Jetzt hat Ronald Koeman keine Wahl mehr! Wout Weghorst macht den Unterschied
Es war durchaus überraschend, dass Niederlande-Coach Ronald Koeman in der Offensive erneut auf Steven Bergwijn setzte. Auf der Bank nahmen derweil erneut Doppelpacker Donyell Malen aus dem Achtelfinale und Wout Weghorst Platz.
Letzterer kam schließlich für den erneut schwachen Bergwijn zur Pause ins Spiel und drehte die Partie durch seine im Vergleich völlig andere Spielweise auf den Kopf. Er brachte gegen Türkeis Bollwerk genau die Komponente ins zuvor (mal wieder) eingeschlafene Offensivspiel der Oranje hinein, die zuvor ganz offensichtlich gefehlt hatte.
Beim Ausgleich nach einem Eckball, den er mit dem bis dahin besten Abschluss seines Teams selbst herausgeholt hatte, zog der 1,97 Meter große Stürmer gleich zwei Verteidiger auf sich. Vor dem 2:1 machte er den Ball in typischer Manier mit dem Rücken zum Tor fest. Schon beim Sieg über Polen war Weghorst der Gamechanger.
Mehr als genug Gründe, um einen Platz in der Startelf gegen England zu rechtfertigen. Das dürfte auch Koeman bewusst sein.
Ironie des Schicksals: Türkei fällt der eigenen Waffe zum Opfer
Fasst man die Treffer der Türkei im bisherigen Turnierverlauf etwas überspitzt zusammen, lassen sie sich auf Traumtore und vor allem Standards herunterbrechen. Ersteres vor allem in der Gruppenphase, Zweiteres ausschließlich in der der K.o.-Runde.
Es gibt zweifellos keine Mannschaft, die bei ruhenden Bällen gefährlicher als die Türkei ist. Alle drei Treffer im Achtel- und Viertelfinale resultierten aus einem Eckball. Das liegt auch an der Varianz, die das Montella-Team in seine Standardsituationen bringt. Zudem sind die Türken auch bei Freistößen stets gefährlich - mal direkt durch Calhanoglu oder Güler, mal kommt der Ball auf den langen Pfosten.
Zum Vergleich: Alle anderen Teams haben nach der Gruppenphase insgesamt erst zwei Treffer nach einem Standard erzielt - Harry Kane bei Englands Sieg über die Slowakei in der Verlängerung und ausgerechnet Stefan de Vrij beim niederländischen Ausgleich. Getreu der Redewendung: Ironie des Schicksals.
Türkeis Trainer Vincenzo Montella avanciert (fast) zum Taktikgenie
Nach einer nicht wirklich überzeugenden Gruppenphase musste sich der türkische Trainer Vincenzo Montella gegen jeweils zwei qualitativ bessere Teams etwas einfallen lassen. Gegen Österreich fehlten in Samet Akaydin und Mittelfeldstratege Hakan Calhanoglu gleich zwei absolute Stammspieler.
Montella machte die Not zur Tugend und löste kurzerhand sein 4-2-3-1-System auf und formierte sein Team auf eine Dreierkette mit vier Mittelfeldspielern und drei Angreifern rum. Die Folge war ein deutlich stabileres Zentrum - mit dem positiven Nebeneffekt, dass Arda Güler etwas zentrumsnaher spielen durfte und nicht wie zuvor an den rechten Flügel gebunden war.
Vor dem Spiel gegen die Niederlande hörten die personellen Sorgen jedoch nicht auf. Ganz im Gegenteil. Neben dem gesperrten Merih Demiral fehlten Orkun Kökcü und Ismail Yüksek wegen zu vielen Gelben Karten. Montella hielt jedoch an seiner Formation fest und zog Calhanoglu überraschend eine Position zurück und stellte ihm Abräumer Salih Özcan vom BVB an die Seite.
Ein Kniff, der lange erneut aufging. Calhanoglu nahm seine Rolle an und Özcan zeigte nach vor der EM enttäuschenden Leistungen bei Borussia Dortmund sein bestes Spiel seit Monaten. Das kann kein Zufall sein - und ist vorrangig Montella zuzuschreiben, der seine Mannschaft in wichtigen Spielen offenbar perfekt einstellen kann. Trotz der vielen Hindernisse.
Dennoch muss sich Montella den Vorwurf gefallen lassen, dass seine Mannschaft nach der Pause viel zu passiv war und es der Oranje ermöglichte, in das Spiel zu finden. Das wurde teuer bezahlt.
Türkei vs Niederlande: Die Daten zum Spiel
Niederlande vs. Türkei 2:1 (0:1) | |
Tore | 0:1 Akaydin (35.), 1:1 de Vrij (70.), 2:1 Gakpo (76.) |
Aufstellung Niederlande | Verbruggen - Dumfries, de Vrij, van Dijk, Aké - Schouten, Reijnders, Bergwijn (46. Weghorst), Xavi, Gakpo - Depay |
Aufstellung Türkei | Günok - Ayhan, Akaydin, Bardakci - Müldür, Özcan, Calhanoglu, Kadioglu, Arda Güler - Yilmaz, Yildiz |
Gelbe Karten | Xavi (30.), Aké (54.), van Dijk (64.) - |