Seeler-Enkel: Abnabelungsprozess Undercover

Von Adrian Bohrdt
Für die deutschen Jugendnationalmannschaften absolvierte Levin Öztunali (l.) 14 Länderspiele
© Getty

Seit zwei Jahren Juniorennationalspieler, mittlerweile sogar im Visier des FC Bayern München: Levin Öztunali vom Hamburger SV könnte vor einer großen Karriere stehen. Der 16-jährige Enkel von Uwe Seeler soll dabei so gut es geht geschützt werden - und bleibt auch gerne selbst mal Undercover.

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Berühmte Vorfahren zu haben ist nicht immer einfach. Der Schatten eines berühmten Eltern- oder Großelternteils kann mitunter immer länger und die Überwindung dessen zu einer besonderen Herausforderung werden.

Besonders schwierig wird es, wenn man sich auch noch im gleichen Berufsfeld versucht wie das bekannte Familienmitglied. Levin Öztunali, Enkel von HSV-Legende Uwe Seeler, steht vor dieser Aufgabe. Der 16-Jährige will es als Fußball-Profi schaffen - ob beim Hamburger SV oder anderswo.

Das schwere Seeler-Erbe

Die Assoziation über den Nachnamen ist bei Öztunali, der 2006 im Alter von zehn Jahren zum Hamburger SV kam, offensichtlich nicht gegeben. Nachdem allerdings in der Öffentlichkeit bekannt wurde, wer der berühmte Großvater des derzeit in der U 19 des HSV spielenden Deutschtürken ist, ließen die Vergleiche mit dem HSV-Urgestein nicht lange auf sich warten.

Seeler selbst versucht, jeden Druck von seinem Enkel fernzuhalten: "Ich möchte, dass der Junge erstens weiterhin Spaß und Freude hat, auch seine Schule macht und nicht verrückt gemacht wird. Wir halten ihn schön unten." Auch ein Urteil über den 16-Jährigen ist dem 72-fachen Nationalspieler kaum zu entlocken: "Wenn andere sagen, dass der Junge Talent hat, dann freut mich das natürlich."

Häufig geht Seeler auch nicht zu den Spielen seines Enkels, um ihn nicht unnötig unter Druck zu setzen. Ist er doch mal da, erzählt Seeler, versteckt er sich manchmal im Gebüsch: "Wenn Levin spielt, soll er nicht wissen, dass ich da bin. Nachher meint er noch, er müsste etwas Besonderes für den Opa machen." Dabei macht der Youngster das auch ohne seinen Opa: Längst wird er in der Offensive vom Gegner gedoppelt, sein variables Spiel erlaubt es ihm außerdem, immer wieder vom Mittelfeld auf die Außenverteidiger-Position zu wechseln.

Erste Schritte im Nationalteam

Erstaunlich lange schaffte es der Mittelfeldspieler mitunter, seine berühmte Familienzugehörigkeit geheim zu halten. "Ich wusste nicht, dass er der Enkel von 'Uns Uwe' ist", erzählt DFB-Trainer Frank Engel 2010, der den HSV-Junior damals im Sommer erstmals in den Kader der U-15-Auswahl berufen hatte.

Von seinem Nachnamen profitierend, hatte Öztunali seinen Großvater geheim gehalten. Auch so gelang es ihm, sich aus einem Kontingent von 100 Spielern mit 22 weiteren Talenten für weitere Aufgaben zu empfehlen.

"Er findet das schon toll, was sein Opa geleistet hat, aber für ihn ist es besser, dass er nicht so in der Öffentlichkeit steht. Er möchte für sich anerkannt werden", beschreibt Levins Mutter den Abnabelungswunsch ihres Sohnes vom Namen des Großvaters. Um ihren Sohn zusätzlich zu schützen, verordneten Levins Eltern ihm einen Medien-Blackout, er soll vorerst nicht mit der Presse sprechen.

"Anderer Typ als sein Großvater"

Insgesamt 14 Länderspiele in den deutschen Junioren-Nationalmannschaften kann Öztunali mittlerweile vorweisen, auf sein erstes Tor im Nationaltrikot wartet der Deutschtürke noch. Keine Überraschung, wie Engel erklärt: "Levin ist ein vollkommen anderer Typ als sein Großvater. Uwe hat wunderbar in der Spitze gespielt, während Levin in der Zentrale aus der Tiefe kommt."

Am häufigsten wird Öztunali im defensiven Mittelfeld eingesetzt, von wo aus er das Spiel lenken und gelegentlich auch in die Spitze stoßen soll. Immerhin drei Tore und zwei Vorlagen gelangen dem 16-Jährigen in dieser Saison für die U 19 des HSV.

Perspektive: Alles offen

Öztunali hat sich in der Hamburger U 19 festgespielt, in zwölf von 13 Saisonspielen stand er in der Startelf. "Man muss gucken, ob er durchhält. Weil er sein Abitur machen will, hat er jeden Tag Schule und Training. Das ist Stress. Aber da muss er durch, wenn er Profi werden will", mahnt Uwe Seeler.

Weniger Zweifel an der fußballerischen Zukunft des Talents hat da Bastian Reinhardt, der Chef der Hamburger Nachwuchsabteilung: "Wir trauen ihnen [Öztunali und Jonathan Tah, d. Red.] zu, den Sprung in den Profikader zu schaffen, und das recht zügig. Die Entscheidung ist noch offen. Ich hoffe aber, dass wir bald zu einem positiven Abschluss kommen."

Fest steht: Der FC Bayern hat Interesse an Levin Öztunali und der Vertrag des Mittelfeldspielers beim HSV läuft Ende Juni 2013 aus. Der Enkel von Uwe Seeler in München? Für die Hamburger Fans ein Alptraum. Die Hanseaten werden ihrem Juwel allerdings eine Perspektive bieten müssen, um es zu halten. Sonst könnte Öztunali seinen Abnabelungsprozess knapp 800 Kilometer weiter südlich voran treiben.

Levin Öztunali im Steckbrief

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