Es scheint für Waldemar Anton unglaublich genug gewesen zu sein, was ihm Borussia Dortmund auf den Tisch legte. Der Innenverteidiger und Kapitän von Vizemeister VfB Stuttgart wird in der nächsten Saison beim BVB spielen. Dass es nur ein halbes Jahr nach seiner vorzeitigen Vertragsverlängerung bis 2027 bei den Schwaben zu diesem Wechsel kommt, erzürnt die Stuttgarter Fan-Seele derzeit sehr.
Das ist sicherlich nachvollziehbar. Schließlich freute sich Anton noch im Januar "auf die weiteren Jahre im Trikot mit dem Brustring" und sagte im Mai dem Magazin 11Freunde: "Warum sollte ich ständig wechseln, wenn ich mich in einer Stadt oder bei einem Verein wohlfühle?" Aus VfB-Sicht ist Antons Abgang, der im sensationellen Vorjahr bärenstarke Leistungen zeigte, aufgrund dieser Gemengelage eine reine Enttäuschung.
Im Oktober 2023 jedoch antwortete Anton im SPOX-Interview auf die Frage, ob er ähnlich abrupt wie Wataru Endo im vergangenen Sommer gehen würde, sollte ihn eine Offerte aus der Premier League erreichen, so: "Man macht sich über jedes ernsthafte Angebot eines großen Klubs Gedanken, so ehrlich muss man sein. Erst Recht, wenn etwas Unglaubliches kommen sollte. Ich bin aber jemand, der sehr schwer einen Ort verlassen kann, wenn es ihm und seiner Familie gutgeht. Und das tut es hier für uns. Ich bin sehr froh in Stuttgart. Es gab bisher nicht einen einzigen Tag, an dem ich weg wollte."
Der BVB spielt zwar nicht in Englands erster Liga, den Champions-League-Finalisten kann man jedoch getrost als großen Klub durchgehen lassen. Die Aussicht, dort künftig zu spielen und ein, so wird kolportiert, mindestens doppelt höheres Gehalt zu beziehen, dürfte Anton im vergangenen Herbst nicht gehabt haben. Zumal es bei einem Spieler einfach Eindruck machen kann, wenn ein solcher Verein mit Nachdruck und genügend Kohle auf eine Verpflichtung drängt.
BVB: Transfer von Waldemar Anton ergibt sportlich Sinn
Dortmund bietet Anton jedoch nicht nur naturgemäß mehr Geld, sondern auch reichlich Perspektive. Nach der Entscheidung, Mats Hummels ziehen zu lassen, stand der BVB unter Druck und benötigte idealerweise schnellstmöglich Klarheit, wer dessen Ersatz sein wird. Dem 27-Jährigen winkt ein Stammplatz neben Nico Schlotterbeck und die regelmäßige Teilnahme an der Champions League. Hinzu kommt eine zumindest auf dem Papier deutlich größere Chance auf Titel als in Stuttgart.
Sportlich ergibt der Transfer also für die Borussia und Anton, der vor etwas mehr als einem Jahr noch Relegation statt Europameisterschaft und Königsklasse spielte, Sinn. Anton bringt ein sehr rundes Paket als Innenverteidiger mit. Mit ihm erhält der BVB ein ziemliches Zweikampfmonster, das über ein hohes Tempo verfügt, ein beachtliches Stellungsspiel aufweist und auch offensiv in der Luft gefährlich werden kann.
Seine physische Präsenz dürfte Dortmund und vor allem Nebenmann Schlotterbeck, der übrigens wie Antons Stuttgarter Nebenmann Hiroki Ito Linksfuß ist, helfen. Dazu ist Anton jemand, der mit Werten wie Disziplin, Mentalität und Leidensfähigkeit vorangeht. In Stuttgart war er bereits ohne Kapitänsbinde der unangefochtene Leader des Teams.
Wie geht Waldemar Anton mit der beim BVB veränderten Situation um?
"Ganz wichtig ist in meinen Augen zu verstehen, wie man mit den einzelnen Spielern sprechen muss. Ich glaube, das kann ich sehr gut", sagte er zu SPOX. "Ich weiß, wie man mit wem umzugehen hat. Ich spreche auch Dinge an, die mal wehtun können, aber das vor allem deshalb, weil ich es nicht aushalten kann, wenn alle nur den Mund halten."
Wo Anton gerade im direkten Vergleich mit Vorgänger Hummels noch zulegen kann, ist der Spielaufbau. Den haben beim VfB eher Ito, Atakan Karazor und Angelo Stiller übernommen. Dennoch glänzte Anton zwischenzeitlich mit tollen linienbrechenden Pässen ins vordere Drittel. Auf diese Weise bereitete er beispielsweise spektakulär das 1:0 durch Deniz Undav beim 3:1-Sieg in Freiburg vor.
Abzuwarten bleibt, wie Anton mit der veränderten Druck- und Belastungssituation umgehen wird, die in Dortmund herrscht und auch Schlotterbeck in seinem ersten BVB-Jahr nicht nur positiv beeindruckte. Der zweifache Nationalspieler hat noch nie auf internationalem Parkett gespielt, englische Wochen sind ihm fremd.
BVB-Transfer von Waldemar Anton nicht gänzlich frei von Risiko
Daran muss sich Anton schnell gewöhnen, um die Konstanz in seinen Vorstellungen beizubehalten, die ihn nun schon seit weit über einem Jahr auszeichnet. Gänzlich frei von Risiko ist der Wechsel traditionell also nicht, in finanzieller Hinsicht ohnehin nicht. 22,5 Millionen Euro soll die Ausstiegsklausel betragen, die die Westfalen ziehen. Hinzu kommt ein Vertrag über mindestens vier Jahre.
Inklusive Gehalt ist das Anton-Paket für den BVB also an die 50 Millionen Euro schwer. Mit Transfers innerhalb der Bundesliga und in dieser Größenordnung tat sich die Borussia in den vergangenen Jahren nicht unbedingt immer einen Gefallen. Erinnert sei an Millionen-Gräber wie Nico Schulz oder Thorgan Hazard, die nach ein, zwei überzeugenden Spielzeiten bei ihren vorherigen Klubs für hohe Ablösesummen gekauft wurden, anschließend beim BVB aber kaum einmal oder dauerhaft überzeugten.
Gemäß seines Charakters als unnachgiebiger Arbeiter auf dem Feld und Trainingsplatz wird Anton gewiss alles geben, um eines Tages nicht unter diese Kategorie Dortmunder Transfers zu fallen. Eine große Herausforderung steht ihm dennoch bevor, das Brennglas der Öffentlichkeit auf ihn wird deutlich schärfer eingestellt sein.
Behält er seine Attitüde bei, die ihn in vier Jahren aus der 2. Liga mit Hannover 96 auf das Top-Level des internationalen Fußballs führte, dürfte allein das schon bei den BVB-Fans sehr gut ankommen. Nachfragen dazu könnte Anton an Julian Ryerson richten, der auch der Typ Arbeiter ist und so schnell zum Publikumsliebling wurde.
Waldemar Anton: Die Daten seiner Profikarriere
Wettbewerb | Spiele | Tore | Vorlagen |
Bundesliga | 196 | 6 | 7 |
DFB-Pokal | 19 | 1 | 1 |
2. Bundesliga | 61 | 2 | 3 |