14 Jahre lang war Heiner Brand Bundestrainer der deutschen Handballer, in seine Amtszeit fielen große Siege wie der WM-Titel 2007, aber auch bittere Niederlagen. Jetzt hat der Mann mit dem markanten Schnauzbart seinen Rücktritt verkündet.
Frage: Heiner Brand, mit der Verkündung Ihres Rücktritts haben Sie die Branche nicht mehr überrascht. Schon als es Spekulationen um Ihre Zukunft und einen eventuellen Nachfolger gab haben Sie sich insgeheim mit diesem Schritt befasst - richtig?
Brand über seine Karriere: "Das Unverständnis bleibt bestehen"
Heiner Brand: Ja, das stimmt. Bereits im Spätherbst letzten Jahres, vor allem aber im Vorfeld der WM in Schweden habe ich angesichts der latenten Probleme mit einigen Herrschaften aus der Liga eine zunehmende Frustration verspürt und hinterfragt, welche Umstände dazu führen könnten, mein Amt vor Ablauf der Vertragszeit abzugeben. Mir ist aber folgender Hinweis sehr wichtig: Die Arbeit mit der Mannschaft und dem unmittelbaren Umfeld machte und macht mir sehr viel Spaß. Die externen Störfeuer allerdings sind schon lange nicht mehr angenehm und machten mir auch keinen Spaß mehr. Aber ich habe diese Gefühle nicht Überhand nehmen lassen und bin sehr motiviert und positiv eingestellt nach Schweden gegangen. Schließlich konnte ich mir einen solch unerfreulichen Verlauf auch nicht vorstellen - obwohl ich stets davor gewarnt hatte, dass es eine ganz schwere WM werden könnte.
Frage: Der Misserfolg und das Auftreten des Teams bei einigen Spielen hat Ihren Entschluss dann gefestigt...
Brand: Das alles hat mich jedenfalls nicht positiv beeinflusst. Aber es waren letztlich vielmehr die Begleiterscheinungen, die Kommentare und die Einmischung einiger Besserwisser, die meinen Entschluss haben reifen lassen. Ich bin kritikfähig, aber es kommt schon darauf an, wer sie äußert - und wie. Gewissen Kontroversen und Schein-Diskussionen muss ich mich nun wirklich nicht mehr aussetzen. Man hat mir meine Aufgabe systematisch verleidet.
Frage: Sie waren beispielsweise sehr genervt von der Diskussion um ein Comeback von Christian Zeit...
Brand: ...die mir aus Kiel und von einigen Medien aufgezwungen wurde. Aber bitte: Das Thema ist doch längst relativiert und erledigt. Es gab substanziellere Probleme.
Frage: Trifft der Begriff Amtsmüdigkeit auf Sie zu?
Brand: Ich wäre nicht müde gewesen, weiter mit der Mannschaft zu arbeiten. Aber die Begleitumstände, die Störfeuer und Missstände haben schon sehr gezehrt an mir. Ich habe ja schon einmal erwähnt, dass es mir ständig den Magen umdrehte, wenn ich nur die Zeitung morgens aufschlug und lesen musste, was gewisse Vereinsvertreter nun schon wieder einfordern oder sonst so von sich geben - aus reinem Eigeninteresse. Aber das Leben besteht nun mal aus Kompromissen.
Frage: Sie haben Ihren Rücktritt wohl auch verschoben, um in der laufenden EM-Qualifikation kein Kompetenzvakuum entstehen zu lassen - Ihr Entschluss, im Sommer aufzuhören, stand dennoch schon damals fest?
Brand: Ja, das war für mich weitgehend klar. Ich habe mich dazu bewegen lassen und auch eigeninitiativ beschlossen, zunächst weiterzumachen. Das war auch eine Frage der Verantwortung, die ich empfand, aber das habe ich ja bereits erklärt.
Frage: Sie sprachen nach dem Unentschieden gegen Österreich in der EM-Qualifikation von "geheuchelter Empörung und Sorge". Ihr Stress mit der Liga wurde ungemütlicher, als die großen Erfolge ausblieben...
Brand: Ich hatte ja nicht mit der ganzen Liga Probleme, sondern mit einem bestimmten Kreis an Vereinen und Entscheidern, auch aus der Ligaführung. Mit Frank Bohmann beispielsweise, aber auch mit Vertretern aus Kiel, Mannheim, Hamburg, Flensburg - den Branchenführern eben.
