Warst du schon einmal bei einem Spiel in Europa oder Südamerika? Wenn ja: Lässt sich das mit der MLS vergleichen?
Tim (Sons of Ben): Nein, war ich leider nicht.
Aaron (Emerald City Supporters): Ich war einmal bei einem Champions-League-Spiel der CONCACAF in El Salvador, aber die Atmosphäre war aufgrund externer Faktoren recht verhalten (wegen Überschwemmungen musste die Partie in ein anderes Stadion verlegt werden). In der MLS ist die Atmosphäre von Spiel zu Spiel sehr unterschiedlich: Manche Teams haben kaum Zuschauer und sind deshalb recht mau, während man bei einem Spiel zwischen Seattle und Portland meinen könnte, dass man in einem großen europäischen Stadion sitzt. Alle stehen und singen die kompletten 90 Minuten, es gibt Flaggen, Choreographien, etc. Wir haben schon von vielen gegnerischen Spielern und weitgereisten Journalisten gehört, dass sich die Stimmung hier eigentlich vor keinem anderen Spiel in der Welt verstecken muss.
Jeffry (Viking Army): Ich persönlich bin schon immer sehr viel gereist. Ich war schon bei Matches im Celtic Park, Highbury, Camp Nou, Santiago Bernabeu und im Olympiastadion in Rom - und auch bei WM-Qualifikationsspielen in Ungarn. Für mich sind viele dieser Stätten heiliger Boden voller Leidenschaft für den Fußball. Aber sie übertrumpfen nicht die Leidenschaft, die ich für meinen eigenen Klub hege. Wir sind als Liga noch nicht da, wo wir hinwollen, aber wir arbeiten daran.
Mehr und mehr amerikanische Nationalspieler kehren in die MLS zurück. Haben sie versagt? Oder zeigt das, dass die MLS immer größer wird?
Tim (Sons of Ben): Die Liga hat keinen guten Ruf, insofern kann ich verstehen, dass es für manche ein Zeichen des Versagens ist. Ich sehe es aber lieber als Zeichen der Liga und der Team-Besitzer, die die besten amerikanischen Talente auf ihrer Seite haben wollen - und Spieler, die die WM-Beobachter dann wiedererkennen und auch in der MLS sehen wollen. Maurice Edu hat es nicht in Brasiliens endgültigen Kader geschafft, aber allein die Tatsache, dass er nah dran war, wurde von der Union natürlich ausgeschlachtet. Das ist ein Zeichen dafür, dass sie das Team in die Öffentlichkeit bringen und weitere Fans gewinnen wollen.
Aaron (Emerald City Supporters): Das ist eine gute Sache, denn das zeigt, dass die Liga größer und besser wird. Der Beweis wird dann erbracht sein, wenn ein Spieler wie Clint Dempsey in der MLS spielt, aber trotzdem weiter auf einem hohen Level für die Nationalelf spielt. Es gibt viele Coaches, in deren Augen die Konkurrenz hier nicht gut genug für Nationalspieler ist. Die Zeit wird zeigen, ob sie Recht haben, aber heute bedeutet es in meinen Augen, dass der Fußball in der MLS immer besser wird, und die Fans nehmen das zur Kenntnis.
Jeffry (Viking Army): Das ist eine interessante Sache. Einerseits ist es natürlich super für die Liga, wenn die heimischen Talente auch daheim bleiben. Andererseits ist es auch ein Pluspunkt für die MLS, wenn Spieler von dort in Übersee erfolgreich sind. Meine Meinung: Es ist beides gut. So lange unsere Liga wettbewerbsfähig bleibt und unsere Spieler Erfolg haben - wo auch immer -, ist es eine Win-win-Situation.
Was ware ein realistisches Ziel bei der WM? Gehört die USA zu den Top Ten der Welt? Den Top 20?
Tim (Sons of Ben): Ich denke, wir haben die Chance, die Gruppenphase zu überstehen. Aber ich gehöre auch zu den Fans, denen die Ausbootung von Landon Donovan Sorgen macht. Manche glauben, dass es eher darum geht, für 2018 Erfahrung zu sammeln, als in diesem Sommer Erfolg zu haben. Da kann man kaum widersprechen.
Aaron (Emerald City Supporters): Ein tieferes und technisch besseres Team hat die USA noch nie gehabt. Trotzdem würde es mich keineswegs überraschen, wenn wir nicht aus der Gruppe kommen. Deutschland und Portugal sind Favorit, und das zu Recht. Aber es nicht ausgeschlossen, dass wir die Welt in einem Spiel schocken können. In der Weltrangliste standen wir zuletzt so um Platz 15, und ich glauben das ist fair. Ich erwarte, dass wir 2018 die Top Ten knacken. Jürgen Klinsmann genießt hohes Ansehen. Wir sind auf dem richtigen Weg.
