Antoine Griezmann im Interview: "Abends im Bett hat man die Bilder vor Augen"

Antoine Griezmann hat mit Atletico Madrid die Europa League gewonnen.
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Antoine Griezmann gehört zu den besten Fußballern der Welt, ist der Superstar von Atletico Madrid und Gillette-Markenbotschafter. Mit der Europa League hat er in dieser Saison seinen ersten großen Titel gewonnen. Im Sommer will er mit Frankreich Weltmeister werden.

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Im Interview spricht der 27-Jährige über den Traum vom Champions-League-Sieg, seinen verschossenen Elfmeter im Finale 2016 gegen Real Madrid und seine Zukunft.

SPOX: Herr Griezmann, Sie haben mit dem Gewinn der Europa League endlich Ihren ersten großen Titel mit Atletico gewonnen. Wie wichtig war diese Trophäe, um auch das Gerede über eine mögliche Final-Phobie verstummen zu lassen?

Antoine Griezmann: Sehr wichtig. Ich war seit einigen Jahren hinter einem großen Titel her. Ich war sowohl mit dem Klub als auch mit der französischen Nationalmannschaft schon nahe dran, aber es hat nicht geklappt und ich habe das Champions-League-Finale 2016 und das EM-Finale im selben Jahr verloren. Deshalb war das Europa-League-Finale in Lyon eine große Chance für mich und die Mannschaft - zum Glück haben wir die genutzt.

SPOX: Auch in der Liga haben Sie mit Atletico eine gute Saison hinter sich, wurden Zweiter hinter dem FC Barcelona. Wie realistisch ist der Titelgewinn in der Liga bei der Konkurrenz mit Barca und Real Madrid?

Griezmann: Meister in Spanien zu werden, ist natürlich sehr schwierig, weil Barcelona und Madrid seit Jahren auf sehr hohem Niveau spielen und auch ein Budget zur Verfügung haben, das unseres um Längen übersteigt. Aber wir versuchen es jedes Jahr aufs Neue und hoffen, dass es irgendwann klappt.

SPOX: Ihr großes Ziel dürfte dennoch die Champions League sein, Sie waren ja schon mal so nahe dran.

Griezmann: Die Champions League ist eine Obsession für mich und den Klub. Der Titel ist seit Beginn meiner Karriere das große Ziel. Ich will diesen Pokal unbedingt gewinnen.

SPOX: In diesem Jahr scheiterte Atletico aber schon in der Vorrunde.

Griezmann: Wir sind nicht ausgeschieden, weil wir gegen die großen Teams Chelsea und Roma schlecht gespielt haben, sondern weil wir gegen Qarabag zweimal Unentschieden gespielt haben. Das darf uns eigentlich nicht passieren.

SPOX: Blicken wir zurück auf das von Ihnen angesprochene Finale 2016. Sie haben damals beim Stand von 0:1 einen Elfmeter verschossen. Trotzdem sind Sie später beim Elfmeterschießen wieder angetreten. Wie schwer war es, den Kopf frei zu kriegen?

Griezmann: Das war extrem schwierig, weil ich glaube, dass wir das Spiel gewonnen hätten, wenn ich den Elfmeter verwandelt hätte. Aber ich habe nur die Latte getroffen, das war sehr bitter. Beim Elfmeterschießen wollte ich unbedingt als Erster antreten. Aber der erste Schuss ist mir wochenlang nicht aus dem Kopf gegangen.

SPOX: Wie verarbeitet man so einen negativen Moment dann?

Griezmann: Man versucht, so schwer das auch ist, nicht so viel daran zu denken und es irgendwie zu verdrängen. Tagsüber hat das auch gut funktioniert, da gibt es genügend Möglichkeiten, sich abzulenken, indem man mit seiner Familie und Freunden etwas unternimmt. Aber wenn man abends im Bett liegt, kommt alles wieder zurück und man hat die Bilder vor Augen. Mittlerweile bin ich allerdings frei und habe den Fehlschuss verarbeitet. Ich würde wieder antreten, wenn es zu einem Elfmeter in einem Finale kommen sollte.

SPOX: Ist mentale Stärke eine der wichtigsten Eigenschaften eines Fußballers?

Griezmann: Ganz sicher. Am Ende ist es ja so, dass der Kopf die Füße steuert. Man kann technisch im Grunde noch so gut sein, wenn der Kopf nicht mitmacht in den entscheidenden Situationen, wird man ein durchschnittlicher Spieler bleiben. Man muss stark sein im Kopf, man muss in den schweren Momenten bereit sein und darf auch in den guten Phasen nicht vergessen, dass es auch schiefgehen kann und nicht übermütig werden.

