Borussia Dortmund hat seine Reise in die USA, eine Mischung aus Trainingslager und PR-Tour, beendet. Der BVB bleibt in der Saisonvorbereitung weiter ungeschlagen, nach sechs Testspielen stehen fünf Siege und ein Unentschieden zu Buche. Freilich würden alle, die es mit der Borussia halten, diese Ergebnisse gegen einen biederen Sieg über Mainz 05 am vergangenen 34. Spieltag eintauschen.
Kurz vor dem Abschied aus den Staaten hat sich mit Carsten Cramer der Mann bei den Westfalen zu Wort gemeldet, der als Geschäftsführer unter anderem für die Internationalisierungsstrategie verantwortlich ist. "Der Aufwand, den wir betreiben, zahlt sich aus", sagte der 54-Jährige über den Trip, der dem Klub rund fünf Millionen Euro einbringt. Beim Ziel, die eigene Bekanntheit gegenüber ausländischen Fans und Sponsoren zu steigern, gebe es eine positive Entwicklung in die richtige Richtung.
Cramer sagte auch: "Für uns alle ist das echt harte Arbeit. Kein Ausflug, auf dem man ein paar Fähnchen verteilt, sondern wir verlangen dem Sport eine ganze Menge ab." Genau dieser Schnittpunkt ist ein kritischer. Denn dass diese Reisen, die nun der BVB und auch der FC Bayern München getätigt haben, in sportlicher Hinsicht alles andere als ideal sind, ist unstrittig.
So sehr sich die beiden Trainer Edin Terzic und Thomas Tuchel in den vergangenen Tagen auch bemüht haben, die anstrengenden Touren als Notwendigkeit darzustellen, klang in ihren Aussagen auch stets unmissverständlich mit: Besser wäre es ohne. Die Dortmunder brachen dafür sogar mit der jahrelangen Tradition des Trainingslagers im schweizerischen Bad Ragaz.
BVB: Vier Spieler haben sich in der USA verletzt
Allerdings: Es ist, wie es ist. Ohnehin wurde gefühlt jede der vergangenen zehn BVB-Sommervorbereitungen mit den Worten "besonders", "schwierig" oder "speziell" überschrieben. Wer viele Nationalspieler in seinen Reihen hat, der kommt schließlich nicht um eine aufgesplittete Startphase herum.
Auch nichts Ungewohntes ist, dass just zu dieser Zeit mal wieder ein Dortmunder Klassiker zugeschlagen hat: die Muskelverletzung. Vier Spieler haben sich in der USA verletzt, nur Nico Schlotterbeck wies mit einer Blessur am Knie ein anderes Muster auf. Bei Gregor Kobel, Thomas Meunier und Julien Duranville hat's jedoch gezwickt.
Dramatisch ist das an sich (noch) nicht, aber natürlich kamen bereits erste Erinnerungen an die vergangene Hinrunde hoch. Damals griff die Verletzungsseuche voll um sich, die Mannschaft stellte sich größtenteils von selbst auf und spielte eine ernüchternde Halbserie.
BVB: Größere oder kleinere Problemzonen im Kader
Gewiss, der BVB besitzt aktuell keinen zu kleinen Kader. 29 Tage vor Schließung des Transferfensters ist jedoch weiterhin einiges zu tun - was eben auch die Verletzungen noch einmal verdeutlichten. So lassen sich diverse größere oder kleinere Problemzonen ausmachen.
Die größte und dort wird auch bereits seit längerer Zeit nach einer geeigneten Lösung gefahndet, ist die Besetzung der Außenverteidigerpositionen. In Neuzugang Ramy Bensebaini hat man nach dem Verlust von Raphael Guerreiro einen Linksverteidiger bekommen, der dort gemeinsam mit dem auf beiden Seiten einsetzbaren Julian Ryerson spielen kann.
Rechts besteht aber noch Optimierungsbedarf: Neben Ryerson ist dort Marius Wolf der einzige Kandidat. Pechvogel Mateu Morey stellt noch lange keine Alternative dar. Meunier sollte eigentlich dringend abgegeben werden, doch er verdient gutes Geld, ist wählerisch und nun eben noch verletzt. Das dürfte potentielle Abnehmer abschrecken, so dass für den BVB vermutlich kein Geld frei wird, um einen Abgang des Belgiers mit dem Zukauf eines neuen Rechtsverteidigers zu verquicken.
BVB: Besetzung der Innenverteidigung könnte dünn werden
Bensebaini, Ryerson und Wolf für diese beiden Positionen - das ist allenfalls solide, aber nicht mehr. Niklas Süle könnte hinten rechts auch verteidigen, da wäre man allerdings bei der nächsten Baustelle.
