Die Stimmung zu Beginn war überschaubar. 2421 Menschen fanden den Weg in den Audi Dome, schleppend füllte sich das Wohnzimmer der bayerischen Basketballer. Die Mitglieder spendeten brav Beifall. Für die Ausführungen der Vize-Präsidenten Dieter Mayer und Rudolf Schels, für Berichte über Bilanzen, die Schach-Abteilung und die Handballer.
Kurz wurde es etwas lauter, nur ganz kurz, als Mayer bei seinem Vortrag über die Ü 45 der Fußballer den Stadtrivalen von 1860 München als den "in der Nachbarschaft liegenden Zweitliga-Verein" bezeichnete. Bis zur echten Euphorie dauerte es aber fast eine Stunde.
Um 19.56 Uhr wollte Karl Hopfner von einem Besuch bei Uli Hoeneß erzählen - den Satz vollenden durfte er aber nicht. Es brandete Jubel auf. Als der Präsident die Mitglieder kurz darauf bat, dem wegen Steuerhinterziehung einsitzenden Hoeneß einen kleinen Applaus zu schicken, erhob sich der Audi Dome. Beifall, Enthusiasmus, nach oben gereckte FCB-Schals. Zwei Minuten lang stehende Ovationen. Und ein Schild, auf dem stand, Uli solle doch zurückkommen. Wie Kurt Landauer damals.
Über eine halbe Milliarde Euro Umsatz
Der Gruß der Fans, bei denen sich der ehemalige Präsident bei seiner letzten Versammlung die Absolution für seine privaten Vergehen geholt hatte, war der emotionale Höhepunkt auf einer insgesamt nüchternen Jahreshauptversammlung.
Im Vorfeld war diese Stimmung bereits befürchtet worden, so ganz ohne die Abteilung Attacke. Auch Mannschaft und Trainer fehlten an diesem eiskalten Freitagabend. Wie Sportvorstand Matthias Sammer weilte der Bayern-Tross vor dem Bundesligaspiel gegen Berlin schon in der Hauptstadt.
Das Fernbleiben der sportlichen Akteure, um sich voll auf die nächste Aufgabe in der Liga zu konzentrieren - ein bisschen kann das als Sinnbild herhalten für das, was der FC Bayern im Audi Dome vorlebte: Seriosität und Erfolg. Es brauchte an diesem Abend kein lautes Pathos und keine emotionalen Kampfansagen. Der FCB ließ die Zahlen sprechen.
528,7 Millionen Euro Umsatz präsentierten die Münchner, die mit der irrsinnigen Summe erstmals in der Vereinsgeschichte die Schallmauer von einer halben Milliarde Euro durchbrachen. Dazu gesellt sich astronomisches Eigenkapital von 405 Millionen Euro. Im letzten Jahr waren es noch 268 Millionen.
Geld, das neben dem Kader auch in strukturelle Projekte fließen soll. Zur Aufstockung der Allianz Arena auf 75.000 Plätze gibt es bereits eine mündliche Zusage der Stadt, der Bebauungsplan des Grundstücks nahe der Allianz Arena, auf dem in Zukunft das Nachwuchszentrum für alle U-Mannschaften entstehen soll, ist ebenso genehmigt.
"So, wie wir es gewohnt sind"
In Sachen Mitglieder sind die Münchner mittlerweile sogar die Nummer eins der Welt. "Wir werden bald der größte Sportverein der Welt sein", zitierte sich Hopfner selbst und fügte an: "Dieses Ziel haben wir erreicht." 251.315 eingetragene Mitglieder zählen die Bayern. Mehr als der bisherige Spitzenreiter Benfica Lissabon oder der FC Barcelona. "So wie wir es beim FCB gewohnt sind", sagte Hopfner beim Blick auf eine eingeblendete Tabelle. "Mit zweiten und dritten Plätzen sind die doch auch zufrieden."
Auch wenn Karl-Heinz Rummenigge später noch "Demut" predigen sollte, machten alle Redner an diesem Abend keinen Hehl aus der Überlegenheit der Münchner. Und aus dem Bestreben, keinen Zentimeter vom Gas zu gehen.
1,3 Millionen Trikots verkaufte man im vergangenen Jahr - mehr als alle anderen 17 Bundesligisten zusammen. 37 Millionen Follower haben die Roten auf allen Social-Media-Kanälen - mehr als doppelt so viel wie alle anderen 17 Bundesligisten zusammen.
"Wenn der FC Bayern etwas anpackt", waren Schels' fast schon drohende Worte auf dem Podium, "dann macht er es richtig und meistens mit Erfolg."
Rummenigge versus Märchenerzähler
Das gilt selbstredend auch für den sportlichen Bereich. Acht Titel in den letzten zwei Jahren, das habe Rummenigge "noch nie erlebt. Wir haben nicht nur Erfolg, sondern auch eine Spielqualität, die a la bonheur ist". Und, da ist sich der Vorstandsboss des Doublesiegers sicher: "Der Respekt vor dem FC Bayern war nie höher."
Einen recht klaren Seitenhieb in Richtung derer, die den Klub des Leerkaufens der direkten Konkurrenz bezichtigen, konnte sich Rummenigge nicht verkneifen. Die "diversen Märchenerzähler" sollten sich vor Augen führen, dass "Neid die aufrichtigste Form der Anerkennung" sei. "Bayern ist in Europa die Nummer eins", natürlich, "was Eigengewächse betrifft."
Die Genugtuung konnte der Bayern-Boss während seiner Rede schwer verbergen. Beim Personal verlor sich der 59-Jährige sogar in Schwärmerei. Guardiola sei ein "Segen für den FC Bayern. Ich werde alles dafür tun, dass dieser Trainer so lange wie möglich in München bleibt." Holger Badstuber sei nach seinem doppelten Kreuzbandriss "für mich ein persönlicher Held". Und sowieso wurde ja "praktisch der FC Bayern Weltmeister" - mit 14 abgestellten Spielern, sieben DFB-Kickern und dem WM-Siegtorschützen Mario Götze.
Die Bayern-Welt ist wahrlich heil, heiler denn je. Und die Konkurrenz nicht erst durch die Offenlegung der neuen Rekord-Zahlen gewarnt. "Die Nummer eins in Europa" sei man laut Rummenigge bereits seit 2012. Daran soll sich nichts ändern.
"Den Reus brauch' ma ned"
Im Januar wird dann mit Hoeneß die größte Identifikationsfigur und der prägendste Charakter der jüngeren FCB-Geschichte zurückkehren, wenn auch vorerst als Freigänger in der Jugendabteilung.
Wie es mit dem 62-Jährigen danach weiter geht, weiß wohl noch niemand. Einer hatte für die Zukunft seines "Freundes" aber noch eine klare Vorstellung. "Wir fordern Freiheit für Uli! 2016 Präsident Uli Hoeneß, wer dagegen is', soll gleich vorkommen", grinste Matthäus Hammerl und ballte seine Faust. Der Edel-Fan der Münchner mit dem Gamsbart am Hut und der Glocke in der Hand stand als Letzter auf dem Podium. Die vierte Wortmeldung, fast halb elf Uhr war es da bereits.
"Den Reus brauch' ma ned!", mahnte Hammerl, der unter Applaus und in Tracht die Bühne geentert hatte, in Richtung Vorstand. Und eine Bitte habe er dann noch an die Mannschaft. "Kann ma ned", fing er an und lachte, "kann ma ned das Eckenschießen ein bisserl übern?" Es scheint das Einzige zu sein, was bei den Münchnern im Moment nicht funtioniert.
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