Frage: ...denen Sie teilweise Egoismus und Populismus vorwarfen und dass es den betreffenden Personen nicht um die Sache gehe. Nun werden Sie eine neue Position beim DHB einnehmen - und weiterhin mit Ihren Gegnern zu tun haben ...
Brand: Aber eben nicht aus der Perspektive des Bundestrainers agierend und argumentierend. Ich habe schon im Herbst letzten Jahres realisiert, dass ich dem Handball erhalten bleiben will. Ich dachte mir: Vielleicht sollte ich aber eine unabhängige Position wählen, die mehr Meinungsfreiheit zulässt als die jetzige. Es gibt noch viel anzusprechen, um etwas zu bewegen und anzuschieben im Handball. Nun ist es bald soweit.
Frage: An eine Vereinstrainertätigkeit, in der Bundesliga zum Beispiel, haben Sie nicht gedacht?
Brand: Nein, und zu entsprechenden Spekulationen und Gerüchten, die es zwischenzeitlich gab, habe ich selbst auch nicht im Geringsten beigetragen.
Frage: Hatte bzw. hat die Suche nach Ihrem Nachfolger Einfluss auf die Entscheidung, wann Sie den Job wechseln - und dies öffentlich machen?
Brand: Nein, diese beiden Entscheidungen bedingten sich nicht gegenseitig. Nur die ungestörte EM-Qualifikation musste gewährleistet bleiben.
Frage: Sie sollen fortan als eine Art Verbands-Manager oder Sportdirektor fungieren. Kann man Ihre künftige Rolle mit der Oliver Bierhoffs beim DFB vergleichen?
Brand: Nicht eins zu eins, nein. Ich werde kein reiner Nationalmannschafts-Manager. Zwar rücke ich sicher bei großen Turnieren an die Mannschaft und ihre Belange heran, aber mein vordergründiges Bestreben ist es, mich konzeptionell und basisbezogen dort im Leistungsbereich einzusetzen, wo es besonders wichtig ist und derzeit ja auch hakt: Bei der Anschlussförderung der Talente auf dem Weg von der Jugend in die Spitze. Wir müssen einen besseren Übergang hinbekommen, damit die durchaus vorhandenen Talente hierzulande auch den Sprung schaffen. Förderung, Entwicklung, Integration auf dem Leistungslevel, das sind ganz wichtige Themen.
Frage: Dann werden Sie kein Supervisor Ihres Nachfolgers? Auch nicht ungewollt?
Brand: Es ist aus meiner Sicht ganz wichtig und selbstverständlich, dass der neue Bundestrainer völlig autark und von mir unbeeinflusst seinen eigentlichen Job machen kann. Ich werde ihm da nie reinreden. Gemeinsame Themen und Anknüpfungspunkte werden wir natürlich mit Blick auf die Nachwuchsarbeit und die Förderung von Perspektivspielern dennoch haben.
Frage: Bezieht sich Ihre Enttäuschung der letzten Monate etwa auch auf die bisweilen mangelnde Rückendeckung anderer Institutionen bei den wichtigen Nachwuchsthemen?
Brand: Die Basis, also die Landesverbände, müssten generell bei etlichen Themen auch mal auf die Barrikaden gehen, sie tun es aber nicht. Ich fühlte mich da schon ein wenig alleingelassen.
Frage: Sind Sie mit sich im Reinen, was Ihren Rücktritt angeht?
Brand: Ja, ich habe schließlich sehr reiflich überlegt und abgewogen. Das ist nun wahrlich keine Kurzschlusshandlung. Ich bin sehr gefasst und ruhig.
Frage: Ist dennoch Platz für Empfindungen? Wehmut, Erleichterung, Wut?
Brand: Von allem etwas. Ich stehe zu meinem Entschluss, fühle mich daher einerseits erleichtert. Andererseits ärgern mich die Umstände, die dazu führten. Vor allem aber kommt auch Wehmut auf, denn die meiste Zeit als Bundestrainer war ja äußerst positiv. Es überwiegen die guten Erinnerungen, natürlich insbesondere an den EM-Titel 2004 und den WM-Triumph 2007.
Frage: Tun die Aussagen, auch die aus dem Ausland und die ihrer Ex-Spieler gut, aus denen das Bedauern über Ihren Abschied als Nationalcoach hervorgeht - und ist es Ihnen wichtig, als Trainerdenkmal zu gelten?
Brand: Anerkennung und Würdigung der geleisteten Arbeit tun immer gut. Aber ob man in mir ein Trainerdenkmal sieht, ist für mich völlig sekundär. Personenkult war und ist nicht meine Sache. Mir geht es um den Handball.