.
Auch vor dem diesjährigen Turnier sah es lange Zeit so aus, als würde Fäth den Sprung auf den WM-Zug nicht schaffen. Der Rechtshänder durfte im Oktober nur am DHB-Lehrgang teilnehmen, weil Tim Suton verletzungsbedingt passen musste. Unmittelbar zuvor hatte der Bundestrainer ihm noch erklärt, mit seinen Leistungen unzufrieden zu sein.
Mit dieser Einschätzung lag Prokop sicherlich nicht falsch. Fäth erlebt bei seinem Verein, den Rhein-Neckar Löwen, keine gute Saison. Unter Trainer Nikolaj Jacobsen ist der Hesse meist nur Bankdrücker. In der HBL kommt er in dieser Saison bislang auf durchschnittlich magere 1,77 Tore pro Partie.
Magnus Wislander: "Fäth weiß nicht, wie gut er ist"
Womöglich hätte Prokop tatsächlich auf Fäth im WM-Aufgebot verzichtet. Doch seit sich Julius Kühn beim EM-Qualifikationsspiel im Kosovo im Spätherbst das Kreuzband gerissen hat, ist Fäth im Prinzip unverzichtbar geworden.
Er ist im linken Rückraum und als Spielmacher einsetzbar und kann - wenn er sich denn in Topform befindet und Selbstvertrauen besitzt - auf allerhöchstem Niveau regelrecht Berge versetzen. Das hat er beispielsweise beim EM-Triumph 2016 in Polen bewiesen, als er in mehreren Partien wie von einem anderen Stern spielte.
"Manchmal erweckt er für mich den Eindruck, als wäre er sich seiner großen Fähigkeiten gar nicht so ganz bewusst", sagte Magnus Wislander damals in Breslau im Gespräch mit SPOX und ergänzte sich verzweifelt an den Kopf fassend: "Er scheint tatsächlich nicht zu wissen, wie unfassbar gut er ist."
Zur Einordnung für diejenigen, die im Handball nicht ganz so zu Hause sind: Der Schwede Wislander wurde vom Weltverband IHF zum Welthandballer des Jahrhunderts gewählt. Der 54-Jährige ist für den Handball so etwas wie es Pele oder Diego Maradona für den Fußball sind.
Sigurdsson und Petkovic als Fäth-Versteher
Nun ist nicht klar, ob sich Fäth seiner Fähigkeiten tatsächlich nicht bewusst ist. Fakt ist: Der Welt- und Europameister der Junioren ist sensibel und funktioniert nur dann, wenn er das totale Vertrauen des Trainers spürt.
Dagur Sigurdsson hat ihm dieses Vertrauen bei der EM 2016 geschenkt. Auf Vereinsebene war es 2018 Velimir Petkovic bei den Füchsen Berlin gelungen, Fäth mit gutem Zureden aus einem Tief zu holen.
Ist dies nicht der Fall, spielt Fäth, der während seiner Zeit bei der HSG Wetzlar viel vom kroatischen Superstar Ivano Balic lernen durfte, in aller Regel schlecht und läuft häufig mit hängenden Schultern wie ein Häufchen Elend durch die Gegend.
WM 2019: Die weiteren Spiele der deutschen Mannschaft
Datum | Uhrzeit | Paarung | Free-TV | SPOX |
Samstag, 12. Januar | 18.15 Uhr | Deutschland - Brasilien | ZDF | Liveticker |
Montag, 14. Januar | 18.00 Uhr | Russland - Deutschland | ARD | Liveticker |
Dienstag, 15. Januar | 20.30 Uhr | Deutschland - Frankreich | ZDF | Liveticker |
Donnerstag, 17. Januar | 18.00 Uhr | Deutschland - Serbien | ARD | Liveticker |
Fäth ein Mann großer Taten?
Das hat auch Prokop erkannt, weshalb er in letzter Zeit immer wieder öffentlich Lob über Fäth ausschüttet. "Mit Steffen haben wir eine Waffe im Rückraum, ihn möchte ich herausheben", sagte er beispielsweise nach dem 35:23-Sieg im Dezember gegen Polen: "Steffen spielt in meinen Überlegungen eine ganz wichtige Rolle."
Der Auftritt gegen Korea war natürlich nicht mehr als ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Anschließend verhielt sich Fäth übrigens so, wie sich Fäth nun einmal verhält.
Der Bronzemedaillengewinner bei den Olympischen Spielen 2016 eilte im Rücken seiner DHB-Kollegen durch die Mixed Zone der Mercedes-Benz Arena. Als ein Journalist derart aufdringlich seinen Namen rief, dass Fäth es nicht mehr ignorieren konnte, blieb er stehen, antwortete mit einem belanglosen Halbsatz auf eine Frage und verschwand.
Ein Mann großer Worte ist Fäth gewiss nicht. Aber vielleicht bei dieser Weltmeisterschaft ja mal wieder ein Mann großer Taten.