"Ich sehe bei allen Dreien dauerhaft keine Probleme", sagte Joachim Löw am Montag, als er auf der Pressekonferenz das bislang einzige Mal in Südtirol Auskunft über die in Teilen angespannte Lage innerhalb seiner Mannschaft gab.
Mit den Dreien waren selbstverständlich die größten Sorgenkinder des Kaders gemeint: Die angeschlagenen Manuel Neuer, Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger. Doch Löw hätte denselben Satz im Grunde auch über Per Mertesacker, Jerome Boateng und Mats Hummels sagen können.
Löw: "Hervorragende Verfassung"
Die drei Innenverteidiger haben im Passeiertal den Kampf um die beiden zentralen Positionen in der deutschen Viererkette aufgenommen. Nimmt man noch die beiden Youngster Matthias Ginter und Shkodran Mustafi hinzu, lässt sich behaupten: Neben der offensiven Mittelfeldreihe ist die Innenverteidigung derzeit der einzige Mannschaftsteil, bei dem sich der Bundestrainer keine Kopfzerbrechen zu machen braucht.
Wie gewünscht geht es nämlich zwischen Mertesacker, Boateng und Hummels zu. Alle drei Akteure stehen voll im Saft, sind in Form und belastbar. Allerdings wurden sie bis zuletzt auch stark strapaziert, Mertesacker reiste mit 52 Pflichtspielen in den Knochen ins Passereiertal (Boateng 39, Hummels 33). Löw attestierte den Dreien dennoch, sich in einer "hervorragenden Verfassung" zu befinden. Trotzdem standen auch für sie in der ersten Woche des Trainingslagers Regeneration und eine individualisierte Trainingssteuerung auf dem Programm.
Im Grunde genommen ist der Drei- vielmehr ein Zweikampf. Mertesacker dürfte seinen Platz anders als noch bei der EM 2012 sicher haben. Er gehört zu den Wortführern im Team und stand während der WM-Qualifikation verglichen mit seinen beiden Kollegen am häufigsten in der deutschen Startformation. Die Statistik spuckt aus: Vier Mal ließ Löw dabei das Pärchen Mertesacker/Boateng auflaufen, nur zweimal spielte Mertesacker mit Hummels zusammen. Boateng und Hummels kamen dagegen noch nie zusammen für die DFB-Elf im Zentrum der Abwehrkette zum Einsatz.
Schmelzer rennt die Zeit davon
Die Idee eines Journalisten, Hummels angesichts der unklaren Lage bei Lahm, Schweinsteiger und Sami Khedira doch auf die Sechs zu stellen, stieß bei Löw auf wenig Gegenliebe. Allerdings könnte Boateng aufgrund personeller Engpässe noch auf eine der Außenverteidigerpositionen rutschen. In den letzten fünf Quali-Partien lief der Münchner zwar jeweils als Innenverteidiger von Beginn an auf, gänzlich auszuschließen ist eine Versetzung Boatengs allerdings nicht.
Marcel Schmelzer war lange verletzt und plagt sich in diesen Tagen mit einer Prellung im linken Knie herum. Erst am Donnerstag konnte er wieder ein leichtes Lauftraining absolvieren. Sollte der Dortmunder, vom Bundestrainer sowieso nicht mit allzu viel Rückendeckung bedacht, weiterhin nur wenig vorankommen, dürfte Boateng als Linksverteidiger mehr als nur eine Option werden. Matthias Ginter werden aufgrund dieser Konstellation gute Chancen nachgesagt, als nomineller Innenverteidiger Nummer vier mit nach Brasilien reisen zu dürfen.
Vielleicht mit diesem Szenario im Hinterkopf positionierte sich Boateng bereits vor einigen Tagen eindeutig: "Ich habe die ganze Saison innen gespielt. Ich sehe mich in der Innenverteidigung am stärksten, möchte da auch gerne spielen."
Boateng: "Wenn Not am Mann ist..."
Als er am Donnerstag auf der Pressekonferenz erschien, bekräftigte er diesen Wunsch zwar. Doch mittlerweile ist für Boateng die zentrale Position nicht mehr die einzig denkbare: "Wenn Not am Mann ist, spiele ich auch rechts oder notfalls auch links", sagte er angesprochen auf die Fragezeichen auf den Außenverteidigerpositionen.
Ob Löw darauf zurückkommen muss, wird sich noch zeigen. Eine Tendenz, wer aktuell beim Duell in der Mitte die Nase vorne hat, gibt es nicht. Der DFB erlaubt nur sehr spärliche Trainingseinblicke, dazu sind es noch 18 Tage bis zum Turnierstart.
Löw ließ wissen, dass er ein festes Pärchen "natürlich noch nicht" im Kopf habe. Er wolle die restlichen Trainingseinheiten sowie die Duelle gegen die U 20 und die beiden Freundschaftsspiele gegen Kamerun und Armenien noch für seine Entscheidung nutzen - und wird nebenbei auch klarere Erkenntnisse in der Personalie Schmelzer gewinnen.
Hummels: "Sehe keinen gesetzt"
"Möglich ist alles", sagte Löw und ließ wenig später noch unbeabsichtigt einen Satz fallen, der sich so anhörte, als ob Hummels etwas im Hintertreffen wäre: "Hummels war im Pokalfinale sehr stark, Boateng das ganze Jahr hinweg, Mertesacker sowieso."
Für Hummels sprechen allerdings seine Stärken in der Antizipation und Spielauslösung, für Boateng das resolute Verhalten in den von Löw als "Basis von allem" deklarierten Eins-gegen-eins-Duellen. Nimmt man nur die letzten Eindrücke der Pflichtspiele, schlägt das Pendel eher in Richtung Hummels aus. Boateng reihte nach einer für lange Zeit sehr starken Saison zum Kehraus der Bundesliga ein paar unglückliche Leistungen aneinander.
Die Spieler gehen äußerlich gelassen mit der Situation um. "Ich sehe ehrlich gesagt keinen von uns gesetzt", sagt Hummels. "Ich glaube, dass es sehr offen ist. Ich kann es nicht anders beeinflussen, als gut Fußball zu spielen. Die anderen werden das auch versuchen. Dann werden wir sehen, was dabei herauskommt. Ich bin in einer guten Verfassung. Ich kann die der anderen nicht beurteilen, daher möchte ich mich da auch nicht drüber oder drunter stellen."
Löw hat noch Zeit mit seiner Entscheidung - und dürfte im Passeiertal zunächst einmal damit zufrieden sein, dass er wenigstens in der Innenverteidigung aus dem Vollen schöpfen konnte.
DFB-Team: News und Informationen