"Dembele ist ein absoluter Sensationstransfer"

Jonas Boldt ist seit 2007 für Bayer Leverkusen tätig
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Jonas Boldt ist erst 34 Jahre alt, geht aber bereits in seine dritte Saison als Manager von Bayer Leverkusen. Im Interview spricht Boldt über das Image von Trainer Roger Schmidt, den Vertrag von Julian Brandt, das viele Geld in England und die Beschwerde von Thomas Tuchel.

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SPOX: Herr Boldt, Sie gehen nun in Ihr drittes Jahr als Manager von Bayer Leverkusen. Wie fällt Ihr persönliches Zwischenfazit aus, nachdem Sie zuvor jahrelang in der Scoutingabteilung gearbeitet haben?

Jonas Boldt: Gute Frage, im Alltag beschäftigt man sich sonst gar nicht mit einer Art Rückschau. Es waren gerade für das beschauliche Leverkusen zwei spannende und turbulente Jahre. Das betrifft Transfers, aber auch die sehr schwierige sportliche Zwischenphase im Vorjahr. Am Ende haben wir beide Spielzeiten erfolgreich gestaltet. Dies bestätigt mich in der Ansicht, dass man nie hektisch werden und sich vom Populismus treiben lassen sollte - auch wenn manche Dinge sehr sensibel sind und an kleinen Facetten hängen.

SPOX: Was hat sich in diesen zwei Jahren in Ihrem Arbeitsbereich am deutlichsten verändert?

Boldt: Dass wir es etwas untypisch für uns geschafft haben, Leistungsträger zu halten. Das ist auch unser Ziel, obwohl es aufgrund der großen Konkurrenz und der Marktpreise immer schwieriger wird. Zudem haben wir nicht nur Talente geholt, sondern ein paar gestandene Spieler wie Chicharito oder Aranguiz.

SPOX: Ist ein Transfersommer als Manager deutlich stressiger als als Chefscout?

Boldt: Ja, die Verantwortung ist einfach wesentlich größer. Als Scout gibt man ein Thema irgendwann einmal ab, als Manager begleitet man es von Anfang an und muss bis zum Schluss auf sämtliche Eventualitäten vorbereitet sein. Plötzlich tauchen Anfragen wie letztes Jahr für Heung-Min Son auf, dann muss man gewappnet sein. Ich denke, dass im weiteren Verlauf des August noch viel Wirbel auf dem Transfermarkt entstehen wird.

SPOX: Nach Saisonende in der Bundesliga standen mit der EM in Frankreich, der 100. Ausgabe der Copa America sowie der U19-EM gleich drei interessante Turniere an, zudem wird nun auch bei Olympia gekickt. Wie intensiv verfolgen Sie die Spiele im Vergleich zu früheren Zeiten?

Boldt: Ich habe viel von der Copa im Fernsehen gesehen. Da das Turnier ja im Vorjahr ebenfalls stattfand, war das für mich eher ein Update. Bei der EM habe ich aufgrund der günstigen geographischen Lage einige Spiele vor Ort gesehen. Die waren vom Niveau her zwar enttäuschend, dennoch ist auch das eine Art Weiterbildung. Die U19-EM habe ich ebenfalls genau beobachtet, da diese Altersklasse für uns sehr interessant ist. Olympia werden wir auch verfolgen, möglicherweise vor Ort.

SPOX: Die Stimmung rund um Bayer Leverkusen ist derzeit sehr positiv. Trainer Roger Schmidt sieht das beste Jahr unter ihm kommen, Hertha-Coach Pal Dardai tippt Leverkusen gar als Meister. Sind das in Ihren Augen forsche Töne, wie es Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke nennt?

Boldt: Roger Schmidt will wie auch ich ein neues Selbstbewusstsein kreieren. Wir werden doch öffentlich kritisiert, wenn wir Fünfter werden. Man darf nicht vergessen, dass wir zuletzt im Verhältnis zu anderen Klubs immer mehr aus unseren Möglichkeiten herausgeholt haben. Genau dies muss auch der Anspruch sein, selbst wenn wir von den finanziellen Ressourcen her innerhalb der Liga gerade so auf einem Europa-League-Platz stehen. Wir registrieren, dass wir ernst genommen werden, aber es ist auch völlig egal, was andere sagen. Unser Saisonziel ist, das für uns Maximale zu erreichen - und das trauen wir uns auch zu.

SPOX: In der Vorsaison gab es viel Auf und Ab, erst der beeindruckende Schlussspurt sicherte Platz drei.

Boldt: Die letzte Saison ist ein gutes Beispiel: Wir hatten Pech mit Verletzungen und haben auch Fehler gemacht, konnten uns aber in der entscheidenden Phase steigern und sind verdient Dritter geworden. Selbst wenn wir ein paar Fehler weniger gemacht hätten, wären wir Dritter geworden, weil die Bayern und Dortmund sehr gut gearbeitet haben. Ob wir dann mit drei oder 18 Punkten Rückstand auf Platz zwei einlaufen, ändert zunächst am Tabellenplatz nichts. Es ändert aber etwas an der Herangehensweise, da man immer mehr in die Richtung Perfektionismus arbeiten will. Zudem kann es bei so einem Abstand auch mal sein, dass einer unserer Konkurrenten mehr Punkte haben kann als wir. Am Ende halte ich es aber für sinnvoller, auf uns schauen.

