Ex-BVB-Kapitän Christian Wörns im Interview über Borussia Dortmund und Bayer Leverkusen

Christian Wörns hat bei Borussia Dortmund gespielt
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SPOX: Als Daum Bayer-Trainer war, entschlossen Sie sich 1998 zu einem Wechsel ins Ausland und gingen ablösefrei zu Paris Saint-Germain. Wieso Paris?

Wörns: Ich war Mitte 20 und wollte nach sieben Jahren in Leverkusen hinaus in die große Welt. Ich hätte mir damals sogar vorstellen können, nie wieder in der Bundesliga zu spielen. Im Nachhinein muss ich aber sagen: Paris kam viel zu früh.

SPOX: Inwiefern?

Wörns: Ich hatte nach der Weltmeisterschaft 1998 Anfragen von verschiedenen europäischen Spitzenvereinen. Doch da hatten wir bereits ein Haus in Paris gefunden und schon einen Französisch-Crashkurs absolviert. Dann wurden in Paris noch vor dem Saisonstart der Trainer und der Präsident ausgetauscht, die mich verpflichtet hatten.

SPOX: Dass Sie PSG dann nach nur einer Saison wieder den Rücken kehrten, war nach dieser Auftaktepisode dann schnell klar?

Wörns: Ja, das war der denkbar schlechteste Start in dieses Abenteuer. Im Verein herrschte die ganze Saison über großes Chaos. Ich habe in diesem einen Jahr vier Trainer und drei Präsidenten erlebt.

SPOX: Also schnell wieder zurück nach Deutschland?

Wörns: Es gab mehrere Angebote, aber ich kann nicht sicher sagen, welche davon konkret waren. Man wusste nicht immer, 'wen man da genau am Apparat hatte'. Als sich dann der BVB persönlich gemeldet hat, hatte ich von Beginn an ein gutes Gefühl.

SPOX: Das hat Sie nicht getäuscht: In Dortmund erlebten Sie die längste und erfolgreichste Zeit Ihrer Karriere. Allerdings gingen Sie auch durch die schweren Zeiten, in Ihrer ersten Saison 1999/2000 stieg die Borussia beinahe ab. Fühlten Sie sich da zum Start nach der schwierigen Zeit in Paris wie im falschen Film?

Wörns: Ich hätte den Verein natürlich auch einfach verlassen können, aber das kam für mich nie in Frage. Da muss man durch. Ich hatte auch einen langfristigen Vertrag und bin auf die 30 zugegangen. Da sind Angebote rar gesät. (lacht) Außerdem habe ich in dieser Phase auch nicht nur gute Spiele abgeliefert. Unser Problem damals war, dass kein Spieler an seine Leistungsgrenze kam. Daraus hat sich eine Eigendynamik entwickelt, die kaum mehr aufzuhalten war.

SPOX: Damals übernahm Bernd Krauss von Michael Skibbe, holte in elf Partien aber keinen einzigen Sieg und wurde im Schlussspurt vom Duo Udo Lattek und Matthias Sammer abgelöst. Was dachten Sie, als diese beiden vor Ihnen standen?

Wörns: Dieses Duo hat super funktioniert. Lattek hat die Aufregung in den Medien abgefangen und intern die Ansprachen gehalten. Sammer arbeitete sehr akribisch und hat viel Wert auf Athletik gelegt. Er hat davon profitiert, dass er selbst als Spieler viele Titel gewonnen hat. Dadurch hatte er eine natürliche Autorität und hat die Spieler verstanden. Ich gehe noch immer regelmäßig mit Matthias essen, seine Meinung ist mir wichtig.

SPOX: Nach der Meisterschaft 2002 unter Sammer ging es mit dem BVB rapide bergab. Wie haben Sie drei Jahre später die Fast-Insolvenz erlebt?

Wörns: Ich habe mich nur um das Sportliche gekümmert, auf den Rest hatten wir ohnehin keinen Einfluss. Von den Fans gab es zu dieser Zeit mehrfach Anfeindungen, aber das durfte man nicht an sich heranlassen. Da wir uns damals nicht für die Champions League qualifiziert hatten, griffen eben die üblichen Mechanismen. Wir hatten viel Kapital im Kader, es mussten Spieler verkauft werden. Diejenigen, die blieben, mussten auf 20 Prozent des Gehalts verzichten. So begann der Sparkurs des Vereins. Niemand verzichtet gerne auf Geld, aber zum Wohle des Vereins haben wir Spieler das natürlich gemacht.

SPOX: In dieser Zeit fand auch die Heim-WM 2006 statt. Obwohl Ihre Leistungen bei der schwächelnden Borussia stark waren, entschied sich Bundestrainer Jürgen Klinsmann gegen Sie - und Sie haben sich öffentlich vehement darüber beschwert.

Wörns: Die Geschichte liegt mittlerweile über ein Jahrzehnt in der Vergangenheit. Es wurde von allen Beteiligten alles zum dem Thema gesagt.

SPOX: Rund um die damalige Diskussion haben Sie nach einer Partie in Stuttgart ein Interview am Spielfeldrand gegeben. Wissen Sie, dass dies bis heute einer der bevorzugten Treffer bei Google ist, wenn man dort Ihren Namen eingibt?

Wörns: Ja. (lacht) Ich habe mich damals selbst gelobt und jetzt verfolgt mich das bis heute. Als ich auf Schalke die U17 trainierte, haben mir die Jungs eine Rapversion des Videos in der Kabine gezeigt. Mittlerweile schmunzle ich darüber.

SPOX: In Dortmund ging es dann weiter unter Thomas Doll, der den BVB 2007 vor dem Abstieg bewahrte. Anschließend belegte er mit der Borussia den schlechtesten Platz der letzten 20 Jahre und die Defensive war die schlechteste der Liga. Sie wurden zusammen mit Robert Kovac als "Opa-Abwehr" verspottet.

Wörns: Meiner Meinung nach waren wir keine Opa-Abwehr. In einer solchen Situation sitzen immer alle im selben Boot.

SPOX: 2008 war für Sie dann Schluss mit dem aktiven Fußball, vom BVB haben Sie kein neues Vertragsangebot mehr erhalten. Ab wann wussten Sie darüber Bescheid?

Wörns: Schon relativ früh, denn mein Vertrag hätte sich aufgrund einer Klausel nach 25 Spielen automatisch verlängert. Im Winter habe ich dann in Abstimmungen mit den Verantwortlichen die Klausel streichen lassen. Deshalb war ab da klar, dass es im Sommer vorbei ist.

SPOX: Sie selbst hätten aber am liebsten noch ein Jahr drangehängt.

Wörns: Ja. Mit 36 Jahren stehen die Vereine nur nicht mehr Schlange. Es gab noch die eine oder andere Anfrage aus der zweiten Liga oder als erfahrener Spieler in einer U23 zu spielen, aber das hat sich aus den verschiedensten Gründen nicht mehr konkretisiert. Auch die USA wäre theoretisch super gewesen. Mein Karriereende war komisch, denn ich konnte schlecht loslassen und hätte mir einen langsameren Ausstieg gewünscht. Leider kann man sich das nicht immer aussuchen.

Christian Wörns im Steckbrief