Vor 30.000 Zuschauern im ausverkauften Stadion von Lwiw war die deutsche Mannschaft über weite Strecken die überlegene Mannschaft, wurde aber erst in der Schlussphase dank Gomez' ersten Treffer bei einer EM erlöst. Portugal hatte mehrere Chancen, darunter zwei Lattentreffer, konnte aber keine nutzen.
Am Mittwoch trifft das deutsche Team auf die Niederlande, die nach dem 0:1 gegen Dänemark fast schon zum Siegen verdammt ist.
Reaktionen:
Joachim Löw (Trainer Deutschland): "Ich bin mit der Gesamtleistung der Mannschaft sehr zufrieden, weil wir in diesem ersten Spiel taktisch sehr gut gespielt haben. Wir sind dran geblieben, wir waren aufsässig. Wir haben 1:0 gewonnen, das ist mal das Allerwichtigste. Klar wäre Miroslav in diesem Moment gekommen, aber der Mario macht dann das Tor. Da haben wir noch ein paar Minuten gewartet. Im ersten Spiel will keine Mannschaft in Rückstand geraten. Es gibt ja immer eine Initialzündung, wenn man das erste Spiel gewinnt."
Mario Gomez: "Ich hatte zwei erfolgreiche Jahre hinter mir. Es war ein weiter Weg und ich bin glücklich, das mir der Trainer das Vertrauen geschenkt hat. Mit dem Tor konnte ich etwas zurückgeben. Der Ball war abgefälscht bei der Flanke. Er kam mir genau auf den Schädel, es war nicht ganz so schwer."
Sami Khedira: "Heute war ein sehr wichtiges Spiel, weil es der Start ins Turnier war. Von daher ist der Sieg umso wichtiger. Es war ein sehr laufintensives Spiel, gegen Ende haben uns die Kräfte ein bisschen verlassen. Wir haben uns nicht locken lassen, die Mannschaft hat das hervorragend umgesetzt. Holland steht mit dem Rücken zur Wand. Das wird nicht einfacher als heute. Wir müssen unsere Kräfte wieder mobilisieren."
Jerome Boateng: "Jeder weiß, was Cristiano Ronaldo für eine Klasse hat. Wir haben das als Mannschaft gut gelöst. Ganz ausschalten kann man ihn nicht. Ich glaube, er hatte zwei oder drei Torschüsse. Die Kritik von Joachim Löw hat mich beflügelt, die ganze Mannschaft stand hinter mir. Das Thema ist abgehakt."
Der SPOX-Spielfilm:
Vor dem Anpfiff: Zwei Überraschungen in der deutschen Elf. Hummels und Gomez statt Mertesacker und Klose in der Startelf. Schweinsteiger ist rechtzeitig fit und kann spielen. Bei den Portugiesen spielt Helder Postiga statt Hugo Almeida im Sturm.
1.: Boateng flankt aus dem rechten Halbfeld, Pepe sieht im Kopfballduell gegen Gomez alt aus! Kopfball aufs lange linke Eck, aber Patricio hält.
9.: Özil schickt Müller über rechts, der passt scharf die Strafraumkante entlang zurück auf Podolski. Der packt den linken Außenrist aus und visiert das kurze Eck an. Portugals Keeper lenkt den Ball an den Posten.
25.: Pepe foult Khedira in der Nähe des Strafraums. Khediras Pass kommt dennoch an, Gomez dreht sich und schiebt den Ball ins lange Eck. Aber: Schiedsrichter Lannoy gibt Foul statt Vorteil. Fehlentscheidung, es hätte die deutsche Führung sein können.
45.: Ein Eckball landet bei Pepe, der sich den Ball zurechtlegt und aus zehn Metern an die Latte zirkelt! Von dort springt der Ball direkt auf die Linie: Knapp, aber gut sichtbar kein Tor!
64.: Die Portugiesen kontern, Moutinho setzt Ronaldo wunderbar links in Szene. Der will schon abschließen, aber da kommt Boateng geflogen und rettet mit der Grätsche im letzten Moment.
73., 1:0, Gomez: Flanke Khedira von rechts, fast aus dem Halbfeld, und am langen Pfosten schleicht sich Gomez in Pepes Rücken weg, setzt sich gegen Pereira durch und köpft gegen Patricios Laufrichtung per Aufsetzer ins rechte Eck!
89.: Die Riesenchance zum Ausgleich: Ein Ronaldo-Pass von links geht durch zum völlig freien Varela am rechten Fünfereck - und Neuer macht sich zum Riesen und hält den Ball!
Fazit: Knapper, aber verdienter Sieg für Deutschland, weil die DFB-Truppe mehr vom Spiel hatte.
Der Star des Spiels: Mats Hummels. Rutschte überraschend für Per Mertesacker in die Mannschaft und machte eine überragende Partie. Mit Nebenmann Badstuber sehr gut abgestimmt, spielte Hummels nach ein, zwei kleinen Nervositäten zu Beginn eine fehlerfreie Partie. Nach der Führung und der ersten Drangphase Portugals dann der große Abräumer. Alle Fragen für die Innenverteidigung dürften damit geklärt sein. Auch stark: Khedira.
