Was vorweg gesagt werden muss: Robert Lewandowski ist zusammen mit Lionel Messi mit acht Toren immer noch Führender der diesjährigen Champions-League-Torschützenliste und kann somit natürlich immer noch Torschützenkönig werden. Es wäre dann die insgesamt siebte derartige Auszeichnung seiner Karriere. In der dritten, zweiten und ersten polnischen Liga hat Lewandowski das schon geschafft und dreimal auch in der Bundesliga.
Lewandowski, das muss man so sagen, ist eine absolute Tormaschine. Er ist Rekordtorschütze der polnischen Nationalmannschaft und seit dem vergangenen Wochenende mit 197 Treffern auch der gefährlichste ausländische Torschütze der Bundesligageschichte. Gegen den VfL Wolfsburg schoss er mal fünf Tore in einem Spiel, aber gut, der Gegner war halt der VfL Wolfsburg. Lewandowski ist ein Stürmer, der eine Mannschaft über lange Strecken zu Meistertiteln schießen kann - aber er ist offenbar keiner, der in Alles-oder-nichts-Spielen in der Champions League den Unterschied ausmachen kann. Warum auch immer.
Und dabei begann alles so gut. 24. April 2013: Real Madrid 1, Robert Lewandowski 4. Es war Lewandowskis erstes entscheidend geprägtes K.o.-Spiel in der Champions League und bis heute eigentlich auch sein einziges. Klar, er schoss danach auch noch Tore, aber keine entscheidenden, sondern etwa solche zum 4:0 und 5:0 in einem Achtelfinalhinspiel gegen Besiktas in der vergangenen Saison. Dieser Doppelpack waren auch seine bis heute letzten beiden Tore in K.o.-Spielen der Königsklasse.
Lewandowski enttäuscht - und kritisiert Kovacs Taktik
Auch bei den beiden diesjährigen Achtelfinalspielen gegen Liverpool blieb er torlos. "Für die Champions League war das nicht genug", sagte Lewandowski danach. Das bezog sich auf die ganze Mannschaft, es bezog sich aber auch auf ihn selbst. Nur ein einziges Mal schloss er in den 90 Minuten ab, der Schuss war kein Problem für Liverpool-Keeper Alisson Becker. Von allen Startelf-Spielern des FC Bayern war Lewandowski am seltensten am Ball.
Verantwortlich machte Lewandowski dafür die Taktik von Niko Kovac, die er als "zu defensiv" beschrieb und seinen Trainer somit öffentlich kritisierte. "Wir haben zu wenig attackiert", erklärte er. Lewandowski lief vorne auf und ab, er führte viele Zweikämpfe, er ließ sich auch mal ins Mittelfeld fallen, aber es half alles nichts: er blieb immerzu einsamer Einzelkämpfer. "Es war sehr schwer, weil ich oft auf mich alleine gestellt war", sagte Lewandowski. "Wenn du alleine gegen zwei so gute Gegenspieler spielen musst, ist es sehr schwer."
Vor allem an Virgil van Dijk führte für Lewandowski kein Weg vorbei. In der 11. Minute stoppte er ihn fair im Strafraum, Lewandowski forderte vergeblich Elfmeter. Insgesamt gewann Lewandowski nur knapp 29 Prozent seiner Zweikämpfe, was der zweitschlechteste Wert auf Seiten des FC Bayern war. Wieder ein großes Spiel, wieder ein enttäuschender Lewandowski. 30 Jahre ist er mittlerweile alt. Wie geht es weiter mit ihm?
Lewandowski spricht von Karriereende beim FC Bayern
Bis vergangenen Sommer träumte Lewandowski von einem Wechsel zu Real Madrid. Für die Erfüllung dieses Traums engagierte er sogar extra den Berater Pini Zahavi, der als Spezialist für solche Transfers gilt. Aber auch er brachte Lewandowski nicht bei Real unter, weil Real offenbar nicht so sehr von Lewandowski träumte wie Lewandowski von Real. Und weil sich außerdem der FC Bayern weigerte. Es war für den Klub am Transfermarkt schlicht nicht möglich, einen gleichwertigen Ersatz zum einst ablösefrei von Borussia Dortmund geholten Stürmer zu bezahlen.
Mittlerweile scheint Lewandowski realisiert zu haben, dass sein Traum ausgeträumt ist. Stattdessen integrierte er sich zunehmend in den Führungszirkel des FC Bayern. Im Winter machte ihn Kovac zu einem der Vizekapitäne, was Lewandowski ganz cool fand. Im Zuge dessen soll der gerne etwas egomanisch wirkende Lewandowski im Mannschaftskreis aufgetaut sein.
Dafür gab es für ihn im Gegenzug die lange vermisste verbale Rückendeckung der Bosse. Als Ex-Spieler Dietmar Hamann Lewandowski als "Einzelgänger" mit "lustlosem Verhalten" und als "Problem für Bayern München" bezeichnete, verteidigten ihn die Bosse. "Robert hat sich total geändert und ist ein richtiger Bayern-Spieler geworden", sagte Präsident Uli Hoeneß.
Zuletzt erklärte Lewandowski in der Welt gar, dass er sich ein Karriereende beim FC Bayern "sehr gut vorstellen" könne. Sein Vertrag läuft noch bis 2021, Lewandowski selbst will nach eigener Auskunft noch "fünf bis sieben Jahre auf höchstem Level spielen" und demzufolge gerne verlängern. Sportdirektor Hasan Salihamidzic kündigte neulich baldige Gespräche an.
Der FC Bayern flirtet mit Werner
Im Hintergrund aber baut der Klub eine Drohkulisse namens Timo Werner auf. Klub und Spieler flirten fast so öffentlich miteinander, wie Lewandowski einst mit Real geflirtet hatte. Werner ist deutscher Nationalstürmer. Er würde kommen, um zu spielen. Er ist jung, er ist ein neues Gesicht, das nach den jüngsten Enttäuschungen für einen Umbruch stehen würde. Der FC Bayern schaut sich nach Alternativen zu Lewandowski um.
Ihm selbst scheint diese Entwicklung naturgemäß gar nicht zu gefallen. Vor einem Jahr forderte er noch "neue Top-Spieler" von den Bossen, nun erklärte er angesprochen auf die Notwendigkeit eines neuen Stürmers: "Wir haben auch jetzt schon Möglichkeiten, um mir eine Pause zu geben, mit Thomas Müller und Serge Gnabry. Sie können beide auch in der Spitze spielen." Und überhaupt: "In der vergangenen Saison habe ich mehrfach Pausen bekommen, und im Nachhinein muss ich sagen, dass sie mir gar nicht so gutgetan haben."
Auch Lewandowski scheint zu merken: das Abhängigkeitsverhältnis zwischen ihm und seinem Arbeitgeber hat sich in den vergangenen Monaten verschoben. Seine erneut blasse Vorstellung in diesem Alles-oder-nichts-Spiel gegen Liverpool rundete diese Entwicklung ab.