SPOX: Während der schwierigen Phase, die Sie ansprachen, fokussierte sich sehr viel auf den Trainer. Roger Schmidt musste sich teils harsche Kritik gefallen lassen - ebenso wie zu Saisonbeginn Alexander Zorniger in Stuttgart. Ist es für Sie nur Zufall, dass beide einen recht ähnlichen Fußball, der häufig als extrem bezeichnet wird, spielen lassen?

Boldt: Das hat nichts mit der Art des Fußballs, sondern mit dem Bild eines Menschen zu tun. Wer den Medien wohlgesonnen ist, kommt immer besser weg. Es gibt andere Trainer, die sich gut verkaufen können, branchenintern aber einen zweifelhaften Ruf genießen. Roger hat sicherlich ein paar Fehler gemacht, das weiß er auch. Er hat daraus gelernt. Jeder, der ihn näher kennt, merkt das auch.

SPOX: Dennoch scheint es diese auf Pressing und Umschaltverhalten ausgelegte Spielidee schwer zu haben, öffentlich Akzeptanz zu erfahren.

Boldt: Wir sind nicht nur Pressing, wir werden viel zu sehr auf dieses eine Thema heruntergebrochen. Dabei haben wir im zweiten Jahr unter Roger versucht, das Spiel mit Ball zu verbessern. Es wird aber schwierig, wenn dann solche Stützen wie Spahic, Castro, Reinartz, Son oder Rolfes wegbrechen und entscheidende Spieler wie Toprak, Bender oder Aranguiz verletzt während der Saison nach und nach ausfallen. Am Ende haben wir ganz anders gespielt als im ersten Jahr, aber das sehen die meisten Leute nicht, weil sie sich damit in der Tiefe nicht beschäftigen. Das ist alles sehr dogmatisch, man steckt schnell in der Schublade.

SPOX: Schmidt sorgte in dieser Phase für ein Novum, weil er einem Verweis auf die Tribüne nicht Folge leistete. Konsequenz war ein Innenraumverbot über drei Spiele. Wie hat er diesen Trubel in Ihren Augen reflektiert, war ihm das auch irgendwo peinlich?

Boldt: Mit Sicherheit, wer findet so etwas schon angenehm? Das hat damals leider einfach etwas ins negative Bild gepasst. Er hat gemerkt, dass es ein bisschen überzogen war.

SPOX: Sie sind in Leverkusen der Mann für die Personalien, lassen Sie uns ein paar durchgehen: Innenverteidiger Aleksandar Dragovic von Dynamo Kiew. Bayer will den Spieler, der Spieler will zu Bayer - woran hakt's?

Boldt: Es ist schwer kalkulierbar. Wir sind nach wie vor an ihm interessiert und er will zu uns. Alles weitere wird man sehen.

SPOX: Julian Brandt besitzt riesiges Potenzial, spielt nun bei Olympia und wurde auch schon für die A-Nationalelf nominiert. Eigentlich ist das ein Spieler, den sich langfristig gesehen ein Verein wie Bayern München nicht entgehen lassen kann - und dort sitzt mit Michael Reschke ja mittlerweile Ihr Vorgänger.

Boldt: Julians Entwicklung vor allem im letzten halben Jahr ist sehr positiv und wir hoffen, dass er sie nun bestätigt. Er hat schon einiges angedeutet. Reschke hat einmal gesagt, er ärgere sich am meisten über Julians Vertrag, den er damals mit ihm gemacht hat. Damit hat er alles gesagt. Nämlich was er als Verantwortlicher von Bayern München von ihm hält und dass es aktuell schwer wäre, ihn zu bekommen.

SPOX: Bayer hat neben Reschke auch dessen rechte Hand Marco Neppe an die Bayern verloren. Wie viel Leverkusener Wissen ist da nach München mitgenommen worden?

Boldt: Sicherlich genügend, aber ich freue mich für Michael Reschke, dass er diese Möglichkeit bekommen hat. Zudem ist es mir deutlich lieber, dass er die momentan beste Mannschaft besser macht, als wenn er bei einem unser direkten Konkurrenten arbeiten würde. Arturo Vidal, Kingsley Coman, Douglas Costa - das sind alles Themen, die wir schon zu Leverkusener Zeiten rauf und runter diskutiert haben. Unser Chefscout Laurent Busser hat uns beispielsweise Coman immer wieder vehement ans Herz gelegt und Reschke hat damals noch für Bayer 04 mit ihm verhandelt. Vidal war bekanntlich lange bei uns und Costa haben wir schon zu seinen U20-Zeiten in Leverkusen thematisiert.