SPOX: Letztlich geht es für Sie als Torwart auch darum, eigene Fehler zu vermeiden und sollten dennoch welche geschehen, sie richtig zu kanalisieren. Ist das beim Torhüter die größte Baustelle, eigene Fehler gesund verdauen zu können?
Fährmann: Das ist in jedem Fall ein wichtiger Aspekt. Ich persönlich war schon immer sehr ehrgeizig und wollte jeden Fehler vermeiden. Es gehört zum Reife- und Lernprozess dazu, akzeptieren zu können, dass Fehler unvermeidlich sind. Sportlich lief es für mich zuletzt gut, aber ich weiß dennoch jetzt schon: Ich werde wieder Fehler machen - und zwar noch genügend in meiner gesamten Karriere. Keinen einzigen Fehler kann man rückgängig machen, aber man kann daraus lernen. Dieser Tatsache muss man sich bewusst sein. Das Wissen darum ist am Anfang, gerade wenn man jung ist, noch nicht so ausgeprägt vorhanden. Da geht man noch verbissener an die Sache heran.
SPOX: Würden im Fußball keine Fehler gemacht, gäbe es nur torlose Unentschieden. Wie erschwerend kann es gerade für junge Spieler sein, sich aufgrund dieser Tatsache nicht vom Wesentlichen ablenken zu lassen?
Fährmann: Ich glaube, dass sich viele junge Spieler gar keine tiefgreifenden Gedanken machen. Da ist man vielleicht noch so fokussiert auf seine Aufgabe, dass das im Spiel nicht extrem ablenkt. Interessant wird es aber jetzt: Je länger man nämlich dabei ist, desto mehr verliert man diese Unbekümmertheit. Und dann macht man sich Gedanken, auf und abseits des Platzes. Abhilfe schafft dabei in meinen Augen ein guter Teamgeist und das Wissen, dass Fehler erlaubt sind, weil sie im Mannschaftssport gemeinsam ausgebügelt werden können.
SPOX: Sie haben in Ihrer noch jungen Karriere schon einige sportliche Dürrephasen mitmachen müssen. Sie waren häufig verletzt oder mussten lange auf Ihre Chance warten. Sie sind nun aber gestärkt aus dieser Leidenszeit hervorgegangen. Sind Sie dadurch als Spieler auch extrovertierter geworden?
Fährmann: Das will ich selbst nicht beurteilen. Ich habe in meiner Karriere aber schon einige Verletzungen und Rückschläge erlitten. Ich lief oft gegen Wände, zumindest gefühlt war das so. Ich habe in den acht Jahren im Profibereich also schon ein paar negative Erfahrungen machen müssen. Ich glaube, dass mich das im Umgang mit solchen Situationen ein Stück weit reifer und erwachsener gemacht hat. Das mag dann vor allem auf dem Platz extrovertierter rüberkommen.
SPOX: Nach all der Zeit des Wartens auf Besserung Ihrer sportlichen Perspektive müssten Sie doch jetzt einer der geduldigsten Menschen der Welt sein, oder?
Fährmann: Ich würde die Frage gerne bejahen, aber Geduld ist immer noch nicht mein Ding (lacht). Heute kann ich darüber schmunzeln, aber das war wirklich eine extrem harte Zeit. Wenn man vergebens auf seine Chance wartet und sie nicht kommt, dann fühlt sich das wie gesagt so an, als ob man ständig gegen eine Wand läuft und immer daran abprallt. Ich bin aber insofern geduldig, dass ich mir schon früh gesagt habe, mir nie vorwerfen zu wollen, nicht alles gegeben zu haben.
SPOX: Dass sich das in der letzten Saison auf Schalke endlich für Sie rentierte, dürfte sich wie ein Sechser im Lotto angefühlt haben, oder?
Fährmann: Absolut. Schalke fühlt sich für mich wie zu Hause an, das ist mehr als nur ein Verein für mich. Ich wollte solange, wie ich hier unter Vertrag stehe, versuchen, die Nummer eins zu werden. Meine Selbsteinschätzung von meinen Trainingseinheiten war gut, ich war immer positiv gestimmt, dass ich hier noch zeigen kann, was wirklich in mir steckt. Glücklicherweise konnte ich das in den Spielen zusammen mit der Mannschaft dann auch abrufen. Aber: Glück hat nur der Tüchtige!
SPOX: Horst Heldt erzählte mal, dass er Sie in einem der letzten Trainingslager fragte, wie es Ihnen ginge - "da brach ein Orkan aus", meinte er dann. Wie sind Sie mit Enttäuschung und Unverständnis umgegangen, als Sie nicht im Tor standen?
Fährmann: Meine Familie musste in dieser Beziehung einiges ertragen. Ich bin schon jemand, der dann offen und ehrlich seine Meinung äußert. Vielleicht nicht gleich am Anfang, aber irgendwann läuft dann auch mal das Fass über. Wenn man Frust und Zorn in sich trägt, muss man das auch herauslassen können. Dann herrscht Klarheit, egal ob man davon im ersten Schritt gleich profitiert.
SPOX: Wenn Sie Ihre Familie ansprechen: Die musste früh auf Sie verzichten, da Sie einst als 14-Jähriger Ihre Heimat Chemnitz verlassen haben, um nach Gelsenkirchen ins Jugendinternat zu ziehen. Haben Sie damals auch Ihre Jugend aufgeben müssen?
Fährmann: Ja. Zum Glück war ich so jung. Mit 14 Jahren macht man sich weniger einen Kopf darüber. Mein Tagesablauf war so stringent durchgeplant, dass ich keine Zeit zum Nachdenken hatte. Schule, Training, Schule, Training, Hausaufgaben, schlafen - so sah das aus. Und wenn ich frei hatte, habe ich geschlafen, weil ich so geschlaucht war. Der Fußball hat mir aber geholfen, mich schnell heimisch zu fühlen. Meine Mitspieler sind meine Freunde geworden und wir haben auch unsere Freizeit gemeinsam verbracht. Dazu war mein Draht zur Familie schon immer sehr eng. Meine Eltern und mein Bruder sind regelmäßig nach Gelsenkirchen gekommen und haben mich besucht. Mein Bruder hat dann teilweise meine Hausaufgaben gemacht (lacht).
SPOX: Wie fühlt es sich jetzt elf Jahre später an, wenn Sie nach Hause kommen - verfallen Sie da sofort wieder in alte Muster?
Fährmann: Bei meiner Oma bin ich Sachse, das geht total schnell. Da wird Dialekt gesprochen. Ich schlafe auch im Kinderzimmer, wenn ich daheim bin. Das sieht noch so aus wie vor zehn Jahren. Ein neues Bett musste ich mir allerdings kaufen, weil ich in das alte nicht mehr hinein gepasst habe. Grundsätzlich hat sich mittlerweile aber natürlich vieles geändert. Ich kann meiner Familie nun vieles von dem zurückgeben, was sie damals auf sich genommen hat. Darüber bin ich persönlich sehr froh und erleichtert.
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