Es war nicht die erste Verletzung dieser Art für den BVB. Im Juli erwischte es bereits das 17-jährige Talent Sebastian Tyrala, nur Wochen nach van der Guns Kreuzbandriss fielen auch Koller und Ricken mit derselben Blessur aus. Ersatzkeeper Meier brachte seinen Kreuzbandriss aus Ahlen mit.
Van Marwijk gingen die Offensivspieler aus, auch Buckley und Gambino waren lädiert. Odonkor kam so zwar zu mehr Spielzeit, doch die klaffende Lücke im Sturm war riesig. Zorc versuchte im Winter, Alexander Frei vorzeitig aus Rennes nach Dortmund zu lotsen, musste sich am Ende aber doch noch bis Sommer gedulden. Ein weiterer Kandidat erhitzte dann die Gemüter und sorgte für wochenlange Diskussionen.
Der erst im Sommer nach einem Jahr bei Schalke für 3,5 Millionen Euro zu Besiktas transferierte Ailton wurde vom BVB ins Visier genommen. Der Angreifer, bis dato mit 102 Bundesligatreffern für Bremen und S04, stand in Istanbul schon wieder vor dem Aus. "Grundsätzlich schließe ich das Thema Ailton nicht aus. In unserer Situation muss es doch legitim sein, über ihn nachzudenken", sagte Zorc.
Die Fans gingen angesichts seiner Schalker Vergangenheit auf die Barrikaden und machten ihrem Ärger mit wütenden Transparenten Luft. Auch einige BVB-Profis um Christoph Metzelder und Wörns ("Ailton ist keine linke Bazille") rührten kräftig die Werbetrommel für den Brasilianer. Das Ergebnis: Ailton lief in diesen Wochen nur beim Abschiedsspiel von Julio Cesar im Westfalenstadion auf. Er schloss sich letztlich dem HSV an - und die Borussia holte in Matthew Amoah eine weitere Bekanntschaft van Marwijks. Spoiler: Amoah sollte für den BVB nicht ein Tor schießen.
Van der Gun spielte nur 67 Minuten für den BVB
Van der Gun hatte mit all diesen Wirren freilich wenig zu tun. Er wurde in Amsterdam operiert und verbrachte den ersten Teil der Reha in seiner Heimat, wo er mit einem vertrauten Physiotherapeuten zusammenarbeite. Anschließend pendelte er zwischen der Niederlande und Dortmund, bis er Mitte Januar 2006 nach nur vier Monaten Pause wieder ins Lauftraining einstieg.
Es dauerte aber noch gut 100 Tage, ehe er sein Comeback feierte - wieder für die BVB-Amateure, wieder gegen Gütersloh. Woche für Woche wurde er dort eingesetzt und steigerte sein Pensum, in der dritten Partie gegen Lotte gelang ihm der erste Treffer. Für die Profis steuerte er zwei Buden bei einem 9:0-Testspielsieg gegen die Stadtauswahl Soest bei.
Am 13. Mai war es dann so weit, am letzten Spieltag der Saison half Dortmunds Null-Risiko-Einkauf nach zuvor nur 37 Einsatzminuten wieder mit. Der finale Eindruck, den van der Gun im BVB-Trikot machte, war mehr als ordentlich. Beim FC Bayern wurde er in Minute 60 für Odonkor eingewechselt, die Westfalen lagen bereits mit 1:3 zurück.
BVB-Trainer van Marwijk wollte van der Gun behalten
"Ich weiß noch, dass mir van Marwijk beim Stand von 1:1 gesagt hat, ich solle mich aufwärmen, weil ich bald eingewechselt werde. Ich war natürlich richtig heiß, ein solches Spiel war eine große Sache für mich. Dann aber schossen die Bayern innerhalb von zwei Minuten zwei Tore und die Partie schien entschieden", sagt van der Gun.
Nur vier Minuten später legte er das 2:3 durch Philipp Degen auf, der ebenfalls wiedergenese Koller markierte gegen einen schaulaufenden Meister sogar noch das 3:3. "Am Ende hatten wir sogar noch eine große Chance, das Spiel mit 4:3 zu gewinnen", ärgert sich van der Gun noch heute.
Nur ein paar Tage später erzielte er sein letztes Tor für die Schwarzgelben - bei einer 1:4-Testspielpleite gegen den polnischen Klub Korona Kielce. Es half ihm nicht mehr. "Van Marwijk war nach der Saison sehr ehrlich zu mir. Er sagte, immer wenn ich trainieren und spielen konnte, war ich gut. Dieses Gefühl hatte ich auch. Er wollte mich daher behalten", sagt van der Gun.
Van der Gun: "Ich habe die Zeit beim BVB sehr genossen"
Sein Dilemma: Der klamme BVB hatte schon die Zusagen der Neuzugänge Frei und Nelson Valdez. "Es mussten also noch Spieler gehen, bevor man mir einen neuen Vertrag anbieten konnte. Ich sollte geduldig sein", erinnert sich van der Gun. "Eine gewisse Zeit wartete ich auch, doch es wurde niemand verkauft - und dann erreichte mich ein sehr gutes Angebot des FC Utrecht. Kurz danach verließen dann innerhalb eines Monats Odonkor und Buckley den Verein..."
Van der Gun blieben die Verletzungen auch in Utrecht treu. 2011 stieg er noch mit Swansea City in die Premier League auf und beendete drei Jahre später die Karriere. Ob er sein ernüchterndes Jahr in Dortmund als das bitterste seiner Karriere ansieht? Van der Gun widerspricht deutlich. Der heute 41-Jährige schwärmt am Telefon vielmehr davon: "Ich kann mich immer noch an vieles genau erinnern. Trotz der Verletzung habe ich die Zeit dort sehr genossen."