SPOX: Jean-Marie, Sie galten schon immer als Entertainer und nahmen einst sogar ein Lied auf. Der Titel "Ich war ein Belgier und jetzt bin ich ein Bayer" erreichte in Belgien sensationell Goldstatus. Warum hatte die Musikkarriere keine Zukunft?
Jean-Marie Pfaff: Ich war Torwart, kein Sänger (lacht). Über so etwas habe ich mir deshalb keine Gedanken mehr gemacht. Die goldene Schallplatte habe ich aber dem Papst geschenkt - in Lederhosen.
SPOX: Wie kam es dazu?
Pfaff: Ich hatte immer den Wunsch, den Papst zu treffen. Ein Pfarrer in Belgien hat mir das ermöglicht. Irgendetwas musste ich ihm mitbringen, also habe ich mich für diese Auszeichnung entschieden.
SPOX: Wie oft trinken Sie denn noch Bier und essen Leberkäs mit Ei?
Pfaff: Oft genug. Den Leberkäs liefert mir ein Metzger aus Freiburg und mindestens einmal im Monat gibt es bei uns auch Weißwürste. Essen bekomme ich von meinen Fans immer, das ist nicht das Problem (lacht). München ist der schönste Platz der Welt.
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SPOX: In Belgien sind Sie ein TV-Star. Sie und Ihre Familie waren in der Doku-Soap "De Pfaffs" in insgesamt 267 Folgen wöchentlich zu sehen. Wie kam es überhaupt dazu?
Pfaff: Ein Fernsehsender hatte mich danach gefragt und ich fand es eine lustige Idee. Hochzeit der Kinder, Geburt meiner Enkelkinder - all das haben die Fans über zehn Jahre miterlebt. Wir hatten monatlich über zwei Millionen Zuschauer in Belgien und Holland.
SPOX: Haben Sie in der Zeit nicht ein bisschen Privatsphäre vermisst?
Pfaff: Nein, das spielt keine Rolle. Ich habe nichts zu verbergen und kann ehrlich in den Spiegel schauen. Ich kommuniziere gerne mit anderen Menschen, weshalb ich auch in Deutschland viele Vorträge über meinen Werdegang mit all den Erlebnissen und Erfahrungen halte. Dabei motiviere ich andere ebenfalls, ihren Weg zu gehen. Nummer eins werden und Nummer eins bleiben: Darum hat sich bei mir schließlich vieles gedreht.
SPOX: In München erlebten Sie Ihre erfolgreichsten Jahre. Einzig ein internationaler Titel blieb Ihnen verwehrt. 1987 unterlagen Sie mit den Bayern im Finale des Europapokals der Landesmeister dem FC Porto mit 1:2. Welche Erinnerungen haben Sie daran?
Pfaff: Das war der bitterste Moment meiner Karriere. Wenn du im Champions-League-Finale bist, willst du es gewinnen, keine Frage. Wir hatten eine super Saison gespielt und zuvor Real Madrid in zwei Spielen ausgeschaltet. Porto hatte ein wenig Glück. Wir vom FC Bayern waren alle Gewinnertypen und wenn ein Gewinner verliert, dann tut das weh - dem ganzen Verein und den Fans. Aber im Endeffekt hat auch Porto alles gegeben und nicht unverdient gewonnen. Außerdem war der Schiedsrichter ein Belgier, das konnte sowieso nicht gut gehen (lacht).
SPOX: Hatten Sie nach dem 1:0 durch Ludwig Kögl das Gefühl, das Spiel schon gewonnen zu haben?
Pfaff: Ja, da waren wir mit dem Kopf schon bei der Trophäe. Wir haben den großen Fehler gemacht, Porto wieder ins Spiel kommen zu lassen. Nach dem ersten Tor dachten wir: 'Das läuft schon. Hier passiert nichts mehr.' Plötzlich schießt der Gegner ein Tor und zwei Minuten später bist du sogar in Rückstand. Das kann sehr schnell gehen.
SPOX: Bayern war haushoher Favorit. Wurde Ihnen damals die kollektive Überheblichkeit zum Verhängnis?
