Außerdem berichtet Herzog von Schnaps-reichen Einstandsritualen bei Werder Bremen, den beiden "Rotzbuam" David Alaba und Marko Arnautovic, Raketen in Israel und wie er beinahe nackt dem heutigen US-Präsidenten Joe Biden begegnet ist. Aktuell trainiert der 53-Jährige den österreichischen Bundesligisten Admira Wacker Mödling.
Herr Herzog, Sie haben kürzlich Ihre Biografie veröffentlicht. Sind Sie im Zuge des Schreibens auf lustige Episoden aus Ihrem Leben gestoßen, die Sie eigentlich schon verdrängt hatten?
Andreas Herzog: Je länger ich nachgedacht habe, desto mehr Geschichten sind mir eingefallen. Zum Beispiel als ich mit 19 oder 20 mein erstes Angebot aus dem Ausland von OSC Lille bekam. Nach einem Derby gegen die Austria habe ich mich mit deren Verantwortlichen getroffen. Weil ich damals keinen Manager hatte, habe ich meinen besten Freund, den Thomas, mitgenommen. Die haben in Englisch auf uns eingeredet. Ich habe wegen der ganzen Aufregung nichts verstanden, aber Thomas hat nach jedem Satz "Oh yes, okay, oh fine" gesagt. Ich war wahnsinnig glücklich, dass er dabei war und alles verstanden hat. Danach hat er mir aber gebeichtet, dass er auch kein Wort verstanden hat. Da saßen wir herum wie zwei Deppen. Das war ein bisschen problematisch, aber letztlich egal, weil die sich danach nie mehr gemeldet haben.
Ihre erste Auslandsstation war Werder Bremen, drei Jahre später sind Sie 1995 zum FC Bayern München gewechselt. Mussten Sie Einstandsrituale absolvieren?
Herzog: Bei Bayern nicht, bei Werder schon. Dort musste man als Neuzugang mit jedem Spieler einen Schnaps trinken. Für mich war das bei einem 20-Mann-Kader unvorstellbar, weil ich eigentlich keinen Alkohol trank. Nach dem dritten Schnaps habe ich den Betrunkenen gespielt und mich geweigert weiterzumachen, was auch akzeptiert wurde. Thorsten Legat hat es ein Jahr vorher durchgezogen, den haben sie danach stocksteif ins Taxi gelegt und heimfahren lassen. Nach den Schnäpsen musste man noch eine Geschichte aus seiner Vergangenheit erzählen.
Was haben Sie berichtet?
Herzog: Ich dachte, dass sie irgendetwas von meiner bisherigen Fußballerkarriere wissen wollten, also begann ich von meinen Anfängen in Wien zu erzählen. Da wurde ich aber sofort unterbrochen. Das würde sie nicht interessieren, sie wollen nur Frauen-Geschichten hören.
Und?
Herzog: Dann habe ich halt erzählt, was mir bis dahin so passiert ist. Zum Glück hatte ich da schon drei Schnäpse intus, sonst hätte ich mich das nicht zu sagen getraut.
Wie ist Ihr durchaus ausgeprägter Wiener Dialekt in Deutschland angekommen?
Herzog: In Bayern war das nichts Besonderes, in Bremen hatte ich deshalb einen Bonus. Dort gelten Österreicher als exotisch. Einmal sprach mich eine ältere Frau auf der Straße an und fragte, ob ich dieser Österreicher sei. Nachdem ich bejaht habe, meinte sie: "Können Sie mal was sagen? Ich finden Ihren Dialekt so lieb."
Zurück zu Ihrem Wechsel zum FC Bayern. Wer waren Ihre ersten Bezugspersonen in München?
Herzog: Am Anfang hatte ich am meisten Kontakt mit Lothar Matthäus und auch mit den anderen Ausländern, vor allem mit meinem Zimmerkollegen Ciriaco Sforza. Mit Jürgen Klinsmann war ich komischerweise nicht so eng, obwohl ich mich am Ende mit ihm am besten verstanden habe.
Wie kam das enge Verhältnis mit Klinsmann zustande?
Herzog: Ich habe bei allen meinen Klubs versucht, mich mit den Torjägern anzufreunden, weil du als Spielmacher ohne ihre Treffer weniger wahrgenommen wirst. Und Jürgen wusste, dass ich ihm mit meiner Spielweise beim Toreschießen helfen kann. So ist über den Sport eine Freundschaft entstanden, die bis heute hält. Er hat mich später in die MLS geholt und zu seinem Co-Trainer bei der US-amerikanischen Nationalmannschaft gemacht. Die Freundschaft mit Jürgen ist das Wichtigste, das ich von meiner Zeit bei Bayern mitgenommen habe.
Mit welchem Mitspieler hatten Sie damals in München am meisten Spaß?
Herzog: Lustig drauf waren alle, aber Jean-Pierre Papin war extrem. Der war ein echter Hallodri. Er wollte dir immer kleine Fallen stellen, hat dir zum Beispiel bei jeder Mahlzeit das Essen oder das Getränk versalzen.
Klinsmann und der vormalige Ballon-d'Or-Gewinner Papin waren nur zwei von vielen großen Charakteren in der damaligen Mannschaft, außerdem gab es noch Matthäus, Oliver Kahn, Thomas Helmer und Mehmet Scholl. Wer war der wahre Anführer?
Herzog: Den hat es nicht gegeben. Vom Standing her war es schon Lothar, aber er war damals viel verletzt. Generell war die Mannschaft in drei Gruppen unterteilt. Eine Gruppe um Lothar, eine um Thomas Helmer und eine mit den Ausländern. Als Ausländer war es schwer, in die deutsche Einheit zu kommen. Und dann gab es noch Jürgen als Einzelgänger.