Der Flop des Spiels: Helder Postiga. Es war ein Versuch, den fleißigen, laufstarken Angreifer als Ronaldo-Schattenmann vorne zu bringen. Aber vom Saragossa-Angreifer kam insgesamt viel zu wenig, weil er überhaupt nicht ins Spiel fand und als Schaltstation zwischen Ronaldo und Nani komplett unbrauchbar war. Ein Verdienst der überragenden Innenverteidigung Deutschlands.
Der Schiedsrichter: Stephane Lannoy. Patzer schon nach 25 Minuten, als Khedira zwar von Pepe gefoult wird, aber der Pass dennoch ankommt und in der Folge Gomez das Tor trifft. Lannoy gab Foulspiel statt Vorteil und verhinderte damit die Führung. Insgesamt nicht wirklich Freund der Vorteilsauslegung. Pepes Schuss (45.) war kein Tor, da lag er richtig. Das eine oder andere Foul hätten viele Schiedsrichter nicht gegeben. Richtig waren die Gelben Karten.
Die Trainer:
Joachim Löw: Setzte auf Fitness statt Erfahrung, indem er Gomez und Hummels für Klose und Mertesacker brachte. Beide verpassten den Großteil der Rückrunde aufgrund von Verletzungen und waren Wackelkandidaten. Nur logisch, dass Löw so reagierte. Schweinsteiger ist auch noch nicht richtig fit, aber für Löw eigentlich unverzichtbar und daher in der Startelf. Trotz zahlreicher Alternativen auf der Bank reagierte Löw nicht. Gomez, der das 1:0 machte, stand zur Auswechslung.
Paulo Bento: Nahm Almeida nach dessen schwacher Saison und der unglücklichen Vorstellungen in den EM-Testspielen raus. Der ewige Helder Postiga erhielt das Vertrauen. Aufgegangen ist der Versuch nicht. Im Zentrum stellte er mit Meireles, Moutinho und Veloso auf der Papierform zwar offensiv auf - doch überraschend wurde der sonst kreative Verloso als Özil-Kettenhund aufgestellt.Bento wartete lange auf den ersten Wechsel, weil es dazu schlicht keinen Grund gab. Die Grundordnung stimmte, lediglich Moutinho verschob er phasenweise immer wieder. Mit Oliveira brachte er einen beweglicheren Mann für die Sturmspitze. Fast wäre sein Konzept aufgegangen - nur Gomez kam dazwischen.
Das fiel auf:
- Ronaldo orientierte sich ins Sturmzentrum, so dass Helder Postiga, der eigentlich für die Spitze vorgesehen war, auf links auswich. Eine Variation, die Mourinho bei Real Madrid mit Ronaldo und Benzema immer wieder ausprobierte.
- Portugal operierte viel mit langen Bällen aus der eigenen Hälfte: Meistens herausgeschlagen von Bruno Alves, auch von Pepe. Meistens ohne Abnehmer, so dass Ronaldo zu selten brauchbar eingesetzt wurde.
- Deutschland hatte in der Anfangsphase bis zu 65 Prozent Ballbesitz. Dies war aber eher ein Produkt vieler kurzer Vorbereitungspässe in der eigenen Hälfte. Der Aufbau nach vorne problematisch, da Portugals Dreierkette vor der Abwehr kompakt stand. Insgesamt verlief das Umschalten auch zu zögerlich.
- Aktivposten im deutschen Zentrum: Khedira. Viele Ballkontakte, sehr beherzte Vorstöße und gute Pässe. Schweinsteiger eher in der absichernden Funktion. Özil musste dagegen immer wieder ausweichen, weil Veloso im Zentrum Manndeckung gegen den Real-Star spielte.
- Portugal nach der Pause mit mehr Zug nach vorne, weil Moutinho sich aktiver am Aufbau beteiligte. Auch Coentrao hinterlief Ronaldo, nachdem er diese Variante des Angriffs vor der Pause kein einziges Mal nutzte.
- Deutschlands großes Problem: Zu breites Spiel, zu weite Wege für Ball und Mann. Dadurch kein strukturierter Aufbau und kein schnelles Spiel. Genau, was Löw immer vermeiden will. Özil fehlt mindestens ein Mitspieler, um in schnelle Kombinationen zu gehen. Podolski eher mit der Brechstange unterwegs, Müller oft überhaupt nicht.
- Portugals erste Druckphase erst nach Deutschlands Führungstreffer durch Gomez. Ronaldo und Nani über Außen und der agilere Oliviera im Zentrum deutlich gefährlicher. Die deutsche Innenverteidigung bewies in dieser Phase EM-Tauglichkeit.
Deutschland - Portugal: Daten zum Spiel