Es war ein harter Gang, den die BVB-Spieler nach dem 1:5 in Stuttgart Richtung Fankurve gehen mussten. Applaus gab es keinen, dafür lautstarke Pfiffe. Eine berechtigte Reaktion nach einem desolaten Auftritt der beinahe kompletten Mannschaft, wie auch Sportvorstand Sebastian Kehl nach dem Spiel in den Katakomben der MHP Arena zugab.
"Was heute auf dem Platz passiert ist, ist größtenteils nicht zu erklären und darf uns natürlich nicht passieren", sagte er außerdem und betonte: "Bis auf eine kleine Anzahl von Spielern habe ich heute keinen gesehen, der seine Form hatte und das Gefühl vermitteln konnte, dass er dieses Spiel gewinnen wollte."
Eigentlich hätte Kehl auch gleich von Klassenunterschied sprechen können - das war bereits in weiten Teilen bei den drei Duellen der Vorsaison der Fall gewesen. Alles andere wäre als Fazit für die Partie eine Untertreibung. Das Experiment Nuri Sahin hat damit im ersten großen Härtetest der Saison einen tiefen Kratzer abbekommen.
Nach einem durchaus gelungenen Saisonstart mit guten Leistungen wie beim Sieg über den 1. FC Heidenheim fiel die erste Bilanz für die noch junge Amtszeit des 36-Jährigen eigentlich positiv aus. Der über weite Strecken harmlose Auftritt beim FC Brügge in der Champions League war bereits ein kleiner Dämpfer, nun folgte nichts weniger als ein Armutszeugnis.
Knallharte Worte! Nuri Sahin zerlegt eigene Mannschaft
Sahin wird folglich einiges überdenken müssen, obwohl er gewiss noch keine Erklärung für all das haben wird. Er selbst wurde im Anschluss ebenfalls deutlich und sprach von fehlenden Basics.
"Bei uns war das von der ersten bis zur letzten Minute gar nix heute. Das siehst du nicht kommen. Wir hatten das Gefühl, dass wir gut trainiert haben. Die Jungs waren wirklich auch scharf. Fakt ist: Du kannst als Borussia Dortmund nicht so auftreten. Das war das erste Mal mit mir, dass wir ... das war eine Nicht-Leistung, muss man ganz klar sagen. Dem stellen wir uns jetzt. Es wird auf uns draufgedroschen - zurecht auch", sagte er am DAZN-Mikrofon.
Es sei jetzt wichtig, die Lehren daraus zu ziehen, betonte der Nachfolger von Edin Terzic: "So ein Gesicht will ich nicht sehen, will ich nie wieder sehen. Das kann ich nicht akzeptieren." Eine Maßnahme, die Sahin womöglich treffen muss und direkt eine große Veränderung wäre: Das Überdenken der Entscheidung, in der Verteidigung auf eine Dreierkette zu setzen.
VfB Stuttgart dominiert den BVB: Ist die Dreierkette die falsche Wahl?
Mit Ausnahme des von den VfB-Fans massiv ausgepfiffenen Waldemar Antons versagte die gesamte Abwehr auf allen Ebenen. Deshalb verwunderte es auch nicht, dass Sahin zur Pause beide Schienenspieler austauschte. Doch auch das half nur bedingt. Vor allem die Abstimmung zwischen Niklas Süle und Nico Schlotterbeck ließ zu wünschen übrig. Die überragenden Stuttgarter um Deniz Undav und Enzo Millot hatten jede Menge Freiheiten, spazierten regelrecht durch den Dortmunder Strafraum. Die Offensive hing derweil komplett in der Luft, weil sie gezwungenermaßen dauerhaft den Rückwärtsgang einlegen musste.
Dementsprechend niedrig schien auch die Motivation in den BVB-Reihen, den Bock nach den katastrophalen ersten 45 Minuten nochmal umzustoßen. Zu diesem Zeitpunkt hatte es immerhin "nur" 0:2 gestanden. Von einem großen Aufbäumen war jedoch nicht viel zu sehen.
Nach dem 0:3 war Sahin sogar schon auf Schadensbegrenzung aus. Das ließ zumindest die Auswechslung von Julian Brandt für den deutlich defensiveren Emre Can vermuten. Zwar kam es noch zum Ehrentreffer durch Serhou Guirassy. Dabei handelte es sich, etwas überzogen ausgedrückt, aber auch um den zweiten und letzten gefährlichen Dortmunder Torschuss. Ein xG-Wert von 0,49 sprang am Ende heraus, der VfB kam auf 3,01.
Nach holprigen Start: Der VfB Stuttgart liefert Antworten!
Eine Statistik, welche der unfassbaren Überlegenheit der Hausherren fast nicht gerecht wird. Zumal es beim 3:3 der Schwaben gegen Mainz 05 vor gut drei Wochen deutlich mehr Expected Goals waren, die Tore allerdings nicht fallen wollten. Selbiges spielte sich auch bei der Rückkehr in die Champions League unter der Woche bei Real Madrid ab.
Doch schon bei den Königlichen hatte sich angedeutet, dass der VfB nach dem mehr als holprigen Start in die Saison wieder zu Großem imstande ist. Nach dem souveränen FC Bayern München könnte man Stuttgart derzeit durchaus als spielerisch zweitstärkste Mannschaft der Bundesliga ansehen. Neben dem BVB überzeugten auch Bayer Leverkusen oder RB Leipzig noch nicht derart, dass zumindest eine weitere Platzierung in den Top 4 ein alles andere als zu hochgestecktes Ziel wäre.
Anders als die Borussia hat der VfB spätestens am Sonntag Antworten geliefert. Sahin und Dortmund sehen sich derweil großen Fragen ausgesetzt, die erst noch beantwortet werden wollen.
VfB Stuttgart vs. BVB: Die letzten fünf Duelle
Datum | Wettbewerb | Heim | Gast | Ergebnis |
22. September 2024 | Bundesliga | VfB Stuttgart | BVB | 5:1 |
6. April 2024 | Bundesliga | BVB | VfB Stuttgart | 0:1 |
6. Dezember 2023 | DFB-Pokal | VfB Stuttgart | BVB | 2:0 |
11. November 2023 | Bundesliga | VfB Stuttgart | BVB | 2:1 |
15. April 2023 | Bundesliga | VfB Stuttgart | BVB | 3:3 |