BVB - Youssoufa Moukokos Rolle als Sinnbild der Kaderplanung: Verantwortungspflicht missachtet

Von Stanislav Schupp
Youssoufa Moukoko
© imago images

BVB-Juwel Youssoufa Moukoko kommt hauptsächlich bei Rückständen und mit wenig Zeit zum Zug. Ein Ansatz, der die Entwicklung des 17-Jährigen torpediert - und ein grundlegendes Problem der Dortmunder offenbart.

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Als die Stadionsprecherin des FC St. Pauli am Dienstagabend vor dem Pokal-Duell gegen Borussia Dortmund die Mannschaftsaufstellung der Gäste vorlas, kam unter den 2000 Zuschauern am Millerntor bei einem Namen Applaus auf: Youssoufa Moukoko, einst in der Jugend der Hamburger ausgebildet, kehrte an seine alte Wirkungsstätte zurück.

Kurz bevor die Sensation perfekt und der Titelverteidiger aus dem Wettbewerb gekegelt war, durften die Fans den 17-Jährigen auch aus nächster Nähe erleben - allerdings nur für die Dauer der dreiminütigen Nachspielzeit. Denn Moukoko kam wie so häufig in seiner bisherigen Profi-Laufbahn in einer nahezu aussichtslosen Situation ins Spiel: in Rückstand liegend und unmittelbar vor dem Schlusspfiff.

Der Stürmer ist allem Anschein nach oft so etwas wie der letzte Strohhalm. Dabei wird dieser Ansatz seinen Voraussetzungen nicht gerecht und könnte auf lange Sicht die Entwicklung des einstigen Supertalents torpedieren. Vor allem aber zeigt die Situation des Teenagers ein grundlegendes Problem der Dortmunder auf.

Moukokos kuriose Statistik: Verantwortungspflicht missachtet

"Es ist unsere Verantwortung, ihm die Möglichkeit zu geben, sich auf unterschiedlichem Niveau zu zeigen", hatte BVB-Coach Marco Rose noch auf der Pressekonferenz vor dem Pokalspiel betont. Schließlich setze man "ganz große Stücke auf ihn".

Doch genau da liegt das Problem: Der BVB missachtet seine Verantwortungspflicht gegenüber Moukoko. Denn die Art und Weise, wie die Westfalen ihn einsetzen, ist alles andere als förderlich und steht im Gegensatz zu dem, was die Verantwortlichen vor knapp einem Jahr noch predigten - nämlich, ihr Juwel nicht überfordern zu wollen.

25-mal kam Moukoko bislang wettbewerbsübergreifend zum Einsatz, 21-mal dabei von der Bank, viermal stand er in der ersten Elf. So weit, so unproblematisch. Doch eingewechselt wurde der Linksfuß hauptsächlich, wenn es darum ging, einen Rückstand aufzuholen - und oft, wenn nicht mehr viel Zeit auf der Uhr war.

276 Minuten als Einwechselspieler absolvierte der Angreifer, als der BVB zurücklag. Moukoko war sozusagen der letzte Hoffnungsschimmer, die Wende doch noch einzuleiten. Die ganze Last auf den Schultern eines 17-Jährigen, der sich gerade im Anfangsstadium seiner Karriere befindet?

"Alle müssen die nötige Geduld mitbringen, auch er selbst. Dem Verein und uns war bewusst, dass es in seinem Alter auch Rückschläge in der Entwicklung geben kann", sagt U21-Nationaltrainer Antonio Di Salvo im Gespräch mit SPOX und GOAL, der seinem Schützling trotz "großem Talent noch viel Entwicklungspotenzial" bescheinigt: "Mouki muss weiterhin hart arbeiten, um in einem Top-Klub wie dem BVB auf Spielpraxis zu kommen. Ich bin überzeugt davon, dass der Verein einen Plan mit ihm hat, um ihn ans Top-Niveau heranzuführen."

Ob dieser Plan auch wirklich planmäßig verläuft, ist durchaus fraglich. Zum Vergleich: Bei einer Dortmunder Führung kommt Moukoko gerade einmal auf 53 Minuten. Eine Halbzeit lang wirkte er mit, als es unentschieden stand. Dabei sind es vor allem die Spiele, in denen der BVB einen komfortablen Vorsprung hat, die für Moukokos Entwicklung ideal geeignet wären. Ohne zusätzlichen Druck auf der Anzeigetafel.

