Sobald Brentford den Ball im Mittelfeld verloren hatte, wusste Trainer Thomas Frank, was kommen würde. "Ein typischer Liverpool-Konter", wie er es ausdrückte. Und das Ergebnis ist fast immer das gleiche. "Ball zu Salah, zack, Tor!" Und er hatte nicht Unrecht.
Nach einem Pass von Darwin Núñez hatte Mohamed Salah den Ball an jenem 12. Spieltag der Premier League am 12. November in aller Ruhe angenommen und ihn zur 1:0-Führung für Liverpool in einem bis dahin ausgeglichenen Spiel ins Tor geschossen.
Salah traf beim letztlich souveränen 3:0 anschließend erneut, doch Liverpools Coach Jürgen Klopp machte Frank nach dem Spiel ein großes Kompliment. "Vor mehr als 20 Jahren, als ich meine Karriere als Trainer begann, wollte ich eine Mannschaft aufstellen, gegen die niemand spielen wollte", sagte er. "Gegen diese Mannschaft sind wir heute angetreten."
Frank jedoch wollte lieber über den Mann sprechen, der den Unterschied gemacht hatte. "Mo Salah ...", begann der Däne mit einer unverkennbaren Mischung aus Ehrfurcht und Resignation in seiner Stimme. "Klopp lobt mich sehr, aber ich weiß nicht, ob Salah genug Lob bekommt. Ich denke, er ist der potenziell beste Spieler der Premier League."
"In Bezug auf Tore und Assists, was für eine Quote! Er gehört sicher zu den besten Offensivspielern der Welt - und zwar nicht zu den Top 10, sondern zu den Top drei. Wenn der Gegner einen Spieler dieser Qualität hat, dann weiß man, dass man Probleme bekommen wird. Selbst beim ersten Tor trifft nicht jeder Spieler in dieser Situation, das zeigt seine Qualität."
Salahs Volltreffer - am Wochenende erzielte der Ägypter beim 2:1 gegen Crystal Palace, das Liverpool die Tabellenführung bescherte, sein 200. Tor in der Premier League - sind kein Zufall. Dass der Ägypter für Liverpool trifft, hat etwas Unvermeidliches - und deshalb werden seine wöchentlichen Heldentaten oft als selbstverständlich angesehen.
Salah hat das Bemerkenswerte zur Routine gemacht - und deshalb hat Frank zu 100 Prozent Recht, wenn er sagt, dass der Stürmer oft nicht die Anerkennung bekommt, die er verdient.
Eine lange Geschichte der Ballon-d'Or-Enttäuschungen für Mohamed Salah
Salah hat es bei der diesjährigen Ballon-d'Or-Wahl nicht einmal unter die Top 10 geschafft. Man könnte zwar argumentieren, dass er ein Opfer von Liverpools miserabler Saison 2022/23 und Ägyptens verpasster Qualifikation für die Weltmeisterschaft war, aber letztendlich ist es eine individuelle Auszeichnung, und es braucht eine besondere Art von Spieler, um in einer schwächelnden Mannschaft zu glänzen - und genau das hat Salah getan. Nur Erling Haaland (61) und Kylian Mbappe (50) waren in der vergangenen Saison in allen Wettbewerben der fünf großen europäischen Ligen direkt an mehr Toren beteiligt als Salah (46).
Doch Salahs Klasse wurde von den Ballon-d'Or-Wählern nie vollständig anerkannt. So belegte er beispielsweise 2021 den siebten Platz, als er in der Premier League im Schnitt ein Tor pro Spiel erzielte und beeindruckende Solotreffer gegen Mannschaften wie Manchester City gemacht hatte. Auf die Frage nach seiner Platzierung lächelte Salah und sagte "Kein Kommentar", während Klopp lediglich erklärte: "Mo hätte definitiv weiter oben stehen müssen."
Alan Shearer hingegen war wütend: "Woche für Woche, Jahr für Jahr zeigt Salah magische Leistungen. Warum er nur den siebten Platz erreicht hat, kann keiner erklären. Salah ist im Moment der Beste der Welt. Der beste Torschütze und der beste Spieler, Punkt."
Mohamed Salah? "Eine Tormaschine"
Es ist die Konstanz, die ihn auszeichnet. Wenn Klopp sagt, Salah sei "eine Tormaschine", trifft er schlicht den Nagel auf den Kopf. Der Mann hört einfach nie auf, Tore zu schießen - auch weil er nie zusammenbricht.
