Brand: "Das Unverständnis bleibt bestehen"

Von Florian Regelmann
Heiner Brand steht noch bis 2013 beim DHB unter Vertrag
© Getty

Heiner Brand ist seit 1997 Bundestrainer. Bei SPOX blickt Deutschlands lebende Handball-Legende auf seine 16 Turniere als DHB-Cheftrainer zurück und erinnert sich: an die Anfänge, an seine Schiri-Wut - und an den Typen, der einfach nie dabei war. Ein Streifzug durch eine bemerkenswerte Bundestrainer-Karriere.

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Seit 14 Jahren ist Heiner Brand Bundestrainer. Bei der WM in Schweden bestreitet der 58-Jährige sein 16. Turnier als DHB-Chefcoach.

"Es war eine sehr intensive Zeit. Der Handball ist enorm populär geworden, im Zuge dessen ist auch immer mehr PR-Arbeit für mich hinzugekommen. Die Möglichkeiten der Einflussnahme sind geringer geworden, dagegen ist die Einflussnahme der Liga-Geschäftsführung auf die Nationalmannschaft stärker geworden. Die Aufgabe ist über die Jahre insgesamt sicher schwieriger geworden", erklärt Brand im Gespräch mit SPOX.

Trotz aller Schwierigkeiten überwiegt aber der Spaß. Brand arbeitet inzwischen mit einer neuen Spielergeneration zusammen, aber viel geändert hat sich nicht.

"Die Einstellung der Spieler ist sehr ähnlich. Ich habe aktuell eine Generation an Spielern, die im Training super mitzieht und sehr aufgeschlossen ist gegenüber neuen Impulsen. Die Arbeit im Training ist sogar eher einfacher als mit der früheren Generation, weil sich bei der aktuellen Mannschaft noch nicht diese Persönlichkeiten herauskristallisiert haben, wie wir sie damals hatten. Es ist ein Wandel im Gange, bei dem jeder seine Rolle zu finden versucht", beschreibt Brand.

Sein laufender Bundestrainer-Vertrag geht noch bis 2013 - Stand heute soll danach Schluss sein. Nach 20 Turnieren als Bundestrainer. Bis dahin ist es aber noch ein langer Weg. Bei SPOX blickt Brand auf seine bisherigen Turniere zurück.

Teil 1: Die Anfänge

Januar 1997, Amtsübernahme: Am 31. Dezember 1996 geht die Zeit von Arno Ehret als Nationaltrainer nach dreieinhalb Jahren zu Ende. Es übernimmt Heiner Brand. Brand hatte schon früh in seiner Trainer-Karriere unzählige Erfolge gesammelt.

In der Bundesliga holte er sowohl mit dem VfL Gummersbach (1988&1991) als auch mit der SG Wallau-Massenheim (1993) die deutsche Meisterschaft - mit Wallau erreichte er sogar das Finale im Europapokal der Landesmeister (1994). Als Brand im Alter von 44 Jahren Chef der Nationalmannschaft wird, ist es das Resultat einer logischen Entwicklung.

Heiner Brand: "Das Bundestrainer-Amt zu übernehmen habe ich damals als große Ehre angesehen. Aber auch als große Herausforderung. Ich hatte zu dem Zeitpunkt schon meine Erfolge als Vereinstrainer gefeiert, es hat einfach gepasst. Es gab schon zu früheren Zeitpunkten immer mal Überlegungen, aber da wäre es definitiv zu früh für mich gekommen. Ich habe die Aufgabe dann sehr gerne angetreten."

EM 1998 in Italien/Platz 3: Brands Debüt-Turnier wird zu einem vollen Erfolg. Bei der EM in Südtirol gibt es zum Auftakt der Gruppenphase zwar eine knappe 20:21-Niederlage gegen die übermächtigen Schweden, aber danach marschiert das deutsche Team durchs Turnier.

Erst im Halbfinale ist gegen Spanien Endstation. Im Spiel um Platz 3 werden die Russen mit 30:28 nach Verlängerung niedergerungen. Europameister wird Schweden.