BVB droht Moukoko zu verheizen

Und davon gab es in der Vergangenheit trotz der jüngsten sportlichen Achterbahnfahrt einige. Da wäre zum Beispiel der souveräne 4:0-Erfolg im letztjährigen Derby auf Schalke, bei dem Moukoko erst sieben Minuten vor Schluss kam. Oder die erste Pokalrunde gegen Wehen Wiesbaden (3:0) in dieser Saison, als er nur fünf Minuten mitwirken durfte.

Beim jüngsten 5:1 gegen Freiburg kam der deutsche U21-Nationalspieler gar nicht zum Einsatz. Gerade dieses Duell wäre für Moukoko, der in der Woche zuvor nach einer fünfwöchigen Verletzungspause in den Kader zurückgekehrt war, prädestiniert gewesen, um in einen Rhythmus zu kommen.

Apropos Verletzung: Davon hat Moukoko zu allem Überfluss in seiner noch jungen Karriere bereits jede Menge erlitten. Nach seinem vielumjubelten Debüt Ende 2020 setzte ihn im Frühjahr des letzten Jahres eine hartnäckige Bänderverletzung mehrere Wochen lang außer Gefecht, weswegen er auch verspätet in die Vorbereitung auf diese Saison einsteigen konnte. Auch in der laufenden Spielrunde fiel Moukoko mit diversen Muskelverletzungen zwischenzeitlich aus.

"Sein Verletzungspech hängt auch damit zusammen, dass sein Körper noch die höhere Trainings- und Spielintensität im Profifußball adaptieren muss", erklärt Di Salvo. Wohlwissend um besagte mögliche Rückschläge kann es unmöglich der Plan des BVB gewesen sein, Moukoko in den intensivsten Phasen des Spiels die maximale Belastung zuzumuten. Denn vor allem angesichts dieser Historie braucht Moukoko vor allem Zeit.

Zeit, in der er frei aufspielen kann. Zeit, in der sich der Youngster - bei all dem Talent, das er bereits mitbringt - an den Profi-Bereich gewöhnen kann. Die Voraussetzungen sind nun mal andere als in der Jugend, in der Moukoko alles kurz und klein geschossen hat. Aktuell droht der BVB einen Hoffnungsträger bereits früh zu verheizen.

Moukoko-Fall als Sinnbild: Es droht eine Blockade

Die Situation um Moukoko steht gleichzeitig für ein grundlegendes Problem der Westfalen: Es fehlt neben Top-Torjäger Erling Haaland ein Stürmer, der eben in solchen Alles-oder-nichts-Spielen wie bei St. Pauli bei einem Rückstand reingeworfen werden kann.

Während Sportdirektor Michael Zorc im Interview mit Sport1 zuletzt betonte, Moukoko "keinen Spieler direkt vor die Nase" setzen zu wollen, um dessen "Entwicklung nicht zu blockieren", tut der Verein ebenjenes.

Denn mit Donyell Malen holte man im Sommer einen weiteren Angreifer, der in der Offensive variabel einsetzbar ist. Mit Steffen Tigges steht ein nomineller echter Mittelstürmer zur Verfügung. Doch während Malen - auch bedingt durch die Personalsituation - oftmals über die Flügel kommt und phasenweise noch mit seinem Fitnesszustand zu kämpfen hat, ist Tigges qualitativ auf Dauer kein Kandidat für den Profi-Kader. Aber im Vergleich zu Moukoko ist Tigges für lange, hohe Bälle in der Schlussphase die für Trainer Marco Rose aktuell bessere Alternative.

Die Moukoko-Situation zeigt die Folgen einer Dortmunder Kaderplanung und eines zu großen Leistungsgefälles innerhalb des BVB-Teams. Es fehlt einer, der die Situation hinter Haaland annimmt und dennoch Motivation versprüht. Einer wie Eric Maxim Choupo-Moting, der die nötige Qualität und Erfahrung besitzt.

Am Samstag trifft der BVB auf die TSG Hoffenheim (15.30 Uhr im LIVETICKER). Moukoko wird aller Voraussicht nach auch wieder dabei sein - und gespannt auf den Spielverlauf blicken.

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