Pfaff: Das war für jeden Bayern-Spieler einfach nur peinlich. Alle waren sich einig, dass wir das Spiel gewinnen. Wir kannten nicht einmal einen Spieler des Gegners. Niemanden. Madjer und Juary, die Spieler, die gegen uns getroffen haben, waren keinem von uns ein Begriff. Dummerweise haben wir gedacht, dass es ein lockeres Spiel werden würde. So war es aber nicht. Man darf keinen Gegner unterschätzen oder sich im Vorfeld etwas einreden lassen. Wenn das Spiel beginnt, musst du immer daran denken, dass es erst nach 90 Minuten entschieden ist.
SPOX: Den Ausgleich erzielte Rabah Madjer per Hacke. Hat das den bayrischen Stolz verletzt?
Pfaff: Das macht er in seinem Leben kein zweites Mal. So etwas Verrücktes kann man mal im Training probieren, aber im Finale war das natürlich außergewöhnlich. Er war eigentlich schon am Ball vorbeigelaufen und so konnte er es nur noch spektakulär versuchen. Für uns war Madjers Tor demütigend.
SPOX: Was war das für ein Gefühl, als der Schiedsrichter Ihnen mit dem Schlusspfiff die letzte Hoffnung nahm?
Pfaff: Das tat weh und das tut es heute noch. Ein Champions-League-Finale zu verlieren ist weder für den Klub gut, noch für die einzelnen Spieler. Es ist schwer, so etwas durchzumachen, aber damit muss man im Fußball leben. Wir haben an dem Tag alles verloren, was wir das ganze Jahr aufgebaut hatten.
SPOX: Lassen Sie uns an der Stimmung in der Kabine teilhaben.
Pfaff: Alle waren völlig niedergeschlagen. In so einem Moment braucht es auch keine Worte mehr, weil die Enttäuschung zu groß ist. Man kann sich beim Abendessen nur Mut zusprechen und wieder versuchen, sich neu zu motivieren. Das Leben geht weiter.
SPOX: Der damalige Vereinspräsident Fritz Scherer soll für das Bankett nur die Siegesrede vorbereitet haben. Was durften Sie sich nach der Niederlage anhören?
Pfaff: Das weiß ich nicht mehr, das hat mich in dem Moment nicht interessiert. Ein Bankett ist immer wahnsinnig schön - wenn man gewinnt. Nach einer Niederlage brauche ich das Trallala aber nicht, weil die Stimmung ohnehin nicht die beste ist. Das hat nichts mit mangelndem Respekt zu tun, sondern einfach mit der Gemütslage. Natürlich muss man sich der Niederlage aber in den Medien stellen und daraus lernen.
SPOX: Udo Lattek sagte damals, die Spieler hätten nicht das getan, was sie tun sollten. Was sollten Sie denn tun?
Pfaff: Den Titel gewinnen. Das ist das einzige, was zählte. Danach brauchten wir auch keine Ausreden oder Entschuldigungen suchen. Nachdem wir 1:0 geführt hatten, sind wir wie ein Kartenhaus zusammengefallen. Lattek hat nicht gerne verloren - genauso wenig wie das gesamte Team.
SPOX: Das Finale war sein letztes Spiel als Bayern-Trainer. Wie bitter war das für die Mannschaft?
Pfaff: Sehr bitter. Es war eine Ehre, mit ihm zusammenzuarbeiten. Er war der größte Trainer, unter dem ich gespielt habe, sodass ich ihm gegenüber immer riesigen Respekt empfand. Er war ein Mann der klaren Worte und ein Meister der Motivation. Er hat uns immer eingetrichtert, dass wir so viel wie möglich erreichen sollten: Man könne mal Späße machen, aber der Ernst müsse immer bleiben. Ich bin sehr stolz, Latteks Spieler gewesen zu sein und habe ihn nach meiner aktiven Zeit auch noch oft getroffen.
Seite 1: Pfaff über ein Geschenk für den Papst und die Final-Blamage von '87
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