Jeffry (Viking Army): Die Auslosung ist hart, aber ein Erfolg für das USMNT wäre unheimlich wichtig. Spieler wie Dempsey oder Bradley müssen zeigen, dass ein Wechsel in die MLS kein Verlustgeschäft ist, sowohl für die Spieler hier als auch die im Ausland, die dann in Zukunft vielleicht selbst in den USA spielen. Ich denke wir gehören zu den 20 besten Teams, aber das ist nicht der Weisheit letzter Schluss: Mit jungen Talenten wie Julian Green sieht unsere Zukunft rosig aus.
Benutzt ihr Bengalos oder Feuerwerkskörper in den Stadien?
Tim (Sons of Ben): Das ist nicht erlaubt. Wir dürfen unter Aufsicht Rauchbomben zünden. Bengalos wurde nur einmal 2010 gezündet, von einem Trio Celtic-Fans, aber die Security war schnell zur Stelle. Sie wären natürlich nicht schlecht, aber wir sind auch so eine laute Truppe.
Aaron (Emerald City Supporters): Sie sind verboten, aber der eine oder andere Fanklub hat schon Bengalos und Rauchbomben gezündet - wir auch.
Jeffry (Viking Army): Wir haben Bengalos auf dem Weg ins Stadion gezündet, und in Stadien außerhalb der MLS. Ich würde sie liebend gern benutzen, aber letzten Endes gibt es genügend andere Möglichkeiten, unser Team anzufeuern, deshalb heben wir sie für besondere Situationen auf. Rauchbomben sind im Stadion aber gang und gebe.
Der europäische Fußball hat immer wieder Probleme mit Rassismus. Wie sieht es im amerikanischen Fußball aus mit Affengesängen und dergleichen?
Tim (Sons of Ben): Der Fußball in den USA ist glücklicherweise fast vollständig von Rassismus verschont geblieben. Das gleiche kann man leider nicht über Homophobie sagen. Ein Spieler wurde einmal bei einem solchen Ausdruck erwischt, aber die Liga hat gleich eingegriffen.
Aaron (Emerald City Supporters): Das sieht man bei uns so gut wie nie, da haben wir Glück. Ich denke das liegt an der Zielgruppe hier: Fußball ist jung, liberal und multikulturell. Die Fans mit rassistischen Anflügen in den USA sind von vornherein keine Fußballfans, weil es ihnen "zu europäisch" ist.
Jeffry (Viking Army): Rassismus, Homophobie und solche Sachen sind bei uns glücklicherweise nur Ausnahmeerscheinungen. Zustände wie in einigen Stadien in Europa wird man bei uns nicht finden. Das hat viel damit zu tun, dass wir eine Nation aus Einwanderern sind. Unsere Rivalitäten basieren nicht auf politischen, religiösen oder ethnischen Differenzen. Das findet eher zwischen Städten oder Regionen statt. Die eine Ausnahme war das "Chivas USA"-Experiment, aber auch da steht ein neues Kapitel an.
Mal ganz realistisch: Wo steht die MLS in 20 Jahren?
Tim (Sons of Ben): Wie gesagt: Das Interesse an Fußball in den USA ist seit der WM 1994 signifikant gestiegen. Ich glaube wirklich, dass wir in 20 Jahren bei den Top-Sportarten mitreden können. Football wird immer noch sehr beliebt sein, aber die Probleme mit Gehirnerschütterungen und anderen Verletzungen haben schon jetzt dazu geführt, dass die Popularität zurückgeht, wenn auch nur geringfügig. Baseball ist auf dem absteigenden Ast, Hockey ist die Nummer vier und hat in etwa die gleichen Zuschauerzahlen wie Fußball, aber mehr Tradition. Die Tür ist offen: Fußball kann diese Sportarten angreifen und sich neben ihnen etablieren.
Aaron (Emerald City Supporters): Ich denke, dass die MLS die NHL und vielleicht sogar die NBA in 20 Jahren überholt haben wird. Zu diesem Zeitpunkt wird die Salary Cap entweder verschwunden oder so aufgeweicht sein, dass die Liga international bei den großen Transfers mitreden kann, sie wird für Fans und Spielern auf globaler Ebene eine respektable Alternative sein. Das Spielniveau wird zu England, Deutschland, Spanien und Italien aufschließen. Ich glaube eine neue Generation Kids wird mit Fußball aufwachsen. Und vielleicht ist das US-Team bis dahin bereit für ein WM-Halbfinale oder sogar Finale. Wahrscheinlich nicht - aber träumen muss erlaubt sein!
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Die WM 2014 im Überblick