SPOX: Welchen Anteil hat Bundestrainer Dagur Sigurdsson am leichten Aufschwung?
Hanning: Wir haben mit Dagur einen herausragenden Trainer. Punktetechnisch ist er mit 76 Prozent gewonnenen Spielen der erfolgreichste DHB-Coach, den wir je hatten. Er ist ein Trainer, der sich vor allem auf Situationen perfekt einstellen kann. Er hat kein starres Konzept, sondern arbeitet mit dem Material, das ihm zur Verfügung steht. Der Mittelblock in der 6-0 steht jetzt viel defensiver, weil es die Spielertypen einfach nicht anders hergeben. Er ist auch immer in der Lage, den Gegner zu überraschen. Und er wird von der HBL extrem respektiert und akzeptiert. Außerdem haben wir rund um das Team eine Oase des Wohlfühlens geschaffen. Viele haben mich für die Neubesetzung der medizinischen Abteilung maximal kritisiert und mir sogar Vetternwirtschaft vorgeworfen, was absoluter Schwachsinn ist. Ich habe Professor Steuer als neuen Teamarzt installiert, weil er die nötigen 120 Tage im Jahr abdecken kann, nicht weil er mein Freund ist. Wir haben das Team insgesamt kleiner gemacht, wir sind weg aus den Sportschulen und rein in die größeren Städte - es macht den Jungs wieder mehr Spaß in der Nationalmannschaft. Dennoch wird es, wie angesprochen, Rückschläge geben. Ich hoffe nicht, dass es jetzt bei der EM passiert, aber es wird passieren. Genauso wie es sicher ist, dass der Erfolg kommen wird.
SPOX: Aber auch wenn es sportlich wieder etwas nach oben geht, hat der Handball etwas an Strahlkraft verloren.
Hanning: Stopp.
SPOX: Die miserablen Zuschauerzahlen beim Supercup sind doch ein eindeutiges Indiz, oder nicht?
Hanning: Einige Fußball-Zweitliga-Spiele haben ähnliche Zuschauerzahlen im Bereich 4000-4500. Es war der falsche Standort für den Supercup, weil du dort jede Woche Champions League auf dem Niveau sehen kannst und es ist auch kein zeitgemäßes Format mehr. Aber wenn ich uns mal mit dem Basketball vergleiche, das soll gar nicht despektierlich sein, aber wenn ich sehe, wie desaströs die Quoten von ARD und ZDF waren, trotz toller Spiele, dann sind wir weiterhin klar die Ballsportart Nummer eins hinter dem Fußball. Wenn wir bei der EM erfolgreich sind, werden wir ein Millionenpublikum haben. Wenn der Adler fliegt, dann fliegt der Adler - das gilt im Handball nach wie vor.
SPOX: Das ist sicher richtig, dennoch muss der Handball aufpassen. Nicht nur bei der SPOX-Userschaft liegt Handball zum Beispiel weit hinter US-Sport. Muss man sich keine Gedanken machen, wie der Handball auch die jüngeren Zielgruppen erreicht?
Hanning: Die müssen wir uns machen und die machen wir uns auch. Punkt eins ist eine erfolgreiche Nationalmannschaft. Wir müssen wieder Erfolg haben. Punkt. Haben wir wieder Erfolg, werden wir automatisch auch wieder mehr Gesichter bekommen, die wir ja auch dringend brauchen, um den Handball zu vermarkten. Wir müssen viel mehr mit unseren Spielern in Sendungen rein, das wissen wir, aber wir stehen erst am Anfang dieser Entwicklung. Die Öffentlichkeitsarbeit in der DHB-Zentrale wird von einem Mitarbeiter und einem Volontär gemacht, da sind wir erst im Aufbau und brauchen noch Zeit. Ich bin bis vor einem halben Jahr noch mit einem Nokia 6410 herumgelaufen. (lacht) Wir haben alle erkannt, dass wir uns der Aufgabe stellen müssen und die jungen Zielgruppen in ihrer Sprache ansprechen müssen, das wird alles kommen.
SPOX: Wie sieht es mit Veränderungen beispielsweise im Modus aus? Wir waren beim US-Sport, der einen großen Reiz aus den Playoffs zieht. Im Handball gab es früher mal Playoffs, immer wieder mal wird über eine Wiedereinführung diskutiert. Wie stehen Sie dazu?
Hanning: Ich bin grundsätzlich offen für Neuerungen, aber meine Stimme würden die Playoffs nicht bekommen. Die Fußball-Bundesliga braucht auch keine Playoffs. Wenn du Meister bist, bist du Meister. Wie oft kommt der eigentliche Meister im Playoff-Modell nicht durch, obwohl er doch eigentlich Meister geworden ist?
SPOX: Relativ oft, aber ist das schlecht?
Hanning: Für mich ist die Tabelle nach 34 Spieltagen einfach das ehrlichste und glaubhafteste Resultat, das es gibt. Aber wenn Playoffs den Handball nach vorne bringen würden und alle Leute wollen das, würde ich mich nicht dagegenstellen. Ich werde nur nicht die Fahne nehmen und dafür loslaufen.
SPOX: Okay, anderer Vorschlag: Der FC Bayern steigt auch im Handball ein. Das Thema wird ja immer mal wieder angerissen. Wie würden Sie dazu stehen?
Hanning: Zu einem solchen Projekt stehe ich grundsätzlich positiv. Wenngleich es Vorteile in der Wahrnehmung mit sich bringt, würde es aber wohl auch den Kostenapparat für die Vereine nach oben treiben. Wir sehen beim Basketball, dass sich sehr schnell eine Preisspirale für Spieler nach oben entwickeln kann. Dies gibt der Handball in der jetzigen Situation eigentlich nicht her.
SPOX: Letzte Frage, was sind die Träume, die Sie sich noch unbedingt erfüllen wollen?
Hanning: Mein Wunsch und mein großer Traum ist es, die Nationalmannschaft erfolgreich zu machen. Und zwar mit einer Nachhaltigkeit für die nachfolgenden Generationen. Dass man mal sagt, dass meine Generation ihrer Verantwortung für den deutschen Handball vollumfänglich gerecht geworden ist. Außerdem wünsche ich mir, dass es uns gelingt, den Handball so neu zu erfinden, dass er wieder an Popularität und Glaubwürdigkeit gewinnt. Wie gesagt, ich bin da auch offen für neue Formate. Eine Weltliga könnte beispielsweise funktionieren, wenn sie vernünftig in ein Gesamtsystem eingebettet wird. Bei den Füchsen wünsche ich mir, dass wir unser Motto Motivation durch Identifikation weiter leben und es schaffen, immer drei bis fünf Spieler aus dem eigenen Nachwuchs in die Mannschaft zu integrieren, ohne dabei den Blick für Europa zu verlieren. Persönlich habe ich den Traum, dass ich eines Tages in die Halle komme und sich alle freuen, dass ich da bin, auch wenn ich gar keine Funktion mehr innehabe. Das ist eine schöne Vorstellung.
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