Heiner Brand: "Der dritte Platz war ein großer Erfolg, weil es seit 1978 wieder die erste Medaille für den deutschen Handball war. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich gleich bei meinem ersten Turnier sofort mit der immensen Erwartungshaltung konfrontiert worden bin. Wir verloren gegen die damalige Übermannschaft Schweden mit einem Tor und dennoch war eine große Enttäuschung zu spüren. Daran musste ich mich erst einmal gewöhnen. Diese hohe Erwartungshaltung ist bis heute geblieben und wird sich wohl auch nicht mehr ändern." (lacht)

WM 1999 in Ägypten/Platz 5: Das DHB-Team spaziert in Kairo durch die Vorrunde, unter anderem gibt es einen 23:18-Sieg gegen den Gastgeber. Im Achtelfinale putzt Deutschland Algerien mit 28:17 von der Platte. Es läuft alles wie geschmiert, doch dann kommt das Viertelfinale gegen Jugoslawien. Trotz Halbzeitführung (12:10) reicht es am Ende nicht. 21:22. Aus. In der Folge gewinnt Deutschland das Spiel um Platz 5 gegen Frankreich 26:21. Den Titel holen sich - völlig überraschend - mal wieder die Schweden...

Heiner Brand: "Wir hatten Riesenpech, als sich Daniel Stephan im letzten Vorbereitungsspiel an der Hand verletzte und ausfiel. Er war damals auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn und der zentrale Punkt in unserem Team. Als ich den Job übernommen habe, dachte ich mir, dass ich um Daniel eine Mannschaft aufbaue. Und dann fiel der aus. Von diesem Zeitpunkt an hatten wir eigentlich bei jedem Turnier mit Ausfällen zu kämpfen. Wenn Daniel dabei gewesen wäre, hätten wir um eine Medaille spielen können, ohne ihn haben wir im Viertelfinale einfach kein gutes Spiel gezeigt. Aber mit der erfolgreichen Olympia-Qualifikation war das Abschneiden am Ende noch okay."

EM 2000 in Kroatien/Platz 9: Mit einem enttäuschenden 24:24 gegen die Ukraine geht die EM schon schlecht los - und sie wird auch nicht mehr besser. Ein weiteres Remis, diesmal gegen Norwegen, ist alles, was Deutschland noch an Punkten einfährt. Es setzt Pleiten gegen Frankreich, Spanien und Kroatien.

Nach einem 19:17 gegen Dänemark steht der neunte Rang als Abschlussergebnis fest. Quizfrage: Wer wurde wohl Europameister? Richtige Antwort: Selbstverständlich wieder die Schweden.

Heiner Brand: "Der neunte Platz lässt sich leicht erklären. Die Mannschaft, mit der wir in Kroatien an den Start gehen mussten, hatte mit der richtigen Nationalmannschaft wenig zu tun. Daniel war angeschlagen, Markus Baur ebenfalls, Blacky Schwarzer war nicht dabei, ich musste sogar den Flensburger Matthias Hahn reaktivieren. Dennoch ist ein neunter Platz natürlich immer eine Enttäuschung für den deutschen Handball."

Olympia 2000 in Sydney/Platz 5: Brand führt seine Mannen zum ersten Mal zu einem olympischen Turnier und es wird sofort ein unfassbar dramatisches. In der Vorrunde feiert man tolle Siege gegen Russland und Jugoslawien, aber dann macht man sich Platz eins in der Gruppe durch eine ärgerliche Niederlage gegen Ägypten zunichte.

Es kommt zum Viertelfinale gegen Spanien, an das sich besonders ein Mann sein Leben lang erinnern wird: Stefan Kretzschmar. Letzte Minute, Deutschland in Ballbesitz und in Überzahl. Kretzsche kommt frei zum Wurf - Latte! In Unterzahl finden die Iberer danach irgendwie noch Guijosa, der völlig frei am Kreis steht und vier Sekunden vor Schluss das 27:26 für Spanien besorgt. Bitter ist gar kein Ausdruck. Olympiasieger werden übrigens nicht die Schweden. Sie werden im Finale von Tutschkins Russen bezwungen.

Heiner Brand: "Wir haben in diesem Turnier teilweise sehr guten Handball gespielt. Uns wurde auch von anderer Seite bestätigt, dass wir vielleicht die beste Mannschaft waren. Aber das nützte uns alles nichts, weil wir in entscheidenden Situationen entscheidende Fehler gemacht haben. Es fing damit an, dass wir in der Vorrunde, als wir schon qualifiziert waren, gegen Ägypten verloren und dadurch im Viertelfinale gegen Spanien kamen. Dort haben wir in der Schlussphase dann auch ein paar individuelle Fehler gemacht, die das Spiel zugunsten der Spanier entschieden haben. Es war schade, weil wir spielerisch auf dem Höhepunkt waren. Bogdan Wenta, Volker Zerbe, Frank von Behren kam gerade auf, dazu Klaus-Dieter Petersen und Mike Bezdicek - da passte bei uns schon viel zusammen."

Teil 2: Endlich - Der erste Titel

Teil 3: Weltmeister im eigenen Land - Der Höhepunkt

Teil 4: Der Brand'sche Wutanfall und der WM-Ausblick

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