Zöge man Süle aus der Innenverteidigung, bliebe neben Schlotterbeck nur noch Mats Hummels für diese Position übrig. Alle drei starke Spieler, keine Frage. Verletzt sich einer, wird die Personaldecke aber gleich sehr dünn. Mit Soumaila Coulibaly stünde noch ein weiterer Innenverteidiger im Kader, doch der Franzose darf gehen und war auch bislang nie eine echte Option.
Der neue Kapitän Emre Can könnte innen helfen, doch der hat seinen überraschenden Aufschwung im vergangenen halben Jahr genau deshalb hingekriegt, weil er im Grunde erstmals in seiner Zeit beim BVB über eine längere Strecke auf seiner besten Position im defensiven Mittelfeld spielen durfte. Heißt: Auch hier schauen sich die Dortmunder um, damit aus dem Trio ein Quartett wird.
BVB und Thorgan Hazard: Warum zwingend gehen?
Im Mittelfeld bestehen dagegen keine Sorgen. Zwar ist die Blessur des zuvor aufstrebenden Duranville schade und auch der viel zu häufig verletzte Giovanni Reyna braucht noch eine Weile für sein Comeback. Dafür steht Jamie Bynoe-Gittens bald wieder im Saft und auch 30-Millionen-Neueinkauf Felix Nmecha dürfte seine muskulären Beschwerden demnächst gänzlich überwunden haben.
Überschüssig ist lediglich Thorgan Hazard, der bereits zur Rückrunde an die PSV Eindhoven verliehen war. Dessen Ausgangslage ist dieselbe wie bei Meunier: Vertrag bis 2024, gutes Gehalt, wenig Interessenten - warum beim Ausblick auf einen ablösefreien und mit Handgeld versehenen Wechsel im kommenden Jahr also zwingend gehen?
Ganz vorne bleibt zunächst alles beim Alten: Sébastien Haller ist gesetzt und war durch seine pure Präsenz einer der wichtigsten Faktoren, weshalb Karim Adeyemi und Donyell Malen, aber auch die gesamte Dortmunder Mannschaft im Jahr 2023 so groß aufspielten. Hinter Haller scharrt Youssoufa Moukoko mit den Hufen und auch Malen könnte einen Stürmer abgeben.
BVB: Sébastien Haller könnte bis zu sieben Spiele verpassen
Allerdings: Haller wird der Borussia voraussichtlich ab dem 13. Januar bis möglicherweise zum 11. Februar 2024 fehlen, sollte ihn die Elfenbeinküste für den Afrika Cup nominieren - und das ist freilich hoch wahrscheinlich. Maximal fünf Bundesligaspiele sowie die möglichen Partien im DFB-Pokal-Viertelfinale und im Champions-League-Achtelfinalhinspiel würde Haller verpassen.
Auch hier hält man beim BVB Ohren und Augen offen. Ideal wäre ein Stürmer, der Moukokos Perspektive nicht verbaut und auch etwas zurückgezogen agieren könnte - das Interesse an Bremens Marvin Ducksch kam nicht von ungefähr. Der finanzielle Spielraum ist nach den Transfers von Nmecha und Marcel Sabitzer aber begrenzt, dazu startet in einer Woche die Pflichtspielsaison. Mögliche Zukäufe müssten also während des laufenden Wettbewerbs integriert werden.
Nach den Strapazen in den Vereinigten Staaten, als man drei Zeitzonen und unterschiedliche klimatische Bedingungen durchquerte, wartet somit noch weiter reichlich Arbeit auf Sportdirektor Sebastian Kehl und die Dortmunder Verantwortlichen. Vor allem dann, wenn dem BVB das Verletzungspech auch außerhalb der USA treu bleiben sollte.
BVB: Die Testspiele von Borussia Dortmund in der Sommer-Vorbereitung
Datum | Gegner | Spielort |
12. Juli, 18 Uhr | SV Westfalia Rhynern (7:0) | Hamm |
19. Juli, 18 Uhr | Rot-Weiß Oberhausen (3:2) | Oberhausen |
22. Juli, 16.30 Uhr | Rot-Weiß Erfurt (2:1) | Erfurt |
28. Juli, 4.30 Uhr | San Diego Loyal (6:0) | San Diego |
31. Juli, 3 Uhr | Manchester United (3:2) | Las Vegas |
3. August, 2.30 Uhr | FC Chelsea (1:1) | Chicago |
6. August, 17 Uhr | Ajax Amsterdam | Dortmund |