Herr Dragovic, Sie spielen seit diesem Sommer für Ihren Lieblingsklub Roter Stern Belgrad. Wie sind Sie eigentlich Fan geworden?
Aleksandar Dragovic: Mein Opa hat mich von klein auf zum Roter-Stern-Fan erzogen. Für ihn war der Verein alles. Er war 1991 beim Europapokalsieg im Stadion dabei und hat dafür ein ganzes Monatsgehalt ausgegeben. Meine Verwandten in der Nähe von Belgrad sind auch alle Roter-Stern-Fans.
Sie sind in Wien aufgewachsen. Waren Sie trotzdem manchmal bei Spielen von Roter Stern im Stadion?
Dragovic: Ja, mein Opa hat mich als Kind öfter zu den Derbys gegen Partizan mitgenommen. Wir sind am Samstag zu zweit aufgebrochen, haben am Sonntag das Spiel angeschaut und sind direkt danach zurück nach Wien gefahren. Die Stimmung bei den Spielen hat mich unglaublich fasziniert. Die ganze Polizei um das Stadion, die Pyrotechnik, die Rauchbomben. Das hat sich eingeprägt. Alles war heißblütiger als ich es aus Österreich kannte. Meine Schulkollegen waren alle Austria-Fans, ich habe mir in den Pausen immer Videos von Roter-Stern-Fans angeschaut. Es war schon damals mein Traum, für diese Fans zu spielen.
Seit Sommer leben Sie diesen Traum, Mitte September spielten Sie Ihr erstes Derby gegen Partizan (1:1). Wie haben Sie das Spiel erlebt?
Dragovic: Ich war schon angespannt, weil ich davor noch nie im Partizan-Stadion gespielt habe. Meine Mitspieler haben mir mit ihren Erzählungen ein bisschen Angst gemacht, aber letztlich hat mich die Stimmung dort nicht vom Hocker gerissen. Ich fand den Gästesektor lauter, das haben mir auch meine Freunde im Stadion bestätigt. Ich habe Respekt vor den Partizan-Fans, aber unsere Fans sind lauter. Ich freue mich schon riesig auf unser Heimspiel gegen Partizan. Da wird die Stimmung eine Nummer besser sein. Für unsere Fans ist das Derby alles. Du kannst Meister werden und Champions-League-Spiele gewinnen, aber das ist bei einer Niederlage im Derby relativ egal.
Wie viel Kontakt gibt es bei Roter Stern im Alltag mit den Fans?
Dragovic: Neben unserem Trainingsgelände gibt es ein Cafe, in dem sich die Ultras immer treffen. Da grüßt man sich, führt ein bisschen Smalltalk. Mir macht das Spaß, sie haben schließlich den gleichen Lieblingsverein wie ich. Nach einem Auswärtssieg in der Europa League bei Ludogorez Rasgrad ist die Mannschaft um vier in der Früh am Trainingsgelände angekommen. Unsere Fans haben extra gewartet und mit frenetischem Jubel und Pyrotechnik gegrüßt. Davor muss man den Hut ziehen. Sie sind die besten Fans, die ich in meiner bisherigen Karriere erlebt habe. Aber natürlich ist es ein schmaler Grat: Wenn man verliert, kann es schnell in die andere Richtung gehen.
Stichwort Pyrotechnik: Wären Sie für eine Legalisierung?
Dragovic: Ich bin dafür, dass Pyrotechnik unter Einhaltung aller Sicherheitsvorkehrungen erlaubt wird. Ich finde Pyro einfach geil, als Spieler motiviert mich das zusätzlich.
Die Profistationen von Aleksandar Dragovic
Zeitraum | Klub | Pflichtspiele | Tore |
2008 bis 2011 | Austria Wien | 93 | 1 |
2011 bis 2013 | FC Basel | 112 | 5 |
2013 bis 2016 | Dynamo Kiew | 111 | 2 |
2017 bis 2021 | Bayer 04 Leverkusen | 106 | 4 |
2018 bis 2019 (Leihe) | Leicester City | 16 | - |
seit 2021 | Roter Stern Belgrad | 15 | 1 |
Zumindest sportlich war der Wechsel zu Roter Stern ein Rückschritt. Wurde Ihnen von Vertrauten davon abgeraten?
Dragovic: Es haben mir schon viele Leute gesagt, dass sie den Wechsel nicht verstehen. Mir war es aber am wichtigsten, endlich wieder glücklich zu sein. In Leverkusen war ich das drei Jahre lang nicht. Ich bin nur glücklich, wenn ich jedes Wochenende auf dem Platz stehe. Es gibt mir nichts, wie bei Leverkusen bei einem super Verein in einer super Liga zu spielen, aber nicht wertgeschätzt zu werden. Meiner Meinung nach kann man sich nur durch Spiele weiterentwickeln, nicht durch Trainingseinheiten. Vielleicht gibt mir der Schritt zurück nach Belgrad die Chance, später zwei nach vorne zu gehen. Jetzt bin ich aber erstmal bei Roter Stern und glücklich.
Warum hat es in Leverkusen mit einem langfristigen Stammplatz nicht geklappt?
Dragovic: Im ersten Jahr habe ich Fehler gemacht. Aber wer macht keine Fehler? Dann war ich für eine Saison per Leihe bei Leicester. Nach meiner Rückkehr kann ich mir nichts vorwerfen. Wenn ich gespielt habe, habe ich immer meine Leistung gebracht. Es war für mich nicht nachvollziehbar, dass die Trainer meine Hilfe nur dann wollten, wenn Not am Mann war. Das hat mich gekränkt. Ich habe aber trotzdem immer Vollgas gegeben und mich nie beklagt, weil ich keine schlechte Stimmung in die Mannschaft bringen wollte. Die ganze Situation war psychisch sehr schwer für mich. Dafür genieße ich es jetzt umso mehr, dass ich volles Vertrauen spüre.
Haben Sie in Leverkusen den Austausch mit Ihren Trainern gesucht?
Dragovic: Ja, dann haben sie mich immer gelobt - und trotzdem nicht spielen lassen. Es hieß, dass ich super trainiere und meine Zeit noch kommen wird. Wie ich jetzt weiß, haben sie mich aber nur warmgehalten.
Hätten Sie Leverkusen im Nachhinein gesehen besser früher verlassen?
Dragovic: Das ist nicht so einfach, wie sich das manche Leute vielleicht vorstellen. Gerade seit Corona ist es schwer, einen Verein zu finden, bei dem es finanziell passt und wo man eine Aussicht auf einen Stammplatz hat. In den entsprechenden Transferfenstern hat es nicht so viele für mich interessante Vereine gegeben, die sich um mich bemüht haben. Mit den Verantwortlichen von Roter Stern bin ich seit einem Jahr in Kontakt. Sie haben sich immer wieder bei mir gemeldet und ich bin froh, dass es im Sommer geklappt hat.