Schalke-Trainer Domenico Tedesco im Interview: "Die Spieler müssen Bock auf Tedesco haben"

Domenico Tedesco wechselte vor der Saison von Erzgebirge Aue zum FC Schalke 04
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SPOX: Also geht es im ersten Schritt als neuer Trainer immer darum, eine gute Atmosphäre zu schaffen?

Tedesco: Für mich ist das Bauchgefühl enorm wichtig. Wenn ich morgens zur Arbeit gehe, muss ich mit Elan und Freude an die Sache rangehen, ich muss mich auf meine Kollegen freuen - und dazu zählen alle Mitarbeiter im Club. Wenn dieses Gefühl nicht da ist, spürt das dein ganzes Umfeld, die Mannschaft, das Trainerteam, die Betreuer, alle. Dann ist alles andere unwichtig.

SPOX: Sagen Sie auch deshalb, dass soziale Kompetenz eine der zentralen Eigenschaften eines Trainers ist?

Tedesco: Was für mich wichtig ist, muss auch für die Spieler wichtig sein. Die Spieler müssen Bock auf Tedesco haben. Wenn ich ihnen morgens in die Augen schaue, muss der Funke überspringen, sie müssen spüren: Der Trainer ist motiviert, der ist für mich da, der mag mich. Wenn er etwas nicht so gut findet, dann sagt er mir das auch ehrlich. Ein Spieler sollte immer wissen, woran er ist. Wenn einem Trainer das gelingt, kommen die Spieler motiviert zur Arbeit.

SPOX: Ottmar Hitzfeld haben Sie hier schon häufiger als Beispiel angeführt.

Tedesco: Alle Spieler, die mit ihm zusammengearbeitet haben, sagen, Hitzfeld war der beste Trainer, weil er sozial top war. Er konnte uns führen, er hat uns motiviert und wenn wir mal zu spät waren, hat er auch mal die schützende Hand über uns gehalten, aber im richtigen Moment hat er dann wieder Gas gegeben. Diese Mischung ist ganz wichtig.

SPOX: Wie sehr helfen Ihnen in dieser Hinsicht Ihre Sprachkenntnisse? Sie sprechen Deutsch, Italienisch, Englisch, Spanisch und Französisch.

Tedesco: Auf Schalke haben mir die Sprachen zu Beginn sehr geholfen, weil wir einige Spieler hatten, die weder Deutsch noch Englisch verstanden haben. Das ist mittlerweile besser, die Jungs nehmen Deutschunterricht. Deutsch ist unsere Kernsprache, die Mannschaft muss sich anpassen. Die Videoanalysen dauern auch keine halbe Stunde mehr, weil wir alles in drei, vier Sprachen übersetzen müssen. Wir kommunizieren nur noch im Extremfall für den einen oder anderen individuell in einer anderen Sprache. Die Sitzungen dauern jetzt nur noch 20 Minuten. Das hilft. Da sind wir wieder beim Thema Zeitmanagement. Außerdem bin ich auf Deutsch immer noch am authentischsten. Da habe ich die Fachbegriffe parat und eher die Fähigkeit, eine Mannschaft zu motivieren.

SPOX: Wie schwer ist Ihnen der Abschied aus Aue gefallen?

Tedesco: Sehr schwer. Deutlich weniger Zeit zu haben für die eine oder andere Freundschaft, die in diesen Monaten entstanden ist, tut weh. Wir sind nach wie vor in Kontakt, ich habe eine enge Verbindung zu vielen Leuten und der Stadt. Ich freue mich, wenn Aue gewinnt. Aber ich habe das ja nicht für irgendeinen Klub aufgegeben, Schalke ist nicht irgendein Verein. Für mich ist Schalke eine brutale Chance, ein Mega-Verein, der für ganz viele Menschen eine große Bedeutung hat. Es macht enorm Spaß, in so einem Umfeld arbeiten zu dürfen.

SPOX: Ihre Idee für Schalke sieht eine hohe Flexibilität vor und Sie wollen, dass eine klare Handschrift erkennbar ist, trotzdem wollen Sie nicht auf einen Spielstil festgelegt sein. Wie sieht Ihre langfristige Handschrift für Schalke aus?

Tedesco: Gute Frage. Wir haben gewisse Spielprinzipien, die wir unabhängig vom Gegner immer sehen wollen. Die will ich jetzt natürlich nicht verraten, aber ich kann ihnen mal ein allgemeines Beispiel nennen.

SPOX: Bitte.

Tedesco: Ein fixes Prinzip könnte beispielsweise eine Abschlusssituation sein: Wenn ein Stürmer im Strafraum ist, soll er immer ins lange Eck schießen. Egal, ob wir Angriffspressing spielen und den Ball im Strafraum gewinnen oder ob wir aus der Spieleröffnung zum Abschluss kommen. Die Prinzipien müssen unabhängig vom Spielstil immer gelten, um den Spielern eine gewisse Verlässlichkeit mit auf dem Weg zu geben. Sie sollen vorher wissen, was passiert und wie sie darauf reagieren könnten. Das liefert schon einen kleinen Teil einer Handschrift, eine Kontur.

SPOX: Das klingt sehr auf eine spezielle Situation zugeschnitten. Wie soll der Schalke-Fußball allgemein aussehen?

Tedesco: Unser Wiedererkennungswert ist, dass wir hohe Ballgewinne erzielen wollen, das Spiel über Pressing oder eine gewisse Ballzirkulation dominant gestalten wollen. Um es auf einen Satz zu bringen: Wir möchten den Gegner permanent stressen, egal ob daheim oder auswärts, egal ob Bayern oder Unterhaching, und den Gegner auf dem falschen Fuß erwischen. Die Feinheiten sind dann gegnerspezifisch und hängen auch von den Stärken der eigenen Spieler ab.

SPOX: Damit Ihnen das gelingt, müssen Sie Ihrer Mannschaft noch die 20 bis 25 Minuten Passivität austreiben, die Sie zuletzt bemängelt haben?

Tedesco: Das ist ein Wunschgedanke. In der Bundesliga spielen auch andere Mannschaften mit, die die gleiche Idee haben. Die Passivität hatten wir vor allem in Spielen, in denen wir viel Kraftaufwand betreiben mussten. 90 Minuten hinterherrennen und brutale Aggressivität ausstrahlen geht nicht.

SPOX: Also wünschen Sie sich auch mehr Aktivität mit dem Ball?

Tedesco: Genau. Bevor wir 30 Minuten hinterherlaufen, wollen wir den Ball eher 30 Minuten zirkulieren lassen - von mir aus im schlimmsten Fall auch nicht mit der obersten Priorität, zum Abschluss zu kommen. Aber der Gegner soll hinterherlaufen. Diese Phasen können wir durch Aktivität überbrücken. Aber jede Mannschaft der Welt hat mal Phasen, in denen sie hinterher läuft, nur dürfen die Zeithorizonte nicht zu lange werden.