"Bayern Vorbild für modernen Fußball"

Ein klare Strategie und Richtung: "Guardiola ist der Minimalist auf höchstem Niveau"
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SPOX: Und das Zusammenspiel dieser Komponenten erhöht die Wahrscheinlichkeit auf Erfolg.

Himsl: Genau. Doch jetzt kommt das große Aber: Ein richtig oder falsch gibt es nicht. Am Ende zählt im Fußball der Erfolg, daran wird der Trainer gemessen. Wir sind nicht in der Ausbildung, wir sind in der Realität und da müssen 70.000 Zuschauer mit einem Sieg zufriedengestellt werden. Aber eine Frage steht trotzdem über allem.

SPOX: Welche?

Himsl: Warum entscheide ich mich für meine Strategie und habe ich damit die größte Wahrscheinlichkeit auf Erfolg? Natürlich ist es einfacher zu verteidigen als anzugreifen. Auch für einen Trainer ist es leichter zu sagen: Wir spielen lang und gehen auf den zweiten Ball. Man kann ja nie genau vorhersagen, was passiert. Es ist um einiges schwieriger zu sehen, welche Dinge bei Ballbesitz falsch laufen. Sich aber hinter der angeblich unterlegenen Qualität der Spieler im Vergleich zum FC Bayern zu verstecken, greift für mich zu kurz.

SPOX: Welche Mannschaften der Bundesliga nehmen sich die Spielidee der Bayern als Vorbild?

Himsl: Borussia Mönchengladbach und der VfL Wolfsburg zum Beispiel. Bei beiden Vereinen passiert gerade etwas in der Art und Weise, wie sie Fußball sehen. Sie beobachten die Spitze und setzen meiner Meinung nach auf die Strategie des "Mit-dem-Ball-Spielens".

SPOX: Gladbach hat in den letzten Jahren immer wieder Schlüsselspieler verloren, dennoch hat Trainer Lucien Favre das Team nach und nach weiterentwickelt. Zeigt dieser Fortschritt, dass die Idee wichtiger ist als das Personal?

Himsl: Erfolg ist ein Zusammenspiel vieler Komponenten. Allein der beste Trainer reicht ebenso wenig wie allein die beste Strategie oder die besten Spieler oder der beste Manager. Es gibt so viele gute Fußballer, nicht nur der FC Bayern hat 25 super Kicker in seinem Kader. Max Eberl hat das Auge für Spieler, die zur Borussia passen. Der aus Hannover verpflichtete Lars Stindl ist ein Paradebeispiel dafür. Wenn du diesen Spielern wie in Gladbach die Möglichkeit gibst, mit dem Ball zu spielen und sie dahingehend anleitest, werden sie Erfolg haben. Denn gute Spieler wollen den Ball haben und nicht gegen ihn arbeiten. Das ist meine Überzeugung.

SPOX: Ist Gladbach ein Vorbild für andere Bundesligavereine?

Himsl: Gladbach ist in vielerlei Hinsicht ein Vorbild. Das geht bei den handelnden Personen los und hört bei den Fans auf. Ich wünsche Gladbach, dass sie sich dauerhaft oben festsetzen. Wichtig dabei ist, dass auch die Spieler und die Berater erkennen, dass sich bei der Borussia einiges tut. Der FC Bayern ist nicht die einzig interessante Adresse in Deutschland.

SPOX: Was zeichnet die Borussia unter Favre aus?

Himsl: Wenn ich mir das Spiel Gladbachs und die Statistiken der letzten Saison anschaue, dann tendiert Favre klar in die Richtung des "Mit-dem-Ball-spielen-Wollens". Im Passspiel, einem wichtigen Indiz dafür, belegte Gladbach laut Opta mit einer Anzahl von 18.772 Pässen und einer Quote von 82,7 Prozent hinter Bayern (25.085 Pässe, Quote 87,5 Prozent) den zweiten Platz. Vor allem das Passspiel in der gegnerischen Hälfte ist mit einer Zahl von 9254 und der Quote 75,5 Prozent auch das zweitbeste der Liga hinter Bayern (13.866 und 82,6 Prozent), aber weit vor allen anderen Mannschaften. Nur Dortmund spielte mehr Pässe in der Hälfte des Gegners (10.385), weist aber mit 69,5 Prozent eine viel geringere Erfolgsquote auf. Bei dem für das Ballbesitzspiel ebenfalls sehr wichtigen Kriterium der erfolgreichen Zweikämpfe liegt Gladbach zudem mit einer Quote von 52,2 Prozent knapp hinter Bayern (52,8 Prozent) und Wolfsburg (52,3 Prozent) auf Platz drei. Denn nur eine gute und erfolgreiche Zweikampfführung sorgt dafür, dass du schnell wieder in Ballbesitz kommst.

Die Teamstatistiken der Bundesligasaison 2014/15

SPOX: Abgesehen von statistischen Werten: Was charakterisiert Gladbachs Spiel auf dem Platz?

Himsl: Gladbach bereitet seine Angriffe und Chancen gezielt vor. Favre will sich Chancen erspielen und nicht auf den Zufall oder auf das Unvermögen des Gegners hoffen, sondern dem Spiel seine Richtung geben. Bei Favre spielen die Themen geleiteter Fehlpass oder der ständige Kampf um zweite Bälle keine Rolle. Gladbach will seine spielerische Klasse zeigen, es geht um spielerische Lösungen und Eigeninitiative. Im letzten Drittel des Spielfeldes verfügt die Borussia zudem über eine enorme Geschwindigkeit und Präzision, durch die sie gepaart mit der guten Vorbereitung die Angreifer in Szene setzen kann. Dazu kommt eine hohe Disziplin beim Verteidigen. Hier geht es aber weniger um das hohe Anlaufen und das ständige Jagen, sondern eher um das Lauern aus der 4-4-2-Grundordnung heraus. Mit ihrer Geschwindigkeit und der Präzision im Spiel mit dem Ball ist Gladbach dann immens gefährlich im Umschaltspiel nach Ballgewinn.

SPOX: In der Rückrundentabelle war Gladbach Erster und Wolfsburg Zweiter, die Bayern kamen nur auf Platz drei. Sind Gladbach und Wolfsburg auch in der neuen Saison die härtesten Konkurrenten der Münchner?

Himsl: Ob es zur Meisterschaft reicht, ist schwer zu sagen. Aber beide sind auf einem sehr guten Weg und werden erfolgreiche Saisons spielen. Sowohl Gladbach als auch Wolfsburg setzen ihre Strategie sehr gut und sehr attraktiv um. Vor allem Gladbach zeigt, dass es dabei nicht nur auf die finanziellen Mittel ankommt. Die Bayern sind zwei, drei Schritte weiter und können ihre Strategie durch die Breite ihres Kaders fast problemlos durchziehen. Gladbach und Wolfsburg müssen sich noch feinere Strategien überlegen, weil vielleicht mal ein Spieler auf einer Position nicht funktioniert. Aber wichtig dabei ist, dass sie ihren Weg knallhart weitergehen, mutig spielen und auf ihre Qualität vertrauen, auch wenn es einmal Rückschläge geben sollte.

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