Vielleicht mag es an seiner Oliver-Kahn-Parodie gelegen haben, als er den Titan vor ein paar Wochen in dessen altem Wohnzimmer, der Allianz Arena, mimte.
Viel wahrscheinlich ist jedoch, dass Manuel Neuer heute Abend beim Länderspiel gegen die Vereinigten Arabischen Emirate sein Debüt im Tor der deutschen Nationalmannschaft geben wird, weil er so ein exzellenter Torsteher ist. Und weil ihn der Trainerstab zum Saisonabschluss noch das größte Geschenk der abgelaufenen Runde bescheren will.
Manuel Neuer, 23, hat im letzten Spiel der Saison das geschafft, was seinen etablierteren Kontrahenten Roman Weidenfeller oder Timo Hildebrand verwehrt geblieben war. Der Schalker ist bei der umstrittenen Asienreise dabei und wird gegen die VAE sogar von Beginn an sein Können zeigen dürfen.
Strategiewechsel bei der Kaderplanung
"Robert Enke hat gegen China klasse gehalten und einen sehr guten Saisonabschluss gehabt. Manuel hat seine Chance verdient", sagte Bundestrainer Joachim Löw zur Rochade im deutschen Tor und lobte den 23-Jährigen: "Er macht trotz seiner Jugend auf und außerhalb des Spielfelds einen reifen Eindruck. Er hat klare Vorstellungen und einen großen Ehrgeiz."
Vor gut einer Woche hatte Löw den Strategiewechsel bezüglich der Kaderplanung im Hinblick auf die Weltmeisterschaft in Südafrika in ziemlich genau einem Jahr kundgetan. Anders als noch vor der EM 2008 will sich der Bundestrainer mit seinem Team früher auf einen festen Kern an Spielern festlegen und an diesem dann peu a peu den Rotstift ansetzen.
Kein zweiter 'Fall Kahn'
Nach Jens Lehmanns Rücktritt aus der Nationalmannschaft ist der Kampf um die Nummer eins in vollem Gange. Bundestorwarttrainer Andreas Köpke wird sich in Absprache mit Löw und dessen Assistenten Hansi Flick aber deutlich früher auf den neuen Stammkeeper festlegen, als es noch vor der WM 2006 im eigenen Land der Fall war.
Damals wurde Oliver Kahn erst Anfang April entmachtet und Lehmann bekam rund zehn Wochen vor dem Endturnier den Vorzug. Diesmal soll die Entscheidung schon bis zur Gruppen-Auslosung im Dezember stehen.
Neuzugang im Stamm
Insofern ist die Einladung Neuers zur Asienreise mehr als nur ein zartes Heranführen einer hoffnungsvollen Nachwuchskraft. Was Neuer kann, hat er bereits bei der U 21 eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Mit dem wichtigsten Unterbau des DFB wird der Schalker in knapp zwei Wochen die Europameisterschaft in Schweden bestreiten - ehe er dem Team danach entwachsen sein wird und neue Ziele angehen kann.
Die Nominierung zur Asienreise hievt Neuer mit einem Schlag sicher in den dann vier Mann starken Kreis der Kandidaten, von denen sich drei im nächsten Sommer - so die Qualifikation erfolgreich absolviert wird - auf den Weg nach Südafrika machen wird.
"Neuer gehört mit zu dem Stamm, der sich berechtigte Hoffnungen auf die WM machen kann", unterstrich Löw seine große Wertschätzung, um danach den Konkurrenten Neuers für das Perspektivteam eine versteckte Abfuhr zu erteilen. "Bei einigen haben wir nicht den Glauben, dass sie das Top-Niveau erreichen."
Keine Chance mehr für andere Keeper
Im Klartext heißt das: Robert Enke, Rene Adler, Tim Wiese und eben Neuer heißen die Auserwählten und im Moment deutet einiges darauf hin, dass das Trainerteam den drei Arrivierten noch ein wenig mehr Feuer machen will.
Keiner soll sich seiner Sache sicher sein, der Konkurrenzkampf sowohl um die Nummer eins als auch um die Tickets für Südafrika soll so lange wie möglich andauern.
Und es heißt auch: Spieler wie Hildebrand, Weidenfeller, der Noch-Bayer Michael Rensing oder Jens Lehmann sind chancenlos.
Auf den Spuren von Rene Adler
Das Trainerteam lässt derzeit Positionsprofile für alle seine WM-Kandidaten erstellen. Noch vor dem nächsten WM-Qualifikationsspiel in Aserbaidschan Mitte August sollen dann die Planungen ins Detail gehen, so dass Löw seinen Kader fein justieren und die Spieler aufeinander abstimmen kann. Und dass er nicht wie noch vor der Europameisterschaft im vergangenen Jahr eine Handvoll Spieler erst auf den letzten Drücker aus dem Kader streichen muss.
Insofern hat Neuer eine erste Klippe auf dem Weg nach Südafrika schon genommen und seine Perspektive unterstrichen. Neuer könnte der zweite Rene Adler werden, dem Löw seine ersten Erfahrungen durch die etwas überraschende Nominierung für die EM in Österreich und der Schweiz zugestand. Und der jetzt auf dem Sprung zur Nummer eins ist.
Denn so kritisch die Expedition des DFB gen Osten in der Heimat auch betrachtet wird, für Spieler wie Manuel Neuer ist sie in der Tat ein wichtiger Mosaikstein auf dem Weg in die Zukunft.
"Bayern-Anfrage hat mich geehrt"
Der Schalker sitzt mittendrin im Torhüterkarussell, im inneren Zirkel, und kann sein Schicksal selbst mitbestimmen - und zwar im königsblauen Dress.
"Ich bin Schalker durch und durch", sagte Neuer in Dubai. "Der FC Bayern ist die Nummer eins in Deutschland. Dort einen Titel zu holen, ist sicher einfacher als auf Schalke. Die Anfrage der Bayern hat mich sehr geehrt."
Und dann, ganz Profi, ließ er sich doch noch ein kleines Hintertürchen offen. "Aber grundsätzlich kann ich irgendwann einen Wechsel zu einem anderen Verein nicht ausschließen."
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