SPOX: In Deutschland gab es zuletzt eine von Per Mertesacker ausgelöste Debatte über Druck im Fußball. Wie gehen Sie mit diesem Druck um?

Griezmann: Ich versuche, im Vorfeld alles auszublenden und mir darüber keine Gedanken zu machen. In der Kabine will ich noch mit den Jungs Spaß haben und dann konzentriere ich mich voll und ganz auf das Spiel.

SPOX: Sie sind mit 14 Jahren sehr früh nach Spanien gewechselt und haben bei Real Sociedad die Jugendmannschaften durchlaufen. Wurden Sie dort gut auf den Beruf des Profifußballers vorbereitet?

Griezmann: Ja. In Spanien geht es vor allem um das Spiel, das hat mir geholfen. Ich habe hier erreicht, was ich mir vorgenommen habe, spiele bei einem großen Klub und auch in großen Spielen. In die Nationalmannschaft habe ich es mit meinem Weg auch geschafft. Insofern habe ich alles richtig gemacht.

SPOX: In Frankreich wollten Sie die Akademien der großen Klubs nicht, weil Sie zu klein und schmächtig waren. Haben Sie dadurch sehr früh gelernt, für Ihre Ziele zu kämpfen?

Griezmann: Beide Länder hatten zum damaligen Zeitpunkt komplett unterschiedliche Philosophien. In Frankreich musste man eine bestimmte Größe haben, sonst kam man nicht infrage. In Spanien setzte man mehr auf Talent, technische und taktische Fähigkeiten. Das hat natürlich viel besser zu mir gepasst und nur so konnte ich mir meinen Traum vom Fußballprofi verwirklichen.

SPOX: Frankreich hat sich in den letzten Jahren aber wieder in der Weltspitze etabliert. Was hat sich dort geändert?

Griezmann: Ich weiß es nicht genau, weil ich die Ausbildungspläne des Verbands nicht kenne. Aber ich sehe, dass wir in Frankreich viele gute junge Spieler haben. Und ich hoffe, dass auch in Frankreich wieder mehr auf das Talent gesetzt wird als auf körperliche Fähigkeiten.

SPOX: Auch mit der Nationalmannschaft haben Sie Rückschläge hinnehmen müssen. Bei der WM 2014 unterlagen Sie im Viertelfinale Deutschland, bei der Heim-EM 2016 verloren Sie das Finale gegen Portugal. Ist das Ihr Antrieb für die WM in diesem Jahr in Russland?

Griezmann: Die Erfahrung lehrt, dass wir uns in den Details verbessern und in den entscheidenden Momenten abgezockter werden müssen. Ich nehme mich da nicht aus, ich muss mich auch noch verbessern, aber mein Ziel ist klar: Ich will Frankreich zum WM-Titel 2018 führen.

SPOX: Was erwarten Sie vom Titelverteidiger Deutschland?

Griezmann: Deutschland hat wieder eine starke Mannschaft, sie werden ziemlich sicher bis ins Halbfinale kommen und dann hängt es eben von Kleinigkeiten ab, ob es noch weitergeht. Aber Deutschland gehört auf jeden Fall zu den Titelfavoriten in Russland.

SPOX: Mit Manuel Neuer ist der Kapitän der Deutschen nach langer Verletzung nicht bei 100 Prozent, aber er wird spielen. Wäre es ein Vorteil für die anderen Mannschaften gewesen, wenn er ausgefallen wäre? Schließlich scheiterte auch Frankreich 2014 an ihm.

Griezmann: Er war bei der WM 2014 herausragend und der entscheidende Mann bei Deutschland. Er ist auch ein Führungsspieler und für das Innenleben der Mannschaft sehr wichtig, deshalb ist es sicher gut für Deutschland, dass er spielen kann. Sein Ausfall wäre für uns und die anderen Teams kein Vorteil. Deutschland hat mit Marc-Andre ter Stegen noch einen weiteren sehr starken Torhüter, er ist genauso gut wie Neuer. Das wäre kein Qualitätsverlust.

SPOX: Wo sehen wir Sie nach der WM? Weiterhin bei Atletico?

Griezmann: Darüber mache ich mir noch Gedanken, es ist noch nicht alles entschieden.

Antoine Griezmanns Karrierestatistik

TeamZeitSpieleTore
Frankreichseit 20145219
Real Sociedad2009 bis 201420252
Atletico Madridseit 2014209112
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