In den sieben Spielzeiten, die er seit seinem Wechsel von der AS Rom zum FC Liverpool absolviert hat - die 46 Millionen Euro Ablöse war die bestangelegte Summe in der Geschichte des Vereins - hat Salah nie weniger als 48 Spiele pro Saison bestritten. Er musste nur drei Premier-League-Spiele verletzungs- oder krankheitsbedingt aussetzen, was einfach nur erstaunlich ist - und ein Beweis für seine erstaunliche Professionalität.
Selbst in einer Gruppe von Spielern, die für ihre Arbeitsmoral und ihr Durchhaltevermögen bekannt sind, sticht Salah laut Vereinskapitän Virgil van Dijk heraus. Liverpools Fitness- und Konditionschef Andreas Kornmayer sagte mal, dass Salah, wenn man ihm sagt, er solle 30 Minuten vor dem Training erscheinen, eine Stunde früher komme.
Die Ergebnisse von Salahs erstaunlichem Einsatz sprechen für sich. Nach seinem Tor gegen Palace beim Comeback-Sieg am Samstag im Selhurst Park hat er nun 200 Tore in nur 327 Einsätzen für Liverpool erzielt und 150 Premier-League-Tore in seiner Karriere gemacht.
Er ist Liverpools Rekordtorschütze in der Premier League und hat auch in den europäischen Wettbewerben mehr Treffer für die Reds erzielt als jeder andere Spieler. Wirklich verrückt ist die Geschwindigkeit, mit der der Flügelspieler diese Rekorde gebrochen hat. Salah (0,61) ist bei den Treffern pro Spiel besser als die beiden besten Torschützen Liverpools, Ian Rush (0,52) und Roger Hunt (0,58) - beide waren klassische Mittelstürmer.
Besser als Steven Gerrard - Liverpools GOAT in der Premier League
Wo genau Salah im Kreis aller Liverpool-Legenden rangiert, ist schwer zu sagen, aber er hat wahrscheinlich noch nicht genug getan, um König Kenny Dalglish zu entthronen, der während seiner Zeit an der Merseyside (1977 bis 1991 als Spieler und Spielertrainer) sechs Meistertitel und drei Europapokale gewann.
Allerdings ist es schwer zu bestreiten, dass er der beste Spieler der Premier-League-Ära ist. Steven Gerrard ist natürlich eine Ikone von Anfield, ein Lokalmatador, dessen Perfektion als Mittelfeldspieler und Größe als Kapitän am besten mit seiner Leistung im Champions-League-Finale 2005 beschrieben werden kann.
Man kann sich nur ausmalen, wie viele Titel Gerrard noch hätte gewinnen können, wenn er die Chance bekommen hätte, während seiner gesamten Karriere in Anfield unter einem Trainer wie Klopp zu spielen.
Gerrard hat jedoch nie die Meisterschaft in der Premier League gewonnen. In seinen besten Jahren wurde er viel zu oft von mittelmäßigen Trainern und schwachen Neuverpflichtungen im Stich gelassen.
"Man muss sagen, dass Salah der beste Premier-League-Spieler ist, den Liverpool je hatte, allein aufgrund seiner Statistiken", sagte der ehemalige Flügelspieler der Reds, Jermaine Pennant, kürzlich. "Wir wissen, was Steven Gerrard für Liverpool getan hat, aber wenn man sich die Tore, die Vorlagen und die Gesamtzahlen ansieht, ist Salah phänomenal und hat alle möglichen Rekorde gebrochen."
Mohamed Salah in der Premier League: Der Beste der Besten?
Salah kann jedoch nicht nur den Titel des besten Liverpooler Spielers in der Premier League für sich beanspruchen. Wir sind jetzt an einem Punkt angelangt, an dem man ihn mit Fug und Recht als das größte Offensivtalent bezeichnen kann, das die Liga je gesehen hat - besser als Michael Owen, besser als Wayne Rooney, besser als Alan Shearer, Didier Drogba oder Sergio Agüero!
"Er ist definitiv einer der besten Torjäger, die die Premier League je gesehen hat - so hoch schätze ich ihn ein", gestand der ehemalige United-Verteidiger Rio Ferdinand. "Ich denke, er ist ein fantastischer Spieler und hat dieses Selbstvertrauen, das ihn von den normalen Spielern unterscheidet."
"Die Beständigkeit, mit der er auf so hohem Niveau gespielt hat, macht ihn zu einem der besten Spieler, die wir in der Premier League gesehen haben." Diese Behauptung ist absolut unstrittig. Aber Salah ist nicht nur ein Torjäger. "Die Leute vergessen oft, wie viele Tore er auch vorbereiten kann", argumentiert Klopp. Und damit hat er vollkommen Recht.
