"Zudem wird Joseph Blatter eine treuwidrige Zahlung von zwei Millionen Franken im Februar 2011 an Michel Platini (...) zu Lasten der FIFA vorgeworfen, angeblich für die zwischen Januar 1999 und Juni 2002 geleisteten Dienste", heißt es in der Pressemitteilung der Bundesanwaltschaft. Platini sei als "Auskunftsperson" von Vertretern der Bundesanwaltschaft vernommen worden.
Im Korruptionsskandal wird der Schweizer (79) damit erstmals auch persönlich für die kriminellen Machenschaften in seinem Imperium juristisch zur Verantwortung gezogen. Eine Fortsetzung seiner Präsidentschaft bis zum geplanten Abtrittstermin 26. Februar 2016 erscheint undenkbar. Die Folgen für den Franzosen Platini, der als "Auskunftsperson" angehört wurde, und dessen Kandidatur für Blatters Nachfolge sind noch nicht abzusehen.
"Verletzung seiner Treuepflichten"
"Die Bundesanwaltschaft der Schweiz hat gegen den Präsidenten der FIFA ein Strafverfahren wegen des Verdachts der ungetreuen Geschäftsbesorgung sowie - eventualiter - wegen Veruntreuung eröffnet", teilte die Schweizer Bundesanwaltschaft in Sachen Blatter mit und gab mehrere Vorwürfe an.
Es bestehe der Verdacht, dass Blatter im September 2005 mit der Karibischen Fußball-Union (CFU) einen für die FIFA ungünstigen Vertrag abgeschlossen habe. Zudem soll er bei der Umsetzung des Vertrages "in Verletzung seiner Treuepflichten gegen die Interessen der FIFA" verstoßen und 2011 eine "treuwidrige Zahlung" an Platini geleistet haben. Die Höhe: Zwei Millionen Schweizer Franken.
"Bezüglich der Zahlung, die ich erhalten habe, stelle ich fest, dass dieser Betrag mit meiner vertraglich vereinbarten Arbeit für die FIFA zusammenhängt. Ich bin froh, alle diesbezüglichen Angelegenheiten mit den Behörden geklärt zu haben", teilte er am Freitagabend mit.
Platini als Zeuge verhört
Blatter wurde am Freitag von Vertretern der Bundesanwaltschaft der Schweiz im Anschluss an die Sitzung der FIFA-Exekutive in Zürich als Beschuldigter einvernommen. Platini wurde gleichzeitig als Zeuge befragt. Die Bundesanwaltschaft führte zudem mit Unterstützung der Bundeskriminalpolizei (BKP) eine Hausdurchsuchung bei der FIFA in Zürich durch. Dabei wurde auch das Büro des FIFA-Präsidenten durchsucht und Datenmaterial sichergestellt.
Die FIFA hat der Schweizer Bundesanwaltschaft in einer ersten Reaktion auf die Ermittlungen gegen Präsident Joseph S. Blatter die volle Unterstützung zugesagt. "Die FIFA hat alle angeforderten Dokumente, Daten und Informationen zur Verfügung gestellt. Wir werden auch bei den weiteren Untersuchungen auf diesem Level kooperieren", teilte die FIFA in einer Pressemitteilung mit.
Niersbach fassungslos, Platini mit Rückendeckung
"Die Nachricht macht mich fassungslos", sagte Wolfgang Niersbach, Präsident des DFB, der auch an der Exekutiv-Sitzung am Freitag teilnahm: "In der Sitzung ist das mit keiner Silbe erwähnt worden. Ich habe das FIFA-Gebäude in dem Glauben verlassen, dass sich Sepp Blatter in der angesetzten Pressekonferenz zur aktuellen Lage äußern wird." So weit kam es aber nicht - um exakt 16.22 Uhr platzte die Bombe.
Nach der Anhörung Michel Platinis durch die Schweizer Bundesanwaltschaft hat Frankreichs Premierminister Manuel Valls dem Präsidenten der UEFA den Rücken gestärkt. Er habe "volles Vertrauen" in seinen Landsmann, sagte Valls bei France Info. Die Justiz müsse im Skandal beim Weltverband FIFA nun "ihren Job machen", aber "wir sind glücklich, dass wir Michel Platini haben. Er war ein großartiger Sportler, er ist ein großartiger Funktionär."
Ethikkommission hält sich bedeckt
Auch am Morgen nach dem "Blatter-Beben" hält sich die FIFA-Ethikkommission noch bedeckt. Das Gremium, deren rechtsprechender Kammer der deutsche Richter Hans-Joachim Eckert (München) vorsitzt, ist die zuständige Instanz, die eine provisorische Sperre gegen FIFA-Präsident Joseph S. Blatter aussprechen könnte.
"Besteht der Verdacht auf Verstoß gegen das Ethikreglement und erscheint eine rechtzeitige Entscheidung im ordentlichen Verfahren zweifelhaft, so kann der Vorsitzende der rechtsprechenden Kammer auf Antrag des Vorsitzenden der Untersuchungskammer (...) vorsorgliche Maßnahmen (zum Beispiel provisorische Sanktionen) erlassen", steht in Artikel 83 des Ethikcodes.