Recruiting in aller Welt
Auf dem malerischen Eiland gelingen ihm und seinem Team in kurzer Zeit große Fortschritte - unter anderem bringt er eine Reihe von Spielern in größeren Ligen aus aller Welt unter. Um die Nationalmannschaft jedoch entscheidend nach vorn zu bringen, braucht er jeden guten Spieler, den er kriegen kann. Vor allem in den USA wird er fündig - doch diese potenziell spielberechtigen Akteure von einer Karriere im Guam-Dress zu überzeugen, ist ein hartes Stück Arbeit - wer reist schon gerne um die halbe Welt, nur um sich dann regelmäßig zweistellig aus dem Stadion schießen zu lassen?
"Ich bin losgezogen um diese Spieler zu finden", erinnert er sich im Gespräch mit SPOX. "Spieler, die eigentlich aus Guam stammen, aber auch sonstige Spielberechtigte, aufgrund ihrer Eltern oder Großeltern." Seine früheren Kontakte aus der MLS helfen ihm dabei. "Ich habe die Spieler persönlich getroffen und ihnen genau erklärt, was wir in Guam machen. Es war wichtig, das von Angesicht zu Angesicht zu tun. Damit sie sehen, dass wir es ernst meinen."
Ein Unterfangen, welches ihm eine schöne Stange Bonusmeilen einbringt. Bei Ryan Guy von den New England Revolution etwa dauert es sechs Monate, bis White ihm vom Konzept des Archipels irgendwo im nirgendwo überzeugt. "Kleinigkeiten wie ein Anruf an ihrem Geburtstag, selbst wenn sie in den USA und du selbst in Guam bist. Das macht einen Unterschied."
Vorsprung durch Kultur und Qualität
Einen Unterschied macht White auch nach Anpfiff. Wo die früheren Coaches vor allem darauf bedacht sind, haushohe Niederlagen zu vermeiden, implementiert der Engländer ein neues Bewusstsein in der Mannschaft. "Als ich ankam, brauchten die Spieler etwas, woran sie glauben können. Das sah man ihnen an", so White gegenüber der BBC. Er schlägt eine Brücke zwischen den Spielern, viele schon seit ihrer Kindheit im Ausland, und der indigenen Chamorro-Kultur. Auch durch den Inifresi-Gesang vor dem Spiel. "Die Fans und das Team lieben ihn, er schafft einen Bund und macht uns einzigartig."
Dazu schlägt der Mix aus dem japanisch-technischen Spiel und den Neuzugängen amerikanischer Prägung an. Und so verbessern sich auch die Resultate. "Ich hatte schon immer die Hoffnung, dass wir mit dem richtigen Trainer und dem richtigen Konzept etwas erreichen können - aber in der WM-Qualifikation? Das ist fantastisch", zeigt sich etwa Kapitän Jason Cunliffe begeistert. Er spielt seit 2006 für das Nationalteam, hatte die Insel aber schon mit 14 verlassen. "Damals gab es keine National Academy, der Verband hatte nicht die gleichen Ressourcen wie heute. Ich hatte keine andere Wahl." Mit White habe sich alles geändert: "Er hat einen unglaublichen Einfluss auf alles, was wir erreicht haben."
Erfahrung sammeln in Teheran
Die ultimative Herausforderung steht dem sympathischen Underdog, derzeit die 146 der Weltrangliste, am Donnerstag bevor. Um 16.30 Uhr deutscher Zeit geht es in die Höhle des Löwen - das Azadi Stadion in Teheran. Gegen den großen Favoriten Iran müssen die Matao zeigen, wie weit sie wirklich sind. "Sie sind das beste Team in Asien, und das aus gutem Grund. Sie haben Spieler, die auf der ganzen Welt aktiv sind", zeigt sich White gegenüber SPOX vorsichtig.
Man freue sich auf diese Erfahrung, vor über 128.000 fanatischen Fans aufzulaufen: "Unser Ziel ist es, dort gegenzuhalten - und dann schauen wir mal, wie weit wir vom besten Team Asiens noch entfernt sind." Das Ziel ist dennoch klar: "Wir sind Spitzenreiter der Gruppe D und wollen das auch nach diesen Länderspielterminen noch sein." Da dürfen auch Visa-Probleme der letzten Wochen keine Entschuldigung sein.
Wie weit reicht das neue Selbstbewusstsein Guams? Guam bei der Endrunde in Russland - in einer Gruppe mit dem Titelverteidiger? "Der Druck liegt auf dem Iran, für uns ist jedes Spiel wie ein WM-Finale", wehrt White verfrühte Ansprüche bei footballchannel.asia ab. "Wir sehen uns selbst als Bananenschalen-Team. Wir wollen viele andere auf uns ausrutschen lassen."
Es wäre verfrüht, im Übereifer Tickets für Jekaterinburg oder Nowgorod zu ordern. Um eine Chance auf die WM zu haben, müsste Guam Gruppenerster bleiben oder zu den besten vier Zweitplatzierten gehören - und selbst dann gilt es noch eine weitere Gruppenphase zu überstehen. Whites Kader ist klein, die Reisestrapazen gerade in Asien enorm. Es ist wahrscheinlich, dass Cunliffe und Co. bald wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt werden.
Erst Guam, dann Japan - dann England?
Wie weit der Underdog es am Ende auch bringen mag: Guam wird nicht die letzte Station in der Trainerlaufbahn von Gary White bleiben. Aus ursprünglich nur einem Jahr werden wohl vier, dann ist Schluss. "Ich habe vor, nach der WM-Qualifikation mit Guam weiterzuziehen", gibt er zu. Dabei gefalle es ihm im Pazifik außerordentlich gut: "Ich habe hier ein Apartment, einen Sportwagen, einen Deal mit Lacoste, das Leben ist also fantastisch. Das Wetter ist wunderbar und die Strände sollen der Hammer sein. Ich hoffe nur dass ich sie eines Tages zu Gesicht bekomme...", scherzt er.
Als nächstes soll es dennoch ein Klub werden. Sein Ziel in den nächsten Jahren: entweder die koreanische K-League oder die japanische J-League. Irgendwann soll es den Weltenbummler, der bei der englischen FA bereits einen zweijährigen Kurs für Elite-Coaches absolviert hat, auch wieder in die Heimat verschlagen. "Ich will zurückgehen und allen zeigen, was ich kann. Warum holen die Klubs niemanden, der etwas zu beweisen hat? Wäre diese Mentalität nicht gut für den Klub und die Fans?"
Ein ultimatives Ziel hat der selbstbewusste Übungsleiter bereits offensiv formuliert: Nationaltrainer der Three Lions. "Wie man an meinen bisherigen Stationen sehen kann: Ich liebe Herausforderungen."