Seit seiner Ankunft in Anfield war Salah an mehr Toren direkt beteiligt als jeder andere Spieler (209) - und das Rennen ist nicht einmal knapp, denn der jetzige Bayern-Torjäger Harry Kane liegt mit 169 Toren weit abgeschlagen an zweiter Stelle. Shearer, Andy Cole, Sergio Agüero, Ian Wright, Didier Drogba und Wayne Rooney waren zweifellos großartige Spieler, aber keiner von ihnen konnte Tore gleichermaßen selbst erzielen wie vorbereiten. Salah dagegen belegt seit Beginn der Premier-League-Saison 2017/2018 den zweiten Platz bei den Assists (62), den vierten bei den kreierten Chancen (402) und den fünften bei den abgeschlossenen Dribblings (360).
Mo Salah vs. Thierry Henry
Wir haben es hier mit einem dieser seltenen Hybrid-Angreifer zu tun, einem Weltklasse-Flügelspieler mit dem Killerinstinkt einer klassischen Nummer neun. In diesem Zusammenhang hat Salah eigentlich nur zwei mögliche Konkurrenten: Cristiano Ronaldo und Thierry Henry.
Hätte der Portugiese mehr Zeit bei Manchester United verbracht, hätte er es wahrscheinlich mit Salahs Leistungen in England aufnehmen können, aber Ronaldo verließ Old Trafford zum ersten Mal ein Jahr nach seiner erfolgreichsten Saison.
Henry hingegen verbrachte seine besten Jahre beim FC Arsenal. Insgesamt spielte er acht sensationelle Spielzeiten im Norden Londons, wo er von Arsène Wenger zum besten Stürmer der Welt gemacht wurde. Es gibt also offensichtliche Parallelen zu der Art und Weise, wie Klopp Salahs Spiel mit Toren - und zwar vielen - bereichert hat.
Der Unterschied besteht natürlich darin, dass Salah nach wie vor überwiegend auf der Außenbahn agiert, während Henry vor allem in der Mitte spielte, aber es gibt viele Gemeinsamkeiten. Henry hatte auch seine persönlichen Probleme mit dem Ballon d'Or.
Der Rekordtorschütze von Arsenal war ein Riesen-Talent, ebenso elegant wie effektiv, eine Schönheit und ein Biest zugleich, das Mannschaften im Alleingang zerreißen konnte, aber auch selbstlos war - was durch die Tatsache unterstrichen wird, dass er der einzige Spieler in der Geschichte der Premier League ist, der in derselben Saison (2002/03) mehr als 20 Tore und mehr als 20 Assists verbuchen konnte. Warum der Ballon d'Or in jenem Jahr an Pavel Nedved ging, bleibt also ein Rätsel.
Sicher, Henry hat in seiner Zeit in England nie die Champions League gewonnen - im Gegensatz zu Salah, der beim Finalsieg von Liverpool gegen Tottenham im Jahr 2019 ein Tor schoss -, aber der Franzose hat zwei Premier-League-Titel und vier Goldene Schuhe gewonnen, womit er dem Liverpooler in diesen beiden Punkten voraus ist.
Ein Abgang nach Saudi-Arabien sogar das Beste, was Salah passieren könnte?
Da der unverwüstliche Salah mit seinen 31 Jahren immer noch auf der Höhe seines Könnens ist, liegt es durchaus im Bereich des Möglichen, dass er mit Henrys Leistungen gleichzieht - oder sie sogar übertrifft. Vieles wird davon abhängen, ob Salah sich am Ende der Saison für einen Wechsel nach Saudi-Arabien entscheidet - nur Jürgen Klopps Veto verhinderte im letzten Sommer einen sofortigen Abschied in die Wüste.
Aber sein Vermächtnis könnte auch bei einem Abgang keinen Schaden nehmen. Im Gegenteil, es könnte sogar das Beste sein, denn vielleicht würde Salah dann endlich die Anerkennung bekommen, die er verdient.
Van Dijk sagte einmal: "Ich denke, dass die Dinge, die er getan hat, später von der Außenwelt viel mehr gewürdigt werden. Wir wissen zu schätzen, was er tagtäglich leistet. Wir sehen all die harte Arbeit, die er leistet. Er muss einfach nur weitermachen."
Und das hat er getan. Er hat nicht nachgelassen und es gibt keine Anzeichen dafür, dass er nachlässt. Mehr als sieben Jahre nach seiner Ankunft in Anfield ist die Abfolge immer noch dieselbe: Ball zu Salah, zack, Tor! Schmerzhaft vorhersehbar für die Gegner - und dennoch nicht zu verhindern.