"Für diese Mannschaft zählt nur der Titel. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendwer aus diesem Team nach dem Halbfinale gegen Brasilien nun abhebt. Dazu ist die Mannschaft zu erfahren, dazu haben sie bereits zu viel erlebt", sagte Kahn im ZDF: "Denn was nützt dir dieses 7:1, wenn du jetzt das Finale verlierst. Das interessiert dann niemanden mehr."
Im Halbfinale hatte Deutschland den Gastgeber aus Brasilien beim 7:1-Erfolg vorgeführt. Nach dem beeindruckenden Aufritt in der Vorschlussrunde geht die DFB-Auswahl als Favorit ins Finale gegen Argentinien.
Teamchemie großer Vorteil
Ein wichtiger Grund für den deutschen Erfolg bei der WM ist aus Sicht des ehemaligen Nationaltorwarts die Teamchemie. "Keine Mannschaft auf der Welt ist jemals frei von Konflikten - es sickern hier nur keine an die Öffentlichkeit durch. Das ist ein Unterschied zu früheren Turnieren. Die Probleme werden intern auf produktive Art gelöst. Das trägt zum großen Vertrauen innerhalb des Teams bei", sagte Kahn.
Für den 45-Jährigen ist dabei auch die scheinbare Abkehr von der flachen Teamhierarchie entscheidend: "Es gibt mittlerweile Spieler, die große Erfolge gefeiert haben - vor allem der Bayern-Block. Die gehen vorne weg und nehmen die anderen Spieler dabei an die Hand. Dadurch entsteht ein gutes Klima in der Mannschaft."
Deutschland taktisch besser
"Wenn man sich die taktischen und spielerischen Qualitäten anschaut, ist die deutsche Mannschaft klar im Vorteil. Sie hat viel mehr Stilrichtungen: Sie können das Spiel langsam machen, schnell umschalten oder einen tollen Kombinationsfußball spielen", sagte Kahn im ZDF: "All das sehe ich bei Argentinien nicht mal im Ansatz. Sie haben kein zusammenhängendes Spiel wie die Deutschen."
Dass die DFB-Auswahl aus diesem Grund leichtes Spiel mit der Albiceleste haben könnte, glaubt Kahn allerdings nicht: "Das wird eine verzwickte Aufgabe gegen defensiv sehr gut organisierte Argentinier. Sie werden ihren extrem defensiven Stil auch im Finale nicht verändern. Wenn Ángel di Maria nicht fit wird, werden sie sogar noch defensiver agieren."
Mit Geduld zum Sieg
Ein Schlüssel zum Erfolg sei es daher, die Geduld nicht zu verlieren. "Die Deutschen haben 120 Minuten Zeit, gegen dieses Bollwerk eine Lösung zu finden. Es gibt in keiner Phase des Spiels einen Grund zur Hektik. Das ging schon immer schief", sagte Kahn.
Ein Schwachpunkt im Spiel der Gauchos ist für ihn Torhüter Sergio Romero: "Er hat mich bei allen Fähigkeiten, die das Torwartspiel ausmachen, nicht überzeugt - mit Ausnahme seiner Reflexe auf der Linie.
Selbst in seinem Verein sitzt er auf der Bank. Das wird auch seine Gründe haben", kritisierte der ehemalige Nationaltorwart: "Er hat gegen die Niederlande zwar zwei Elfmeter gehalten, doch damit kann man nicht die Qualität eines Torhüters über ein Turnier beurteilen."